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Der öffentliche Verwaltungsapparat wächst und wird immer reicher

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Foto: capital.bg

Zwei Nachrichten aus den letzten Tagen, die miteinander zusammenhängen, zogen das öffentliche Interesse auf sich. Die erste, dass die Gehälter der Angestellten ständig höher werden und das Durchschnittsgehalt Ende 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 10% gestiegen ist und inzwischen 560 Euro beträgt, ist als positiv zu bewerten. Vor dem Hintergrund der Gehälter in den entwickelten EU-Staaten ist das ein niedriger Wert und Bulgarien gilt nicht zufällig als das EU-Land mit den am schlechtesten bezahlten Arbeiter und Angestellten.

Die andere Erscheinung ist hingegen besorgniserregend und schwer zu erklären. Es geht um den ständig wachsenden öffentlichen Verwaltungsapparat und das Mehren seines Reichtums. Trotz der mehrfachen Appelle des Premierministers Bojko Borissow, dringend eine digitale Regierung einzuführen, hört die Administration nicht auf zu wachsen. Ihre Elite ist wohlhabender denn je.

In der öffentlichen Verwaltung sind derzeit 112.865 Personen beschäftigt von insgesamt 3 Millionen Arbeitnehmern. Die Zahl der Beamten hat sich in einem Jahr um 2.287 erhöht. Der Staatshaushalt, aus dem ihre Gehälter kommen, dürfte nicht besonders belastet sein, würde man auf den ersten Blick meinen. Doch um zu prüfen, ob das tatsächlich so ist, müssen diese Gehälter näher unter die Lupe genommen werden.

Das monatliche Durchschnittsgehalt für die in der öffentlichen Verwaltung Beschäftigten beträgt 600 Euro, um 7,4% mehr als vor einem Jahr. Die Funktionen und Verantwortlichkeiten der Beamten sind verschieden, folglich auch die Entlohnung für die geleistete Arbeit. Das trifft insbesondere für die Elite der öffentlichen Verwaltung zu. Ihre Einnahmen wachsen unaufhaltsam und nähern sich dem europäischen Niveau. Der demonstrierte Wohlstand dieser Elite fordert oft die als normal empfundenen und akzeptierten Praktiken in Europa heraus.

Ein schillerndes Beispiel sind die Gehälter von Ministern, Abgeordneten und anderen hochrangigen Staatsangestellten. Das monatliche Grundgehalt eines Abgeordneten beträgt rund 1800 Euro. Rechnet man aber die weiteren Einnahmen für Dienstjahre, Teilnahme an verschiedenen Ausschüssen und Beraterhonorare hinzu, steigt es auf 3000 Euro. Das Gehalt des Präsidenten beträgt 6000 Euro, der Premierminister bekommt 3600 Euro monatlich. Nichts außergewöhnliches im Vergleich zum Monatsgehalt des Präsidenten in Frankreich zum Beispiel, der 15.000 Euro bekommt oder zum Mindestgehalt von 12.826 Euro für einen Europaabgeordneten. Es müssen aber auch die anderen Privilegien wie Dienstauto, Dienstwohnung, kostenlose medizinische Versorgung im Regierungskrankenhaus, Ausgaben für Transport im In-und Ausland, sowie die Repräsentationskosten in Betracht gezogen werden.

Noch problematischer wird es, wenn dese Einnahmen mit den Einkünften der Durchschnittsbürger und insbesondere der Rentner verglichen werden. Das Mindestgehalt in Bulgarien beträgt 260 Euro und die Durchschnittsrente 165 Euro. Ohne in primitiven Populismus zu verfallen, ist nicht zu übersehen wie groß die finanzielle Kluft zwischen dem Durchschnittsbulgaren und der bürokratischen Elite ist.

Doch werfen wir einen Blick auch auf den materiellen Stand der hohen Staatsbeamten. Der Chef des Ausschusses für Finanzaufsicht zum Beispiel erhält monatlich 7000 Euro. Solche Ausschüsse, Kommissionen und Agenturen gibt es in Hülle und Fülle und die Gehälter der dort Beschäftigten sind nicht gering, auf Kosten der Steuerzahler natürlich.

Der Wohlstand der Elite sticht ins Auge, insbesondere vor dem Hintergrund der Korruption in den höheren Etagen der Macht. Ob die hochrangigen Staatsbeamten tatsächlich so käuflich sind wie behauptet, ist schwer nachzuweisen, denn alles geschieht im Dunkeln. Doch das ist nicht nur die Überzeugung der meisten Bulgaren, sondern auch der Europäischen Kommission. Es ist daher kein Zufall, dass Bulgarien, seit dem es 2007 Mitglied der EU wurde, einer besonderen Beobachtung durch die Europäische Kommission untersteht, die sorgsam alle Maßnahmen der Regierenden, die die Korruption bekämpfen sollen, beobachtet. Wie es aussieht, wurden in Brüssel keine besonderen Ergebnisse in dieser Richtung bemerkt. Anderenfalls würde die Beobachtung nicht schon zehn Jahre andauern und der Beitritt Bulgariens zum Schengen-Raum mit dem Argument der unkontrollierten Korruption verwehrt bleiben.

Jemand könnte argumentieren, dass die guten Einkünfte in der öffentlichen Verwaltung die Korruption ausbremsen. Eindeutige Beweise dafür gibt es aber nicht, ebenso wie Anzeichen, dass die Korruption zurückgeht und das empört die bulgarische Öffentlichkeit. Soziale Umfragen zeichnen ein düsteres Bild von einem erschreckend niedrigen Vertrauen der bulgarischen Bevölkerung in den staatlichen Institutionen.

Übersetzung: Georgetta Janewa



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