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Rumen Radew übernimmt Präsidentenamt – ein „heißer“ Frühling steht bevor

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Foto: BGNES

Kontinuität und Veränderung. Mit diesen Worten umschrieb der neue bulgarische Staatspräsident Rumen Radew in seiner Rede zu seinem Amtsantritt seinen Leitstern. Sein Vorgänger Rossen Plewneliew wünschte ihm Erfolg und erinnerte daran, dass er in den 5 Jahren seiner Amtszeit einzig zum Wohle von Volk und Staat gearbeitet habe.

Trotz des eisigen Wetters am vergangenen Sonntag dauerte die Zeremonie der Amtsübergabe ganze Stunden. Zuerst wurden am Denkmal des Unbekannten Soldaten im Zentrum Sofias die Ehrengarde begrüßt, Kränze niedergelegt und Reden gehalten, dann fand in der nahen Alexander-Newski-Kathedrale ein Bittgottesdienst, zelebriert vom bulgarischen Kirchenoberhaupt persönlich, statt und dann ging es ins Präsidialgebäude, in dem die Zeremonie fortgesetzt und Unter-vier-Augen-Gespräche geführt wurden. 21 Kanonenschüsse kündeten den Amtsantritt des 5. Staatspräsidenten Bulgariens nach dem Krach des totalitären Regimes von Todor Schiwkow 1989 an.

„Herrgott, einen Schutzengel sende ihm, dem viel gegeben und von dem viel verlangt wird“, lautete die Botschaft Seiner Heiligkeit des Patriarchen der Bulgarischen Orthodoxen Kirche Neofit. Seine Worte waren wohl die weisesten vor dem Hintergrund all der protokollhaften Höflichkeiten, Analysen und Prognosen. Der Patriarch sagte: „Sehr geehrter Herr Präsident, heute, da Gott Ihnen in einer recht komplizierten und friedlosen Zeit eine enorm große Verantwortung für das Leben und Wohlergehen von Millionen Menschen aufbürdet, haben Sie die Unterstützung Gottes mehr als nötig. Damit ihre Amtszeit erfolgreich ist, müssen Sie den Bestrebungen der bulgarischen Bürger Gehör schenken und müssen nach jenem suchen, das für sie nützlich und gut ist und das Sicherheit und Frieden beschert. Sie werden einer besonderen Feinfühligkeit und Weisheit bedürfen.“

Der Vorhang fiel, die Vorstellung ist zu Ende. Rumen Radew, ein 53jähriger Generalmajor der Reserve und ehemaliger Kommandeur der Luftstreitkräfte, ist der erste Staatspräsident Bulgariens, der nicht der Parteien-Nomenklatura nach der Wende vom 10. November 1989 angehört. Im vergangenen November gewann er die Stichwahl gegen die Kandidatin der GERB-Partei Zezka Zatschewa. Radew, dessen Kandidatur von einem Initiativkomitee aufgestellt wurde, erhielt die Unterstützung der Bulgarischen Sozialistischen Partei. Nun muss er die lästige Behauptung widerlegen, dass er ein „Mann der Sozialisten“ sei. „Ich werde ein Präsident aller bulgarischen Bürger sein, unabhängig ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit“, wiederholte Radew mehrmals diese abgedroschene Phrase. Etliche seiner Versprechen klingen geradezu banal. So z.B. wolle er gegen die chronischen Probleme Bulgariens vorgehen, wie die Korruption, die Kriminalität und die Armut des Großteils der Bevölkerung. Dieser Kampf wird mittlerweile seit Jahrzehnten ohne nennenswerte Erfolge geführt.

Bulgarien ist eine parlamentarische Republik; der Staatspräsident hat laut Verfassung nur beschränke Vollmachten, besitzt aber hinsichtlich der Außenpolitik ein bestimmtes Gewicht. In dieser Hinsicht verscheuchte Rumen Radew alle Bedenken als er sagte, dass die Zugehörigkeit Bulgariens zur Europäischen Union und zur NATO kein Diskussionsthema sei.

Einen spürbaren Unterschied zu seinem Vorgänger Rossen Plewneliew gibt es jedoch hinsichtlich der Politik gegenüber Russland und den Problemen im Zusammenhang mit der Krim und der Ukraine. Radew appellierte an einen Wegfall der EU-Sanktionen gegen Russland. Beobachter meinen jedoch, dass das eine sehr delikate Frage sei, die zudem nicht einzig auf nationaler oder Unions-Ebene gelöst werden könne. Das entscheidende und vielleicht auch das letzte Wort werden wohl der neue Chef des Weißen Hauses und die neue Administration in Washington haben. Bulgarien ist zu dieser Frage kein Faktor und wird die Beschlüsse der Großmächte befolgen, fügen die Experten hinzu.

Was die Flüchtlingswelle anbelangt sagte Rumen Radew bereits während des Wahlkampfs, er werde es nicht zulassen, dass Bulgarien zu einer Pufferzone und einem Migrantenghetto Europas werde und wolle sich für eine Revision des Dubliner Übereinkommens einsetzen. Laut den Analysten müsse sich Bulgarien aber auch zu dieser Frage an die Entscheidungen der Großmächte halten. Rumen Radew täte also gut daran, seine Wahlkampfreden zu überdenken und sich vor Augen zu führen, welche Möglichkeiten er als ein Präsident einer parlamentarischen Republik hat, insbesondere hinsichtlich der Außenpolitik.

Was die innenpolitischen Pflichten von Rumen Radew anbelangt, sind sie klar umrissen und unterliegen keiner verschiedenen Auslegung. Die Konstitution sagt genau, was er tun kann und muss. Nun muss er das Parlament auflösen, eine Übergangsregierung benennen und das Datum der vorgezogenen Parlamentswahlen festlegen. Falls Radew Weitsicht zeigt, wird er in die Übergangsregierung keine Politiker der Parteien-Nomenklatura (insbesondere aus den Reihen der Bulgarischen Sozialistischen Partei)  einbeziehen und es nicht zulassen, dass diese Regierung mehr tut, als die vorgezogenen Parlamentswahlen zu organisieren. Die Wahlen selbst werden aller Wahrscheinlichkeit nach in diesem März stattfinden. Es steht uns also ein „heißer“ Frühling bevor.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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