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Die Felsen von Belogradtschik – Magie aus Stein

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Vor acht Jahren gingen die Felsen von Belogradtschik um den Titel „Spektakulärstes Naturwunder der Welt“ ins Rennen. Das war kein leichtes Unterfangen, da sie gegen Giganten wie den Grand Canyon, die Niagara-Fälle oder den Mount Everest antreten mussten. Obwohl es mit dem Titel nicht geklappt hat, sorgen die Himmelsstürmer seit dem für einen wahren Touristenboom. Sehr zu Freude der Einheimischen. Denn einst Zentrum des Handwerks und der Landwirtschaft zählt der Nordwesten Bulgariens heute zu den ärmsten Regionen des Landes.

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Etwa 200 km nordwestlich der Hauptstadt Sofia eröffnet sich dem Reisenden ein beeindruckendes Naturschauspiel. Auf mehr als einhundert Quadratkilometern residieren phantasievolle Felsgebilde aus rötlichem Konglomeratgestein, geformt in Millionen Jahren von unsichtbarer Meisterhand. Bis zu 200 Meter hohe Silhouetten ragen gleich Menschen, Tieren und Pflanzen gen Himmel. Ein sanfter Hauch von Legenden weht über die lehmfarbenen Gipfel und raunt Geschichten über tragische Liebe, Heldenmut und Tod.

Touristisches Zentrum ist das 6000-Einwohner-Städtchen Belogradtschik, zu Deutsch „Weiße Stadt“. Grauweiß getünchte Häuschen mit ziegelroten Dächern schmiegen sich fast unwirklich in die Idylle der malerischen Steinlandschaft. Hoch über dem Städtchen thront majestätisch die Festung „Kaleto“. Ein beeindruckendes Ensemble aus Naturfelsen und wuchtigen Wehrmauern. Von hier aus überwachten bereits die Römer nahe liegende Gebirgspässe und die Heeresstraße in Richtung Donau, erzählt die Historikerin Kinka Mihajlowa.

СнимкаDie Festung von Belogradtschik entstand also schon im ersten bis dritten Jahrhundert. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass der Standort noch früher von den Thrakern genutzt wurde, für sakrale Rituale. Im 14. Jahrhundert befestigte der bulgarische Zar Srazimir den Nordwestteil der Wehranlage und baute sie nach Südosten aus. Ihre jetzige Endfassung erhielt die Anlage im 19. Jahrhundert unter dem Türken-Pascha von Vidin, Hüssein.“

Heute verbergen sich hinter den bis zu zwölf Meter hohen und zwei Meter breiten Wällen aus hellem Naturstein zwei mit Gras bewachsene Innenhöfe, verbunden durch ein massives Festungstor. Der zweite Innenhof grenzt an den imposantesten Teil der Anlage – die Felsenzitadelle. Auf 158 Steinstufen geht es hoch hinauf auf das Felsplateau, befestigt mit rötlich-grauen Steinblöcken. Nach weiteren 80 engen, steilen Felsstufen bleibt einem die Luft weg. Die Aussicht ist atemberaubend. Der Blick schweift über die zartgrünen und blauen Ausläufer des Balkangebirges, über die schneebedeckten Gipfel der Karpaten, über die sagenumwobenen Felsengebilde von Belogradtschik. Nikolaj Stojanow aus Sofia fehlen die Worte:

Die Felsen kann man nicht mit Worten beschreiben. Zu so etwas ist kein Mensch fähig, nicht einmal ein begnadeter Künstler. Sie sind einfach fantastisch. Auf Pfaden und Stufen zu wandeln, auf die bereits vor Hunderten Jahren unsere Vorväter ihren Fuß gesetzt haben, macht einfach nur sprachlos.“

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Unmittelbar hinter der Festung lädt ein markierter Ökowanderweg zu einem Spaziergang in kundiger Begleitung ein. Es riecht nach Kiefern und Moos. Die Tautropfen an den Zweigen der wild wachsenden Sträucher am Wegrand glitzern wie Tausende Kristalle. Auf sanft abfallenden Lichtungen entfalten erste Frühlingsblumen ihre lila Pracht. Eine gut behütete Idylle, schwärmt Bergführer Venzislaw Waltschew.

