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Bekämpfung der Radikalisierung bleibt immer noch im Feld der guten Absichten

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Islamisten im Roma-Viertel von Pasardschik
Foto: Staatsanwaltschaft der Republik Bulgarien

Vom 29. bis 31. März wurde in Sofia eine dreitägige Konferenz über die Radikalisierung junger Menschen durchgeführt. Diesem Thema war auch eine internationale Konferenz am Welttag der Frankophonie am 14. März gewidmet. Am 23. März wiederum hat Premier Bojko Borissow die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung des Terrorismus gefordert, der binnen zwei Wochen zur öffentlichen Debatte vorgelegt werden soll.

All das passiert, nachdem die bulgarische Regierung im Dezember 2015 eine Strategie zur Bekämpfung der Radikalisierung und des Terrorismus und einen Plan für deren Umsetzung gebilligt hatte. Die Häufigkeit und Beständigkeit, mit der sich die Öffentlichkeit und die Behörden in Bulgarien mit dieser Thematik befassen erweckt den Eindruck, als seien alle ganz davon besessen. Es werden aber auch skeptische Stimmen laut, dass Radikalismus und Terrorismus nicht mit Hilfe von Strategien und Konferenzen bekämpft werden können, sondern durch konkretes Handlungen und Maßnahmen.

In dieser Woche gab es eine solche konkrete Aktion. In der südbulgarischen Stadt Pasardschik wurde der Prozess gegen 14 Imame fortgesetzt, die beschuldigt werden, die Ideen des IS zu popularisieren und zu Kriegshandlungen aufzuhetzen. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat ihr Anführer Ahmed Mussa Ahmed in den Sozialnetzen zum Dschichad aufgerufen, religiöse Intoleranz gepredigt und seine Glaubensbrüder dazu aufgerufen, sich an der Seite des Islamischen Staates zu schlagen. Bei seinen Aktivitäten soll der Imam von IS-Freiwilligen unterstützt worden sein. Informationen der Geheimdienste in Wien zufolge stand Ahmed in Kontakt zu Vertretern des IS in Österreich. Obwohl man von den Aktivitäten der Angeklagten wusste, schleppt sich der Prozess gegen sie seit 2012 dahin. Wie ein Experte des bulgarischen Geheimdienstes DANS während der Konferenz in Sofia in dieser Woche sehr treffend bemerkte, ist das nicht an letzter Stelle auch darauf zurückzuführen, dass der Begriff „Radikalisierung“ nicht in der bulgarischen Gesetzgebung enthalten ist. Vorhanden sei nur ein völlig überholter Artikel 108 der Strafprozessordnung, in dem vom „Predigen faschistischer oder anderer antidemokratischer Ideologien“ die Rede ist. Der DANS-Experte mahnte, dass der Mangel präziser Formulierungen und Qualifikationen in der Gesetzgebung end- und fruchtlose Diskussionen und Begriffserklärungen nach sich zieht. Aus eben diesem Grund meinte die Verteidigung der einzigen Frau unter den Angeklagten in Pasardschik, in deren Haus Tausende Exemplare des von ihr eigenständig übersetzten Buches „Renegatentum“ gefunden wurde, die Frau stelle keine Gefahr für unser Land dar. An dieser Stelle sollten wir erwähnen, dass besagtes Buch selbst in vielen moslemischen Staaten verboten ist und die Angeklagte zudem auch eine Fahne des Islamischen Staates genäht hatte.

Bei manchen Menschen rufen die Diskussionen rund um die Radikalisierung auch Verärgerung hervor. Während der jüngsten Konferenz in Sofia hat man eher beschämt eine gewisse Radikalisierung bei „unterschiedlichen Gruppen“ eingeräumt und auch Versuche, das traditionelle Verhalten in „einigen Gemeinschaften“ in Bulgarien zu ändern. Beschämung ist aber fehl am Platz, wenn es darum geht, das Problem beim Namen zu nennen, um bloß nicht die Gefühle gewisser Gemeinschaften zu verletzten. Eine solche Gemeinschaft ist die der Roma in Bulgarien, für die religiöser Hass völlig untypisch ist. In letzter Zeit hat aber ein immer noch geringer Teil dieser Menschen damit begonnen, sich mit dem Salafitemtum zu identifizieren. Offensichtlich infolge von externem Einfluss, weil die traditionellen Moslems in Bulgarien keine Salafisten sind. Diese Ideologie wurde durch Imame nach Bulgarien gebracht, die in arabischen Ländern ausgebildet worden sind. Obwohl man hierzulande davon weiß, wurde diese Erscheinung bislang nur rein ideologisch verurteilt.

Die häufigen und für manch einen vielleicht auch lästigen Diskussionen über die Radikalisierung zeigen, dass die bulgarische Gesellschaft das Problem erkannt hat und sich bewusst ist, dass es bekämpft werden muss. Vor dem Hintergrund der Terrorakte in Europa wird das besonders aktuell. Die Frage ist nicht, ob man Radikalismus und Terrorismus bekämpfen muss oder nicht. Es geht vielmehr darum, das Problem anzugehen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Die Realität verlangt sie uns ab.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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