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Büyük-Moschee in Sofia – ein Tempel der Archäologie

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Die bulgarische Hauptstadt Sofia gehört zu den ältesten Städten Europas. Die heißen Mineralwasserquellen zogen bereits in der Steinzeit die Menschen an. Das Leben an diesem Ort ist seitdem nicht abgebrochen. Verschiedene Kulturen blühten hier auf und verschwanden, hinterließen jedoch deutliche Spuren. Das Zentrum Sofias ist überaus reich an solchen Überbleibseln – architektonische, wie auch Kunst- und Alltagsgegenstände, die an einem Ort glücklich vereint sind. In der einstigen Büyük-Moschee – eine architektonische Perle aus der Anfangszeit der osmanischen Fremdherrschaft in Bulgarien, ist das Nationale archäologische Museum untergebracht.

Dr. Kamen Bojadschiew, Mitarbeiter dieses Museums, erzählte uns mehr über die Geschichte:

„Diese Moschee, bekannt unter dem Namen Büyük-Moschee, wurde im 15. Jahrhundert errichtet. Damit gehört dieses Bauwerk zu den ältesten erhaltenen der Stadt. Sie war auch die größte Sofias („büyük“ heißt in Übersetzung „groß“). Eigentlich war sie nach ihrem Erbauer – Mahmud Pascha, Großwesir des Osmanischen Reiches, benannt, der sie errichten ließ. Er hat viel für Sofia getan, denn seinen Namen trugen bis ins 17. Jahrhundert hinein außer diese Moschee auch ein Wohnviertel, eine Herberge, eine Islam-Schule und eine Wasserzisterne.“

Mahmud wurde als Sohn christlicher Eltern geboren. Er entstammte einem Zweig des byzantinischen Adelsgeschlechts der Angeloi, welcher nach der osmanischen Eroberung Thessaliens nach Serbien floh und dort hohe Ämter bekleidete. Seine Mutter war eine serbische Adlige. Bereits als Kind kam er durch den Blutzoll zu den Türken, die ihn zu einem Janitscharen erzogen. Seine Ausbildung erhielt er im Palast in Edirne, wo er politische Karriere machte. Nach seiner Beteiligung an der Eroberung Konstantinopels 1453 wurde er wenige Jahre später zum Großwesir und schließlich zum wichtigsten der Provinz-Gouverneure ernannt.

Doch zurück zu seiner Moschee in Sofia. Der Grundstein für ihren Bau wurde während der Herrschaft von Sultan Mehmed II. den Eroberer (1451 bis 1487) gelegt. Vollendet wurde sie erst 1494, nach dem Tod von Mahmud Pascha. Nicht nur auf Grund ihrer Größe, sondern auch wegen ihrer architektonischen Gestaltung, gehört diese Mosche zu den bedeutendsten islamischen Bauten in ganz Bulgarien.

Der türkische Historiograph Evliyâ Çelebi, der in den Jahren 1652/53 in Sofia lebte, beschrieb die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Darunter die Büyük-Moschee. Er schrieb: “In Sofia gibt es keine größere alte Moschee als diese. Sie hat zwei Haupttore. Auch rechts, neben dem Minarett, hat sie ein weiteres Tor und südlich noch eines, das jedoch vermauert ist. Das Minarett ist aus Ziegelsteinen und ist hoch und symmetrisch. Die Frauenabteilung dieser Moschee ist recht groß und wird von drei Seiten von niedrigen Wänden umgeben. Diese innen helle Mosche ist mit Blei gedeckt.” – so der türkische Chronist.

