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Franzose veröffentlicht Buch über Alexander dem Exarchen

Jüngst erschien ein Buch, das den Titel trägt: „Alexander Exarch – Ein bulgarisches Schicksal“. Der Autor ist der französische Historiker und Diplomat Pierre Voillerry. Er versteht es auf brillante Weise, das Leben und Werk dieses Intellektuellen aus der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt im 19. Jahrhundert zu schildern. Alexander Exarch ist selbst in seiner Heimat Bulgarien eine Persönlichkeit, über die wenig bekannt ist. Voillerry betrachtet die Geschichte Bulgariens aus dem Blickwinkel eines Ausländers, obwohl er selbst ein Nachkomme Alexanders ist. Er schildert die damaligen Zustände im Osmanischen Reich und das nicht leichte Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gemeinschaften.

© Foto: Weneta Pawlowa

Alexander Exarch wurde im Jahre 1810 in der mittelbulgarischen Stadt Stara Sagora geboren. Sein Geburtsname lautet Alexander Stoilow – den Ehrentitel „Exarch“ führt seine Familie seit dem 17. Jahrhundert. Der Familie gehörten angesehene Intellektuelle an, die von den anderen Bulgaren, wie auch von den Türken hoch geachtet wurden. Und so wurde Alexander die Diplomatie bereits in die Wiege gelegt. Schon als Jugendlicher musste er diese Fähigkeit unter Beweis stellen, als er mit der bitteren Realität im unterdrückten Bulgarien konfrontiert wurde. Sein Onkel wurde wegen eines Streits mit einem Türken von den türkischen Verwaltern rücksichtslos ins Gefängnis geworfen. Alexander hielt in seinen späteren Erinnerungen fest, wie kritisch die Lage für die bulgarische Bevölkerung damals war – das Osmanische Reich stand vor einem neuerlichen Krieg gegen Russland und schreckte vor keine Gräueltaten zurück, um mögliche Aufstände unter den unterdrückten Völkern im Keim zu ersticken.

Alexander musste mehrere male nach Adrianopel reisen, um beim dortigen Gebietsverwalter eine Freilassung seines Onkels zu erbitten. Mehrmals wurde er selbst festgenommen, kam jedoch immer wieder frei. Für kurze Zeit gelang es Russland, Südbulgarien zu erobern. Beim Rückzug der Russen flohen viele Bulgaren, weil sie die blutige Rache der türkischen Machthaber fürchteten. Alexander lehnte seinerseits die Gewalt ab und zog friedliche Mittel vor. Als loyaler Untertan des Sultans hoffte er auf Reformen, die seinen Landsleuten Freiheiten und ein sichereres Leben einbringen sollten. Und so studierte er ab 1836 Medizin in Paris mit einem Begabtenstipendium der osmanischen Regierung. 1839 wurde in Istanbul der berühmte Sultanserlass proklamiert, der allen Untertanen des Reiches gleiche Rechte einräumte. Alexander wurde nebenbei an der osmanischen Botschaft in Paris tätig. Sein aristokratisches Auftreten und seine intellektuellen Fähigkeiten beeindruckten und so machte er wichtige Bekanntschaften, die ihm die Tore für das französische Außenministerium öffneten.

1841 brach in Nordwestbulgarien ein Aufstand gegen die Willkür der dortigen türkischen Verwaltung aus. Nach dessen Niederschlagung entsandte Frankreich eine Untersuchungskommission mit Jérôme-Adolphe Blanqui an der Spitze. Alexander kam als Übersetzer zum Einsatz, wurde aber schnell ein wertvoller Berater der Kommission. Die Mission endete erfolgreich – die Hohe Pforte sah sich gezwungen, gegen die Willkür in den Provinzen vorzugehen, in Frankreich hingegen wurde das Interesse an der bulgarischen Frage geweckt und bald wurden französische Konsulate in den von Bulgaren bewohnten Gebiete eingerichtet.

In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts unterbreitete Alexander Exarch der osmanischen Regierung und Frankreich mehrere Reformvorschläge, die der unterdrückten bulgarischen Bevölkerung mehr Freiheiten bringen sollten. Es folgte eine Reise nach London, wo er ebenfalls für die bulgarische Sache warb. In Sankt Petersburg wiederum schaffte er es, Geld für die Ausbildung von Bulgaren in ihrer Heimat zu erwirken.
1847 siedelte sich Alexander Exarch in der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, Konstantinopel, an. Dort begann seine schaffensreichste Phase in seinem Leben. In jener Zeit wurden die Bestrebungen der Bulgaren um eine eigene Kirche immer eindringlicher. Alexander Exarch nahm sich der Errichtung eines bulgarischen Gotteshauses in Konstantinopel an, was auf den Widerstand des griechischen Patriarchats stieß, dem die Bulgaren in Kirchenfragen unterstellt waren. Die griechischen Klerikern gelang es zwar nicht, eine Ausweisung von Alexander Exarch zu erwirken, konnten aber einen ihnen gegenüber loyaleren bulgarischen Intellektuellen auf ihre Seite ziehen – Fürst Stephan Bogoridi, der den Kirchenbau übernahm. Und so wurde 1849 die neue Kirche zu Ehren von Stephan Bogoridi dem Heiligen Stephan geweiht. Der eigentliche Verdienst für den Bau dieser Kirche kommt jedoch Alexander Exarch zu.

