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„Surva“ – ein alter Brauch der Läuterung, des Neubeginns und der Segenswünsche

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Der bulgarische Mummenschanz blickt auf Jahrtausende alt Traditionen zurück. Seine Wurzeln sind in heidnischer Zeit zu suchen. Wie in allen Ländern mit indo-europäischer Abstammung und Kultur, gibt es auch in Bulgarien Schembartläufer, die hierzulande Kukeri genannt werden. Der Schembartlauf wird „Surva“ genannt. Bei dem Ritual, an dem sich ausnahmslos Männer mit schrecklichen Masken beteiligen, wird das Böse vertreiben und Gesundheit und Wohlergehen herbeirufen. Sie tragen meistens auch viele Schellen und Glocken an ihrem Gürtel, deren ohrenbetäubender Klang ebenfalls das Böse vertreiben soll. Dieser Brauch ist in allen Landesteilen verbreitet und wird unmittelbar nach Neujahr des Julianischen Kalenders gepflegt.

СнимкаIn Pernik bei Sofia, das als die „Hauptstadt“ der Schembartläufer gilt, findet seit 1966 gegen Ende Januar ein  internationales Festival statt, das „Surva“ genannt wird. Seit 1985 ist das Festival international und wird heuer seine 26. Ausgabe erleben. Die UNESCO hat es vor etwas mehr als einem Jahr in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Die steigende Popularität des Festivals ist übrigens ein Beweis dafür, dass die alte Tradition lebendiger denn je ist.

СнимкаÜber das Fest unterhielten wir uns mit Iwanka Wassilewa, Chefexpertin der Kulturabteilung der Gemeinde Pernik:

Was ist die Region Pernik ohne „Surva“!? Ohne jene Nacht, in der Jahrhunderte lang die jungen Männer mit schrecklichen Masken, in denen sich der Frost eingenistet hat, toll werden und voller Freude und Energie jeden mit sich reißen und die winteröde Landschaft mit dem Lärm von Hunderten Glocken und Schellen zum beben bringen?“ fragt rhetorisch Iwanka Wassilewa. „In diesem Jahr haben 55 Ortschaften der Region die Feuer entfacht, denn am Abend vor dem Schembartlauf ist es Brauch, dass sich alle Beteiligten voll kostümiert im Zentrum des jeweiligen Dorfes versammeln, wo ein großes Feuer entfacht und drumherum getanzt wird. Das geschieht in der Nacht vom 13. zum 14 Januar, also dem Jahreswechsel nach Julianischem Kalender. Am ersten Tag nach diesem „Neujahrsfest“ wird wiederum nach altem Kalender der Basilius-Tag begangen, der zu den größten Festen in unserer Region gehört. Man feiert den Sieg des Guten über das Böse, das wiederum die Schembartläufer verscheucht haben. Auch in diesem Jahr kamen sehr viele Gäste, darunter auch Vertreter der UNESCO, Folklorewissenschaftler und Journalisten. Ganz nach Tradition gingen die Schembartläufer in Begleitung von Musikanten von Haus zu Haus, vertrieben die bösen Geister und überbrachten ihre Segenswünsche. Es wurde auch jeweils ein Feuer entzündet, dem die Funktion einer reinigenden Kraft zukommt.

СнимкаAm Freitag, Samstag und Sonntag dieser Woche wird in Pernik die jüngste Ausgabe des sogenannten Surva-Festivals stattfinden, das ein internationales Treffen der Schembartläufer aus aller Welt darstellt. Pernik wurde bereits 1995 in die Vereinigung der europäischen Karnevalsstädte (FECC) aufgenommen. Am Wettbewerbsteil des Surva-Festivals werden sich Mummenschanz-Gruppen aus ganz Bulgarien beteiligen.

In dieser Ausgabe werden wir einen Rekord aufstellen“, erzählt weiter Iwanka Wassilewa von der Kulturabteilung der Gemeinde Pernik. „118 Gruppen haben ihre Teilnahme angekündigt, was uns einen Guinness-Rekord einbringen kann. Zum Karneval in Rio de Janeiro kommen jährlich etwa 6.000 Teilnehmer; wir haben bereits 6.944 Teilnahmekandidaturen registriert. Das Wort „Surva“ lässt sich nicht nur von „surow“ – „roh“ im Sinne von „zäh“, „widerstandsfähig“ ableiten, es bedeutet auch „Kraft“, „Stärke“ und „Potenz“ – was für ein größeres Potential könnte man sich wünschen, angesichts der Tatsache, dass rund 7.000 Menschen in unsere Stadt kommen werden, um die Kraft und Energie der Traditionen zu bezeugen. Diesmal werden 7 oder 8 Gruppen hinzukommen, die noch nie an unserem Festival teilgenommen haben. Über 1.300 Kinder aus ganz Bulgarien werden mitmachen.

СнимкаFür den 27. Januar ist eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema „Mummenschanz in Stadt und Land“ geplant. Ihre Durchführung ist bereits zur Tradition geworden. Im Jugendzentrum wird die sogenannte „Surva-Kinderstube“ die alten Bräuche den Kindern und Jugendlichen näher bringen. Meister aus ganz Bulgarien werden während der drei Festivaltage von 10 bis 18 Uhr in einer Werkstätte die Anfertigung traditioneller Masken zeigen. Jeder, der will, kann sich daran beteiligen, oder sich einfach nur eine der Masken kaufen. In einer Ausstellung wird wiederum der Kroate Nikola Vrančić, der eine Schembartläufer-Gruppe anführt, fast drei Dutzend Masken zeigen. Bei einem seiner Besuche in Bulgarien war er von den hiesigen Masken so beeindruckt, dass er begann, Maskenpuppen herzustellen. Vor der offiziellen Eröffnung des Festivals werden über 500 Kinder verschiedene Bäuche vorführen. „Surva-Feuer“ nennt sich wiederum das Konzert-Spektakel, das das Festival abschließen wird. Der Höhepunkt wird, wie nicht anders zu erwarten, die Präsentation der einzelnen Gruppen sein. Der Schembartlauf findet am Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr statt. Es werden jeweils 50 bis 60 Gruppen ihre Programme vorstellen. Neben den einheimischen Gruppen werden 16 Gruppen aus anderen Ländern kommen, darunter Kroatien, Slowenien, Mazedonien, Serbien, Albanien, aber auch aus Sardinien und Aruba in der südlichen Karibik. Den bulgarischen Gruppen steht eine Bühne zur Verfügung, auf der sie nach ihrem Umzug ihre Masken und Kostüme für alle gut sichtbar vorstellen werden. Nicht minder interessant wird das Geschehen auf der speziellen Bühne für die Gastgruppen sein“, versprach abschließend Iwanka Wassilewa von der Kulturabteilung der Gemeinde Pernik.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Foto: BGNES, surva.org



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