„Seit ihrer Errichtung bis hinein ins 19. Jahrhundert war die Büyük-Moschee eines der wichtigsten öffentlichen Gebäude der Stadt“, erzählt weiter Dr. Kamen Bojadschiew vom archäologischen Museum. „Sie diente auch als Versammlungsraum für die türkischen Feldherrn vor Beginn ihrer Feldzüge. Das Gebäude überstand bis ins 19. Jahrhundert hinein die Zeiten unbeschadet, bis schließlich zwei große Erdbeben (1818 und 1858) erhebliche Schäden anrichteten. Zwar überstand das Hauptgebäude wegen seiner äußerst massiven Ausführung die heftigen Erdstöße, es stürzten jedoch die Vorhalle und das Minarett ein. Das wurde von den osmanischen Türken als ein böses Zeichen gedeutet und das Gebäude wurde von da an nicht mehr benutzt und verwahrloste.“

Das Museum, 1920

Im Russisch-türkischen Krieg von 1877/78, der Bulgarien die Freiheit brachte, diente das Bauwerk als Krankenhaus. Nach der Neugründung des bulgarischen Staates wurden mehrmals Renovierungsarbeiten durchgeführt. Wegen seiner zentralen Lage in der Stadt und seinem architektonischen Wert, wurde darin im Jahre 1892 auf Erlass des Landesfürsten Ferdinand I. das neugeschaffene Volksmuseum eingerichtet. Später wurden die Sammlungen getrennt und in eigenständige Museen verwandelt; in der einstigen Büyük-Moschee verblieb die Archäologie. Die Sammlung wuchs schnell an und Anfang des 20. Jahrhunderts wurde angebaut, jedoch mit großer Achtung gegenüber dem Gebäude und seinem historischen Wert.

Kopf einer keramischen anthropomorphen Figur und ein keramisches zoomorphen Gefäß aus dem Siedlungshügel Karanowo, 5. Jt. v. Chr.

Die Rosette aus PliskaHeute betritt man das Museum durch einen Haupteingang im Nordwesten, der sich in einem dieser Anbauten befindet. Man hat überhaupt nicht das Gefühl, dass dieser Teil nicht zur ehemaligen Moschee gehört. Die Bauweise mit ihrem mittelalterlichen Kästelmauerwerk, bei dem größere Steine von vier Seiten mit flachen Ziegelsteinen ummauert sind, wurde beibehalten und auch die Fenster sind in ihrer Form passend gestaltet.

Als in den Jahren 1934 bis 1939 südöstlich des Archäologischen Museums das neue Gebäude der Bulgarischen Nationalbank errichtet wurde, verband man geschickt beide Bauwerke und in den Zwischenbauten weitete sich das Museum aus. Dennoch hat es seit seiner Gründung bis heute nicht aufgehört, über Platzmangel zu klagen, was auch verständlich ist, bedenkt man die Unmengen an historischen Denkmälern, die in Bulgarien gefunden wurden und werden. Das Museum ist das reichste seiner Art der Balkanhalbinsel.

Der Goldschatz vom Waltschitran und der Bronzekopf des thrakischen Herrschers Seuthes III.

Goldene Totenmaske aus thrakischer ZeitBei uns werden Gegenstände aufbewahrt, die noch aus der Zeit der frühesten Besiedlung der Balkanhalbinsel und Europas überhaupt stammen – vor rund anderthalb Millionen Jahren“, erzählt der Museumsmitarbeiter. „Die Besucher können Funde aus jener Epoche bis hinein ins Spätmittelalter und der islamischen Periode bewundern. Unter den wertvollsten Ausstellungsstücken sind der berühmte Goldschatz vom Waltschitran aus der späten Bronzezeit und der Kopf einer Bronzestatue des thrakischen Herrschers Seuthes III. Erwähnen möchte ich auch die goldene Totenmaske, ebenfalls aus thrakischer Zeit, und den Bronzekopf des Apollo – ein Kunstwerk aus der römischen Epoche, das übrigens hier bei uns in Sofia gefunden worden ist. Sehr reich ist ferner unsere Sammlung an Gegenständen aus dem bulgarischen Mittelalter. Genannt sei die Rosette aus Pliska und die Keramik-Ikone des heiligen Theodor. Die sind nur ein Bruchteil unserer Sammlungen, die die Jahrtausende währende kulturelle Entwicklung auf bulgarischem Boden dokumentieren“, sagte abschließend Dr. Kamen Bojadschiew, Mitarbeiter des Nationalen Archäologischen Museums in Sofia.

Die Keramik-Ikone des heiligen Theodor aus dem 10. Jh. und Muttergottes-Ikone aus dem 14. Jh.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: Miglena Iwanowa und Archiv des Museums



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