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Rundtischgespräch zum Thema Islam und der Möglichkeit einer Radikalisierung auf dem Balkan

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Foto: BGNES

Das Institut für Wirtschaft und internationale Beziehungen, die Friedrich-Ebert-Stiftung und der Bulgarische Diplomatenverein organisierten vor einigen Tagen in Sofia ein Rundtischgespräch zum Thema „Balkan-Islam – Hürde oder Brücke der Radikalisierung?“. Ziel war, die inneren und äußeren Risiken aufzudecken, die eine Radikalisierung der islamischen Gemeinschaften mit sich bringt.

Dieses Thema flammt immer wieder im Zusammenhang mit konkreten Ereignissen auf. Im Brennpunkt der Aufmerksamkeit stand 2016 ein Gerichtsverfahren gegen Imame, denen vorgeworfen wurde, Ideen des Islamischen Staates verbreitet und Kriegstreiberei betrieben zu haben. Im gleichen Jahr wurden eine Strategie für die Prävention der Radikalisierung und des Terrorismus sowie ein Gesetzentwurf über die Bekämpfung von Terrorismus verabschiedet.

Ein Jahr später wurde die Radikalisierung erneut zum Diskussionsthema. Anlass waren Probleme mit der Finanzierung der islamischen Religion in Bulgarien. Die zuständigen Behörden setzten alles daran zu vermeiden, sich öffentlich dazu zu äußern. Experten hingegen warnten, dass der Staat den Moslems im Land gegenüber konkrete Engagements übernehmen müsse, denn „die Investition in ein ruhiges Miteinander zwischen den Religionen sei eine Investition in die Sicherheit“.

In diesem Jahr finden die Diskussionen über die Radikalisierung in einem ganz anderen Umfeld statt. Es stehen Änderungen des Gesetzes über die Religionen an, die garantieren sollen, dass die traditionellen Glaubensrichtungen geschützt und die Möglichkeiten einer Radikalisierung auf religiöser Basis eliminiert werden.

Das Muftiat fordert die offizielle Akkreditierung des Islamischen Instituts in Bulgarien, so dass die dort ausgebildeten Geistlichen ihren Gottesdienst abhalten können, ohne zum Objekt fremdländischer moslemischer Einflüsse zu werden.

Der Staat scheint damit einverstanden zu sein und hat sogar vor, die Subventionen für die traditionellen Religionen im Land zu erhöhen, um zu ermöglichen, den Geistlichen und Angestellten religiöser Gemeinschaften Gehälter auszuzahlen.

Sowohl Regierende als auch Opposition fordern, dass nur die orthodoxe und die traditionelle moslemische Religion das Recht haben, geistliche Schulen beziehungsweise Akademien zu gründen. Die Koalition Vereinte Patrioten besteht darauf, die Gottesdienste nur von Geistlichen zelebrieren zu lassen, die ihre Bildung in Bulgarien erhalten haben oder von solchen, deren ausländisches Diplom von den zuständigen Behörden offiziell anerkannt wurde.

Im Unterschied zu vorangegangenen Jahren gibt es momentan keine besorgniserregenden Erscheinungen einer Radikalisierung. Auch die Lage in der Region scheint ruhiger zu sein, was die Ideen für eine Prävention und nicht für die Bekämpfung der Radikalisierung in den Vordergrund rückt.

Die Aufmerksamkeit der Experten ist nicht nur auf die Situation im Land, sondern auch auf die Region gerichtet. Botschafter Walentin Radomirski, Exekutivdirektor des Instituts für Wirtschaft und internationale Beziehungen, kommentierte für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk, dass der Islam auf dem Balkan momentan nicht radikal sei und deshalb als Barriere und nicht als Brücke für die Radikalisierung betrachtet werden müsse. Korrekterweise sollte von einem traditionellen und nichttraditionellen und nicht von einem radikalen Islam gesprochen werden, unterstrich Radomirski. Er ist der Ansicht, dass die Gefahr vor dem nichttraditionellen Islam gering sei, da in den meisten Balkanstaaten die Moslems untrennbar mit den nichtmoslemischen Gemeinschaften verbunden seien. Es sei schwer einen Keil hineinzutreiben, um sie zu radikalisieren.

Eine ähnliche Position vertritt auch die Geschichtswissenschaftlerin der Sofioter Universität "Hl. Kliment von Ohrid" Prof. Iskra Baewa. Ihrer Ansicht nach sei das Risiko vor Terrorakten islamischer radikaler Gruppen im Land gering, weil die kritische Masse an Leuten fehlt, die die Logistik dafür sichern könnten. Als Unterstützung ihrer These führte Prof. Baewa an, dass es in Bulgarien, im Unterschied zu anderen Balkanstaaten, keine Dschichadisten gebe, die an der Seite des IS im Nahen Osten kämpfen.

Ljubomir Kjutschukow vom Institut für Wirtschaft und international Beziehungen ist der Ansicht, dass der Islam auf dem Balkan eine Barriere vor der Radikalisierung der Moslems in Europa darstellt. Diese Barriere könne jedoch mit der wachsenden Gefahr aus dem Nahen Osten schnell wieder aufgehoben werden. Kjutschukow ist fest überzeugt, dass die sicherste Barriere gegen den radikalen Islam die Türkei ist. Obwohl dort die politische Festigung des Islams stattfinde, sei Präsident Recep Erdogan bemüht, die religiöse Radikalisierung unter Kontrolle zu halten.

Übersetzung: Georgetta Janewa



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