Das Gebiet um die Felsen wurde zum Naturreservat erklärt. Hier dürfen nicht einmal vertrocknete Bäume gefällt werden. Alles soll so bleiben, wie es die Natur geschaffen hat.

СнимкаUnd zwischen den Bäumen erheben sich wieder und wieder phantasievolle Skulpturen aus Stein, deren Schoß zuweilen feuchte Nischen und Höhleneingänge verbirgt. Ein Paradies für Naturliebhaber, zumal hier zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten heimisch sind. Und wer im Freien kein Glück hat, kann diese im hiesigen Naturkundemuseum bestaunen. Eine wahre Fundgrube. Denn mit mehr als 500 Exponaten geben die übersichtlich nach Lebensräumen geordneten Vitrinen einen ausführlichen Einblick in die reichhaltige Fauna der Region. Der Biologe Todor Todorow und seine Kollegen überwachen zudem die Biovielfalt in der Region.

In Bulgarien ist eine allmähliche Wiederherstellung fast aller Tierarten zu beobachten. Leider aus für uns unangenehmen Gründen. Denn Landwirtschaft und Industrie sterben aus, was sich allerdings erholend auf die Natur auswirkt. Es wäre schön, wenn wir diesen Effekt einem umweltbewussten Naturmanagement zuschreiben könnten.“

СнимкаWieder an der frischen Luft, geht es auf dem Wanderweg zurück in die Stadt. Es ist an der Zeit für kulinarische Gaumenfreuden in traditionell rustikalem Ambiente. In der Schenke „Madonna“ stehen ausschließlich bulgarische und regionale Leckerbissen auf der Speisekarte. Neben einer reichen Auswahl an Salaten, wie beispielsweise Schopska Salat, verlocken vor allem Gerichte mit Schweinefleisch und Schafskäse. Der Herr des Hauses, Radoslaw Mladenow, weiß mit Sicherheit, was schmeckt:

Als Vorspeise Kosatschko-Kiselo, ein erfrischendes Süppchen aus Gurken, Tomaten, getrocknetem Paprika, Knoblauch und Wasser, dazu ein Gläschen Rakia, als Hauptgang Grochtscheno, gebratene Schweinefleischstücken mit viel Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Pfeffer, dazu ein Glas Wein und als Nachspeise panierte Äpfel mit Honig.

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Das edle Nass darf ruhig der Marke „Magura“ sein, zumal Schaumweine dieser Kellerei in der gleichnamigen Höhle am nahe gelegenen Rabischa-See gelagert werden. Mit ihrem 2.500 Meter langen Stollenlabyrinth zählt die Magura-Grotte zu den größten Höhlen des Landes. Rutschige, breite Steinstufen führen hinab in eine märchenhafte Welt. In über 20 Meter hohen, 50 Meter breiten und 200 Meter langen Sälen betören bizarre Stalagmiten, Stalaktiten und Stalagnaten. Ein angestammtes Domizil für Hunderte von Fledermäusen, die in diesen Gefilden allerdings nicht immer bevorzugtes Wohnrecht hatten. Denn Höhlenmalereien im Srutischte-Stollen geben Kunde, dass hier bereits vor 10.000 Jahren Menschen gelebt haben. Lebendige Zeugen aus längst vergangener Zeit.

Wem das immer noch nicht genug ist, der kann bei klarem Himmel einen Blick auf die Sterne werfen, denn im Observatorium von Belogradtschik steht das zweitgrößte Teleskop Bulgariens, das auch abends für Besucher zugänglich ist.

Fotos: Christine Christov



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