1850 erwarb Alexander Exarch die Zeitung „Zarigradski westnik“ (auf Deutsch „Konstantinopeler Zeitung“) – die einzige bulgarische Zeitung, die in der osmanischen Hauptstadt verlegt wurde. Sie war neben der Zeitung „Balgarski Orel“ (auf Deutsch „Bulgarischer Adler“), herausgegeben 1846 von Iwan Bogorow in Leipzig, eine der ersten bulgarischen Zeitungen überhaupt. Alexander entpuppte sich als ein hervorragender Journalist, der dank seiner diplomatischen Fähigkeiten mehr als zehn Jahre lang auf die Probleme der Bulgaren aufmerksam machte, ohne jedoch der strengen Zensur in die Quere zu kommen. Das Blatt mied außenpolitische Fragen und konzentrierte sich vor allem auf den Kampf der Bulgaren um eine eigene Kirche und Bildung. Um die Zeitung herausgeben zu können, begann Alexander Exarch Bücher zu verlegen. In der Periode von 1850 bis 1864 brachte er 62 Buchausgaben auf den Markt, was fast zehn Prozent des gesamten damaligen bulgarischen Verlagswesens ausmachte. Zudem erwirkte er Geldspenden aus Russland, mit denen er die Gründung von 34 Schulen in verschiedenen bulgarischen Städten ermöglichte.

Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts stand die bulgarische Kirchenfrage vor einem Sieg. In der Zwischenzeit war auch die revolutionäre Bewegung für ein unabhängiges Staatswesen der Bulgaren herangereift. Alexander Exarch war jedoch kein Revolutionär – er war ein Mann der Kompromisse, der Diplomatie und des friedvollen Zusammenlebens. 1867 reiste er erneut nach Paris – diesmal bereits als Diplomat des Osmanischen Reiches – er wurde als Berater an der dortigen osmanischen Botschaft eingesetzt. Alexander Exarch war in Paris, als 1877 ein neuerlicher Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich ausbrach, der im Jahr darauf von den Russen gewonnen wurde. Damit erstand nach annähernd 500 Jahren türksicher Fremdherrschaft der bulgarische Staats aufs neue.

Nach der Befreiung Bulgariens war Alexander Exarch einer der Kandidaten für den bulgarischen Thron. Mit seiner Kandidatur wollte er deutlich machen, dass sich die Bulgaren durchaus selbst verwalten können. Er wurde jedoch nicht zum Landesfürsten gewählt, denn die Großmächte waren überein gekommen, dass der neue Herrscher über Bulgarien in verwandtschaftlichen Beziehungen zu den westeuropäischen Königshäusern stehen müsse. Nichtsdestotrotz reichte Alexander Exarch seine Kandidatur nochmals ein, als 1886 der Fürst Bulgariens, Alexander I. (aus Hessischem Hause), zum Abdanken gezwungen worden und der bulgarische Thron erneut verwaist war. In der Zwischenzeit hatte Alexander Exarch verschiedene hohe Posten in Ostrumelien bekleidet, das 1878 als autonome türkische Provinz gebildet worden war. Laut dem Berliner Vertrag vom gleichen Jahr waren die bulgarischen Landen von den Großmächten zerstückelt worden, um einen großen bulgarischen Staat, der aller Wahrscheinlichkeit nach unter russischem Diktat stehen würde, nicht zuzulassen.

Alexander Exarch starb 1891 in Sofia, abseits der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse im Land. Die Volksversammlung hatte ihm zwei Jahre zuvor für seine hohen Verdienste für das Vaterland eine Rente auf Lebenszeit gebilligt. Dieser Beschluss erfolgte zwar etwas spät, jedoch einhellig, was Alexander Exarch erfreute, denn anscheinend waren er und sein Werk nicht ganz in Vergessenheit geraten.

Der französische Gesandte Jérôme-Adolphe Blanqui hatte einst folgendes über ihn geschrieben: „Alexander Exarch war fest davon überzeugt, dass er ein patriotisches und religiöses Werk tue, indem er mit allen Kräften die Aufmerksamkeit der türkischen Regierung und die Sympathie des christlichen Europa für jenes wunderschöne und gleichzeitig verwüstete Land, genannt Bulgarien, zu erwirken versuchte.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Weneta Pawlowa


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