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Zu Christi Himmelfahrt in Slatitza

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Die orthodoxen Christen auf der Welt feiern heute Christi Himmelfahrt. Beliebte Orte für die Gläubigen, sind an diesem Tag Stätten, die mit diesem Fest in Verbindung gebracht werden, sei es auch nur vom Namen her. Ein solcher Ort ist der sogenannte „Erlöser-Brunnen“ in der Nähe der kleinen Balkanstadt Slatitza in Westbulgarien, rund 60 Kilometer östlich der Hauptstadt Sofia.

Der Brunnen selbst liegt an einem Gebirgshang und ist für die Bewohner von Slatitza ein beliebtes Ausflugsziel, besonders an religiösen Feiertagen. In unmittelbarer Nähe befindet sich eine Kapelle, die der Himmelfahrt Christi geweiht ist. Das Wasser des Brunnens gilt seit alters her als heilbringend. Es entspringt tief aus dem Erdinneren, ist klar wie eine Träne und besitz das ganze Jahr über unabhängig der Jahreszeit die gleiche Temperatur. Nur wenige wissen, dass der Ort bereits in vorchristlicher Zeit den Menschen heilig war. Viele kamen hierher und warfen in das Wasser eine Münze, in der Hoffnung auf Erfüllung ihrer Wünsche. Bis heute hat sich dieser Brauch erhalten. Jahrhunderte vergingen – die kleinen Münzen blieben jedoch und künden heute von der bewegten Geschichte des Orts.

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Als vor Jahren die Quelleinfassung erneuert werden musste und der Brunnen renoviert wurde, kamen bei den Bauarbeiten rund 80 Münzen ans Tageslicht, von denen die älteste aus der Zeit der Thraker stammt“, erzählte uns Boris Gentschew. Er stammt aus Slatitza und pflegt unentgeltlich die Brunnenanlage. Mit den Funden hat er ein kleines Museum eingerichtet, das er den nachfolgenden Generationen vermacht hat.

Wir fragten ihn weiter nach der Geschichte des Orts:

Warum nennt man den Ort hier „Erlöser-Brunnen“? Dank der engen Gebirgspässe und der hohen Gipfel in der Umgebung hat es die einheimische Bevölkerung geschafft, lange Jahre den osmanischen Eroberern zu trotzen. Slatitza gehörte zu den letzten Orten, die von den Türken eingenommen wurden – mehr als 30 Jahre nach der Einnahme der Hauptstadt Tarnowo. In der Umgebung von Slatitza befinden sich die Überreste viele Verteidigungsanlagen. Nachdem der Feind auch die große Festung bei „Schekow Wir“ in seine Hand gebracht hatte, fanden die übriggebliebenen Bewohner Schutz in der kleinen Burg über der Stadt am Golesch-Gipfel. Die Überlieferungen und Legenden erzählen weiter, dass die Helden der Gefechte ihre Wunden speziell an dieser Quelle gewaschen haben, damit sie schneller heilen. Einer unter ihnen hieß „Spas“ (abgeleitet von „Spasitel“ – zu Deutsch „Erlöser“). In Angedenken an seine Taten soll die Qualle nach ihm benannt worden sein. Das Wasser dieser Quelle besitzt tatsächlich Heileigenschaften, weil es sich im Grunde genommen um Mineralwasser handelt. Das haben chemische Analysen bestätigt. Die im Wasser gelösten Mineralstoffe sorgen dafür, dass darin keine Mikroorganismen sind. Entsprechend verhütet es Infektionen, wenn man damit offene Wunden auswäscht.“

In den Dokumenten wird der „Erlöser-Brunnen“ zum ersten Mal im 15. Jahrhundert erwähnt. Erhalten ist eine Familienchronik, die heute im Besitz der Gebrüder Georgi und Pantscho Duraliew ist. Darin wird die Geschichte ihrer Familie im Verlauf von 500 Jahren verfolgt. Die letzte Eintragung stammt aus dem Jahre 1943.

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Der Brunnen ist jedoch viel älter, was die Funde belegen:

Die älteste Münze, die im Brunnen gefunden wurde ist eine Silbermünze der Thraker“, erzählt uns weiter Boris Gentschew. „Auf der einen Seite ist eine Abbildung des Gottes Dionysos zu sehen. Er war in der Antike der Gott des Weins und der heiteren Feste. Auf der Rückseite ist Herkules – nackt mit einer Keule in der rechten Hand und einem Löwenfell, dass er sich über die linke Schulter gehängt hat. Er war ein Mann, der für seine Kräfte bekannt war und 12 Prüfungen der Götter bestehen musste. Darunter war auch der Kampf mit einem Löwen. Eine weitere Münze stammt aus dem 1. Jahrhundert. Sie wurde auf der Insel Tassos geprägt. Aus etwa der gleichen Zeit stammt eine römische Silbermünze. Entdeckt wurden aber auch weitere römische Münzen sowie byzantinische aus späteren Jahrhunderten. Unter den Funden ist ferner eine Hohlmünze aus der Zeit des Zweiten Bulgarenreiches, geprägt vom Zaren Iwan Assen II. Ausgegraben wurden auch Münzen aus der Zeit des Ersten Bulgarenreiches, die heute zur Sammlung des Nationalen Geschichtsmuseums in Sofia gehören. Ans Tageslicht kamen u.a. ein antikes Kreuz aus Perlmutter mit einer Christusdarstellung und andere Schmuckstücke. Auch Überbleibsel der Kelten wurden entdeckt. Die Menschen werfen bis heute Geld in den „Erlöser-Brunnen“. Ein Teil davon wird sicher für die nächsten Generationen erhalten bleiben und von ihnen entdeckt werden. Alle Funde, die bisher gemacht wurden, zeugen davon, dass der Ort seit unerdenklichen Zeiten den Menschen heilig gewesen ist.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: Privatarchiv und sabori.bg



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