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Plowdiw erinnert mit Ausstellung an Vereinigung vor 134 Jahren


Am 6. September des Jahres 1885 vereinigten sich das damalige Fürstentum Bulgarien und Ostrumelien – zwei der bulgarischen Landesteile des von den Großmächten zerstückelten Bulgarien.


Die Vorgeschichte der Vereinigung begann unmittelbar nach der Befreiung Bulgariens von osmanischer Fremdherrschaft, die ein Ergebnis des von Russland gewonnenen Russisch-türkischen Krieges von 1877/78 war. Laut dem am 3. März 1878 unterzeichneten Friedensvertrag von San Stefano sollte Bulgarien wieder als selbständiger Staat auf den Karten Europas entstehen und zwar hauptsächlich in den Grenzen des Bulgarischen Exarchats – den vornämlich von Bulgaren bewohnten Territorien, in denen sich die Bulgaren Jahre zuvor eine eigene Kirche erkämpft hatten, die auch von der Hohen Pforte anerkannt wurde.
Bei dem Vertrag von San Stefano handelte es sich jedoch nur um einen Vorvertrag; der endgültige Beschluss fiel auf dem Berliner Kongress im Juli des gleichen Jahres. Das Bulgarien von San Stefano wurde in mehrere Teile zerrissen: Das heutige Nordbulgarien mit dem Gebiet von Sofia als Fürstentum Bulgarien; Südbulgarien mit Zentrum Plowdiw sollte unter der Bezeichnung Ostrumelien eine von der Hohen Pforte halbabhängige Provinz mit ausgedehnter administrativer Autonomie bleiben; der dritte Teil Bulgariens von San Stefano, also das ganze Mazedonien, wie auch die vornämlich von Bulgaren bewohnten Gebiete Ostthrakien und der Süden der Rhodopen, wurden wieder der direkten und uneingeschränkten Autorität des Sultans unterstellt. Die Bulgaren, die von der Beschlussfassung ausgeschlossen waren, konnten und wollten das nicht hinnehmen. Die Verfassungsgebende Volksversammlung des Fürstentums Bulgarien erklärte die nationale Vereinigung als eine Priorität in der Außenpolitik des jungen Staates. In Ostrumelien hingegen kam es zu Demonstrationen und Massenprotesten, so dass der Sultan gezwungen war, Zugeständnisse zu machen. So z.B. war der General-Gouverneur Ostrumeliens, der vom Sultan ernannt wurde, ein Bulgare. Auch wurden in Ostrumelien keine osmanischen Truppen stationiert. Es bekam ferner das Recht auf einen eigenen Verteidigungscorps, wie auch Polizei und Gendarmerie, die von bulgarischen Offizieren befehligt wurden. Damit wurden gewisse Voraussetzung für eine unblutige Vereinigung geschaffen, die sieben Jahre später erfolgte. Im August des Jahres 1885 lag bereits ein fertiger Vereinigungsplan vor. Zur Teilnahme konnten Offiziere des Verteidigungscorps gewonnen werden. Über die Absichten wurde auch der Herrscher des Fürstentums Bulgarien, Alexander I., informiert, der seinerseits der Vereinigung politische Rückendeckung sicherte. In der Nacht zum 6. September wurden unter dem Kommando von Major Danail Ikonomow die Regierungsgebäude in Plowdiw eingenommen und der Gouverneur Ostrumeliens für abgesetzt erklärt. Eine ernannte Übergangsregierung wandte sich an das Fürstentum Bulgarien, eine Vereinigung zu befürworten, was dann auch am 8. September mit fürstlichem Erlass geschah. Alexander I. erklärte sich zum Fürsten Nord- und Südbulgariens.

Heute erinnert Plowdiw an den denkwürdigen Tag der Vereinigung mit einer ständigen Ausstellung des Regionalen Geschichtsmuseums.
Eingerichtet wurde sie im Gebäude, das einst speziell für das Parlament Ostrumeliens errichtet worden war. Doch das Parlament Ostrumeliens hat nie dort getagt, weil das Bauwerk einen Monat nach der Vereinigung fertiggestellt wurde. Über das Gebäude und die Ausstellung teilte uns der Museumsdirektor Stefan Schiwatschew nähere Einzelheiten mit:

„Der Vorschlag für den Bau eines solchen Gebäudes wurde 1879  unterbreitet – unmittelbar nachdem das Parlament Ostrumeliens im ehemaligen türkischen Bad untergebracht worden war. Der italienische Architekt Pietro Montani hatte darin einen Sitzungssaal einrichten können. Erst 1884 sah sich Ostrumelien finanziell in der Lage, ein spezielles Parlamentsgebäude zu errichten. Es entstand an der Stelle, an der sich einst der türkische Konak befand, der als Zentrale der ostrumelischen Miliz gedient hatte und in der Zwischenzeit einem Feuer zum Opfer gefallen war. Erneut projektierte Pietro Montani, der 1879 eingeladen worden war, den Posten eines Chefarchitekten in Ostrumelien zu bekleiden.“

Die Kuratoren des Regionalen Geschichtsmuseums Plowdiw haben 50 Jahre lang Material über die Vereinigung gesammelt. Heute enthält die Sammlung mehrere Hundert Zeitzeugnisse jener Ereignisse.

„Erwähnen möchte ich speziell unsere Sammlung mit Stempeln, die wir besitzen“
, sagt Museumsdirektor Stefan Schiwatschew nicht ohne Stolz und zeigt uns einige besonders wertvolle Exponate, wie die Stempel der Übergangsregierung von Ostrumelien, die am 6. September die Leitung in Südbulgarien übernahm. „Wir zeigen auch den persönlichen Stempel des bekannten Politikers und Journalisten Sacharij Stojanow“, der als Gründer eines geheimen revolutionären Komitees eine wichtige Rolle bei der Vereinigung Bulgariens gespielt hat. „Einige unserer wertvollsten Exponate stehen mit ihm in Verbindung. Im Jahre 1889 starb er unerwartet im Alter von 39 Jahren als Parlamentspräsident. Von ihm sind nur wenige persönliche Gegenstände erhaltengeblieben.

Eine besondere Aufmerksamkeit gebührt den Fahnen, die die verschiedenen bewaffneten Gruppen während der Vereinigung verwendet haben.

Die Waffen der Teilnehmer ziehen ihrerseits ebenfalls die Aufmerksamkeit auf sich. Die verschiedenen Waffen zeugen davon, dass der Akt der Vereinigung ein Werk aller Bulgaren gewesen ist.“

Es ist also nicht weiter verwunderlich, dass sich unter den Teilnehmern Vertreter der verschiedensten Schichten, ja sogar Geistliche, befanden. Sie haben aufrichtig Gott, aber auch der Sache der Vereinigung gedient.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
Fotos: historymuseumplovdiv.org

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