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Bojan Durankew: Bulgarien muss Wirtschaftswachstum verdreifachen, um EU-Durchschnitt zu erreichen

Foto: BGNES

In ihrer Frühjahrsprognose über Bulgariens Wirtschaftsentwicklung hat die Europäische Kommission ihre Erwartungen auf bis zu zwei Prozent revidiert. Dieses Wachstum sei für ein Land wie Bulgarien, das den EU-Durchschnitt anstrebe, jedoch bei weiten nicht ausreichend, kommentierte der Wirtschaftsexperte Bojan Durankew für Radio Bulgarien und weiter:

„Die klassische Wirtschaftstheorie definiert Wachstum zwischen einem und drei Prozent als schwach, zwischen drei und sechs Prozent als mittelmäßig sowie über sechs Prozent als stark“, erklärt Bojan Durankew. „In diesem Sinne ordnet sich Bulgarien in die Gruppe mit schwachem Wachstum ein. Bei einem weltweiten Mittel von 3,1% zählt Bulgarien mit zwei Prozent zu den Ländern mit nur unzureichendem Wirtschaftswachstum. Mit diesen Konjunkturdaten und seiner Wirtschaftsleistung hat sich Bulgarien seit langem aus der Oberliga der entwickelten Wirtschaftsnationen verabschiedet und strebt momentan die Abstiegsplätze der zweiten Liga an. Bei der derzeitigen Kluft zwischen dem Pro-Kopf-BIP in Bulgarien und dem EU-Durchschnitt sowie der Wachstumsprognose von 1,8%  für die gesamte EU bräuchte unser Land für den Anschluss Wachstumsraten von mindesten jährlich 6-7%.“

Nach Ansicht von Professor Durankew weisen viele EU-Staaten ein höheres Wachstumstempo als Bulgarien auf. Im Vorjahr verzeichnete Irland beispielsweise 4,9%. Auch das benachbarte Rumänien lässt mit 4,2% Wachstum in 2015 Bulgarien immer weiter hinter sich zurück. Malta verbuchte ebenfalls über vier Prozent. Polen, Schweden, Litauen und Lettland bewegen sich im Dreiprozentbereich. Selbst das krisengeschüttelte Spanien kann 2,6% Wachstum vorweisen. Das einzige Land, das sich dem armen Bulgarien annähere, sei das benachbarte Griechenland mit einem negativen Wachstum von gerade einmal 0,3%, bemerkt Bojan Durankew und weiter:

„Was die Wirtschaftsleistung betrifft, hat Griechenland die Nase jedoch deutlich vorn“, so der Volkswirt. „Zwei Prozent Wirtschaftswachstum für Bulgarien kommen einer Anämie gleich und  bergen viele Risiken für die Zukunft. Ich gehe davon aus, dass Brüssel mit dem Juncker-Plan keine wirtschaftliche Aufholjagd der ärmsten EU-Länder wie Bulgarien gelingen wird.“

Nach Ansicht von Prof. Durankew verstärke sich zudem die Ungleichheit in Bulgarien, da der EU-Beitrag von allen Steuerzahlern getragen werde, der Kapitalrückfluss jedoch nur einem halben bis einem Prozent der Bevölkerung zugute komme.

„Die Ungleichheit wird weiter wachsen und damit die Risiken für die Zukunft“, meint der Wirtschaftsexperte Bojan Durankew. „Neben dem Juncker-Plan muss die Gemeinschaft jedoch einen zweiten Parallelplan für die wirtschaftliche Aufholjagd all jener Länder auf den Weg bringen, deren Wirtschaftswachstum unter einem Drittel des EU-Durchschnitts liegt. Zweiten muss Bulgarien vom Ausverkaufsmodell abkommen. Unser Land muss einen anderen Wirtschaftsweg einschlagen, der auch auf Investitionen in die eigene Basis aufbaut. In den letzten 20 Jahren hat Bulgarien viel zu viel auf ausländische Investitionen gesetzt.“

Nach Ansicht von Durankew könnte sich Bulgarien Direktinvestitionen sichern, in dem es die Einheitssteuer abschafft und Voraussetzungen schafft, die jedem eine wenn auch nur geringe Investitionssumme gewährleistet. Man könnte das Problem aber auch in eine andere Richtung lösen und jenen Familien, denen pro Kopf weniger als 250 Euro zur Verfügung stehen, von jeglichen Steuern befreien. Zweitens könnte man die Steuern für Luxus, Erbschaften und Grundrenten anheben und den Steuereinzug verbessern. Die dritte Möglichkeit wäre eine differenzierte Steuerveranlagung sowohl für natürliche Personen als auch für Unternehmen. Nicht zuletzt müsste die Europäische Union einen einheitlichen Mindestlohn sowie einen einheitlichen Grundfreibetrag einführen, der die Deckung der Grundbedürfnisse der Bevölkerung gewährleistet, so der Professor.


Übersetzung: Christine Christov




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