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Das Wunder, einen traditionellen und schönen Gegenstand mit eigenen Händen zu erschaffen

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Der Heilige Spyridon gilt in Bulgarien als Beschützer der Schuhmacher, Weber, Schneider, Töpfer, Ziegelsteinmacher, Kupferschmiede und von vielen anderen Handwerkern. Obwohl jedes Handwerk seinen eigenen Beschützer hat, wird der 12. Dezember seit der bulgarischen Wiedergeburt im 18./19. Jahrhundert als Tag der Handwerkern gefeiert. Neben den vielen Volksfesten und anderen Feierlichkeiten, wurden an diesem Tag die Meisterprüfungen durchgeführt.

Auch heute ist es wichtig, die traditionellen Handwerke am Leben zu erhalten, denn die Erzeugnisse, die nach alten Technologien hergestellt werden, strahlen eine ganz besondere Schönheit aus, meint Marieta Nedkowa, Nachfolgerin einer Handwerkerfamilie. Sie behauptet, dass diese traditionellen Erzeugnisse die Individualität des Menschen prägen, für seinen Charakter, Lebensstil und ästhetisches Empfinden sprechen.

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Ein gestricktes oder gehäkeltes Accessoires zu einem bestimmten Kleidungsstück oder ein Handwerksgegenstand verändern die Vision, insbesondere, wenn es zu einem bestimmten Zweck gefertigt wurde. Diese Art von Gegenständen werden aus dauerhaften Materialien gefertigt und sind praktisch für die Ewigkeit. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben“, sagt Marieta Nedkowa. „Der Meister hat in dem mit seinen eigenen Händen gefertigten Gegenstand all sein Können, seine Fertigkeiten und sein Wissen über die Tradition wie ein bestimmtes Material bearbeitet wird, eingebracht.

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Marieta entstammt einer Gerberfamilie. Das Handwerk, wie Leder bearbeitet wird, hat sie von ihrem Vater gelernt. Sie arbeitet aber auch mit ungewebtem Textil, konkret mit Filz und beherrscht andere alte Technologien. Weben kann sie an verschiedenen Arten von Webstühlen. Marieta gehört zu den wenigen Meisterinnen, die die Technik des Brettchenwebens anwenden. Sie fertigt sogar die Modelle für die Ornamente, was eigentlich das Komplizierteste und Schwerste an dieser alten angewandten Handwerkskunst ist.

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Die als Brettchen- oder auch als Plättchenweberei bekannte Fertigkeit, die fast vollständig ausgestorben ist, ist eine zeitraubende Arbeit. Doch wer sich entschließt, sie zu praktizieren, kann sein schöpferisches und räumliches Denken entwickeln und entfalten. Diese Technik eignet sich hervorragend für Kinderwerkstätten und Demonstrationen. Auf einem Handwerksfestival beispielsweise ist es sehr schwer, das Weben am Webstuhl zu zeigen. Für das Weben mit Plättchen sind hingegen nur vier Plättchen mit Löchern an den Enden für die Fäden nötig. Diese alte Methode hat es überall auf der Welt gegeben. Zu uns ist sie wahrscheinlich aus Asien gekommen. Sie ist parallel mit den ersten vertikalen Webstühlen mit Gewichten (6.-5. Jh. v.u.Z.) erschienen. Zumindest wurden Artefakten aus dieser Zeit überliefert. Die asiatischen Völker benutzen auch heute noch in ihrem Alltag Textilbänder, die mit Plättchen gewebt sind. Je mehr Plättchen benutzt werden, desto komplizierter und farbenprächtiger ist der Stoff. Der altägyptische Pharao Ramses der II. beispielsweise wurde mit einem Textilgürtel begraben, der mit mehr als 300 Plättchen, vielen Farben und goldenen Fäden gefertigt wurde. Das ist eine Meisterleistung.“

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Wie Marieta Nedkowa weiter berichtet, soll es in Bulgarien nur wenige Menschen geben, die diese alte Technik beherrschen. Dabei können viele Anleitungen auf Englisch im Internet gefunden werden. Manche lernen es zwar zu weben, doch sie schaffen es nicht, eigene Modelle zu fertigen. Doch wozu werden diese Kenntnisse in unserer Zeit gebraucht, in der selbst die Volkstänzer und Volkssänger inzwischen stilisierte Varianten der typischen Volkstrachten bevorzugen? Die Alltagsgegenstände und der Geschmack der Verbraucher verändern sich auch.

Es gibt immer noch Enthusiasten, die historische Szenen wieder aufleben lassen wollen und Kopien ethnografischer Gegenstände bestellen“, erzählt Marieta. „Das sind verschiedene Klubs und Jugendorganisationen. Sie versuchen, die Lebensweise unserer Vorfahren nachzuahmen. Für sie habe ich versucht, Ledererzeugnisse nachzumachen. Beim Filz ist die Aufgabe schon schwieriger. Die altertümliche Technik nutzt die Eigenschaft der Wolle, beim Waschen zu verfilzen. Unser Wissen schöpfen wir aus alten Gravüren und Ikonen. In Bulgarien wurden keine altertümlichen Arbeiten entdeckt. Erwähnt werden sie lediglich in der Literatur, doch wir wissen nicht wie sie ausgesehen haben. Bei Ausgrabungen von Hügeln in der Altai wurden fast 4000 Jahre alte Erzeugnisse entdeckt. Der Hügel wurde bald nach der Beisetzung ausgeraubt. Dabei ist Wasser eingedrungen und die Filze sind eingefroren. Auf natürliche Weise konnten sie wie in einem Gefrierfach die Zeit überdauern. Mit Filz können Bilder gemalt werden, Pantoffeln, Handschuhe, Schals und Kleider, aber auch Kunstinstallationen gefertigt werden. Diese angewandte Technik findet Anklang bei Handwerken und Künstlern, die darin ein interessantes Betätigungsfeld sehen.“

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Marieta Nedkowa ist bemüht, ihr angehäuftes Wissen und Können weiterzugeben. Unermüdlich hält sie Vorlesungen in Schulen und verschiedenen anderen Einrichtungen, in denen es Menschen gibt, die Interesse für alte Handwerkstechniken haben. Und sie schafft es Jung und Alt zu begeistern, etwas mit ihren eigenen Händen zu erschaffen und ihm Schönheit und das unbeschreibliche Gefühl der Einzigartigkeit einzuhauchen.

Übersetzung: Georgetta Janewa

Fotos: Privatarchiv



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