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Proteste zum Schutz des Nationalparks „Pirin“ gehen über die Grenzen Bulgariens

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Foto: bg.wikipedia.org

Unser Protest gilt dem Erhalt des Nationalparks „Pirin“ und er ist auch gegen die Korruption auf allen Ebenen gerichtet, gegen alle abhängigen Politiker, die sich nicht an die Gesetze halten. Das ist zugleich ein Protest gegen die Willkür. Denn Pirin und seine Rettung sind ein Symbol dafür!

Mit diesen Worten richten sich die Umweltschutzorganisationen aus der Koalition „Damit die Natur in Bulgarien erhalten bleibt“ an alle Bulgaren im In- und Ausland und rufen sie dazu auf, sich den Protesten gegen den Regierungsbeschluss vom 28. Dezember 2017 anzuschließen, der Änderungen im Nutzungsplan und somit Bauarbeiten im Nationalpark „Pirin“ zulässt. Die Naturfreunde verlangen den Rücktritt von Umweltminister Neno Dimow, der den Vorschlag zu diesem Regierungsbeschluss gemacht hat. Sie fordern auch, dass der Name des realen Eigentümers des Konzessionärs „Julen AD“ bekannt gegeben wird und eine internationale Expertise unter Beteiligung der Zivilgesellschaft diese Konzession genau unter die Lupe nimmt.

In Reaktion darauf hat Umweltminister Neno Dimow den Ökologen versichert, im Nationalpark „Pirin“ würden keine Hotels und Spa-Anlagen gebaut, sondern lediglich Sport-Infrastruktur. Die Änderungen im Nutzungsplan machen es auch möglich, dass Quellen für die Trinkwasserversorgung genutzt werden können.

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Trotz dieser Beteuerungen bestehen die Umweltschützer darauf, dass der umstrittene Regierungsbeschluss den Schutz des Nationalparks „Pirin“ abschwächt und der Abholzung 100 bis 500 Jahre alter Kiefern-, Tannen- und Fichtenwälder die Tür öffnet. Im Piringebirge sind Bären, Wölfe, Gämsen, seltene Arten Eulen und Spechte beheimatet sowie über 70 endmische Pflanzenarten, von denen 30 nur hier anzutreffen sind. Das ist der einzige Nationalpark auf der UNESCO-Welterbeliste.

СнимкаIn Dutzenden Städten in Europa, aber auch in Australien, organisieren die Bulgaren aus eigenem Antrieb Proteste zum Erhalt des Nationalparks „Pirin“, die mit denen in Sofia und in Bulgarien korrespondieren“, sagt der Ökologe und bekannte Umweltschützer Borislaw Sandow. „Das zeigt, dass die bulgarische Diaspora immer noch sehr sensibel ist, wenn es um solche Fragen geht. Und das ist sehr wichtig. Wenn diesen Menschen der Erhalt des bulgarischen Natur- und Kulturerbes am Herzen liegt, dann muss Bulgarien etwas unternehmen, um dieses Erbe zu erhalten und zu popularisieren und die Verbindung zu den Auslandsbulgaren am Leben zu halten, weil sie das offensichtlich als Bestandteil ihrer Identität empfinden. Ich hoffe, dass wir mit Unterstützung unserer Landsleute im Ausland und unserer Partner im EU-Parlament den Kasus „Pirin“ lösen können. Dann kommen die wirklich wichtigen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung des Tourismus auf die Tagesordnung. De facto sind die Ski-Dienstleistungen hier viel teurer als in renommierten europäischen Skiorten, während die Preise für Unterkunft und Unterhaltung um ein Vielfaches niedriger sind. Und so mutiert Bansko zu einer billigen Alkohol-Destination, ähnlich wie Sonnenstrand, wo Laster jeglicher Art florieren, doch darüber schweigen sich alle aus“, meint Borislaw Sandow.

Indem der Fokus auf die Errichtung einer zweiten Seilbahn gerichtet wird, will man den Eindruck erwecken, als seien die Protestler gegen die Entwicklung des Ski-Tourismus in Bulgarien. Das sind aber zumeist junge Leute, die selbst Ski und Snowboard fahren, Wandern und Bergsteigen lieben und in der Natur verliebt sind. Und wer wäre es nicht, wenn er erst einmal mit ihrer wilden Schönheit in Berührung gekommen ist - weit ab von Kneipen und Luxushotels, die Stück für Stück die Natur verdrängen. Früher war Bansko ein schmuckes und beschauliches Bergstädtchen, das als der Geburtsort des Volksaufklärers Paisij von Hilendar und des Dichters Nikola Wapzarow bekannt war. Die Häuser verströmten ein Gefühl von Wärme, Behaglichkeit und Reinheit, wie die meisten Ortschaften in den hohen Berglagen. Für die Gebirgswanderer und Bergsteiger hörte in Bansko die „Zivilisation“ einst auf. Von dort nahmen sie Kurs auf den zweigrößten Gipfel in Bulgarien, den es zu erklimmen galt - den 2.914 m hohen Wichren.

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Die Menschen, die dort gelebt haben, haben sich aus ganzjährlichem Tourismus ernährt, der mit dem Pirin-Gebirge eng verbunden war. Nun gibt es für sie dort keinen Platz mehr unter der Sonne“, meint Borislaw Sandow. „Die Monopolisierung des Tourismus und der Ski-Zone wirkt sich auf alle aus. Die kleine pittoreske Stadt zwischen dem Rila-, Piringebirge und den Rhodopen hat ihre Authentizität verloren - mit ihren typischen Berghäusern, schmackhaften Speisen und wunderschönen Natur. Und das ist wirklich sehr schade. Bulgarien kann nicht mit den Alpen herhalten, was das Gefälle, die Höhe und Länge der Pisten angeht. Falls wir keine Qualität anbieten können, die mit unserer nationalen und kulturellen Identität Hand in Hand geht, dann schaden wir uns selber. Hinzu kommt, dass die Abholzung der Wälder Erosion und Überschwemmungen zur Folge hat. Aus diesem Grund ist der Bach Glasne, der durch Bansko fließt, vor geraumer Zeit über die Ufer getreten und hat alles unter Wasser gesetzt. Je mehr Wälder gefällt werden, umso größer werden auch die Hochwasserschäden sein. Und es kann auch dazu kommen, dass Menschen bei diesen Überschwemmungen ihr Leben verlieren.“

In Bulgarien gibt es eine Redewendung, die besagt: “Wenn die Fakten reden, schweigen die Götter“. Ob aber die Fakten in Unterstützung des Nationalparks „Pirin“ die Politiker dazu bringen, ihren Beschluss zu ändern? „Wir müssen eine Balance zwischen Umweltschutz und Wirtschaftsentwicklung finden und keinen Konsens“, meinte vor wenigen Tagen Umweltminister Neno Dimow.

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: BGNES



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