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Damengambit in der Politik

Foto: BNR
Die Frauen in der Politik sind wie die Dame im Schach – wann immer es kritisch wird, sind sie am Zug. Auf Bulgariens politischem Schachbrett spielt sich ein Damengambit ab. Wer hat die bessere Intuition in der Politik – die Frauen oder die Männer?

Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Die Frauen sind schon längst aus dem Schatten der Männer herausgetreten, und so manch eine Floskel scheint nicht mehr aktuell zu sein, wie etwa, dass hinter jedem erfolgreichen Mann eine starke Frau steht. Nicht wenige Schlüsselposten in Bulgarien sind heute von Frauen besetzt – die Parlamentspräsidentin Zatschewa, die Außenministerin Schelewa, die zugleich auch designierte EU-Kommissarin anstelle einer weiteren erfolgreichen Bulgarin Kunewa, diverse Vorsitzende von Parlamentsausschüssen, die Fraktionschefin der Regierungspartei Fidossowa, die neue Sofioter Oberbürgermeisterin Fandakowa, und nicht zuletzt die frisch gewählte UNESCO-Direktorin Bokowa. Nicht zufällig sagte Ministerpräsident Borissow mehrmals, dass er in Krisenzeiten lieber auf Frauen setzt, weil sie vertrauenswürdiger seien. In unserer patriarchalen Welt wehren sich jedoch die Männer gegen die Fraueninvasion.

"Es kann keine Rede sein von einem Matriarchat in der bulgarischen Politik, weil die Frauen immer noch nicht so stark vertreten sind, wie die Männer", behauptet die Soziologin Mira Radewa. "Die Tatsache, dass ein paar Schlüsselposten von Frauen besetzt sind, bedeutet noch lange nicht, dass sie sich durchgesetzt haben. Das geschieht nur auf Wunsch der Männer. Das jüngste Beispiel ist die Bürgermeisterwahl in Sofia. Die Kandidatur der gewählten Fandakowa wurde von den Männern in der Regierungspartei aufgestellt. Das gleiche gilt für die Parlamentschefin, für die designierte EU-Kommissarin und für die Justizministerin. Die Männer sitzen schlicht und einfach am Ruder. Aber man muss auch betonen", fährt Mira Radewa fort, "dass sich die modernen Frauen immer mehr im Beruf durchsetzen. Das gilt auch für die Politik. In vielen Parlamenten Westeuropas gilt eine Frauenquote von 40 Prozent. Davon sind wir noch lange weit entfernt", behauptet die Soziologin.

Knapp ein Drittel der Ministerposten in der EU ist von Politikerinnen besetzt. Und die Staatspräsidentinnen sind nur zwei – in Finnland und Irland. Genau so sieht es auch mit der Zahl der Regierungschefinnen aus – nur Deutschland und die Ukraine werden von Frauen regiert. Und dennoch kann ein Fortschritt beobachtet werden – ein Drittel der designierten EU-Kommissare sind Frauen. Führen die Frauen eine andere Politik? Die Frage richten wir wieder an die bekannte bulgarische Meinungsforscherin Mira Radewa.

"Das ist schwer zu sagen, denn die Frauen spielen in der Männerwelt nach den Spielregeln der Männer", behauptet die Soziologin. "Wir, Frauen, sind gezwungen, unsere Karriere nach dem Männermodell aufzubauen, was aber oft negativ rüberkommt. Die Politik erfordert oft typische Frauenzüge, wie Ausgeglichenheit, Einfühlsamkeit, Flexibilität und Menschenkenntnis. Die Frauen sind deshalb in der Politik erfolgreich, weil sie sehr schnell die Spielregeln der Männer lernen, ohne sich selbst aufzugeben. Man darf auch nicht vergessen, dass schon lange nicht mehr der Stärkere gewinnt, sondern der Smartere", behauptet Mira Radewa.

Ein starker Charakter und ein Gespür für die Macht sind jene Eigenschaften, die die Frauen seit Kleopatra und Ekaterina der Großen bis hin zu Margaret Thatcher und Angela Merkel an der Macht halten. Erst in 70 Jahren werden sich aber Frauen und Männer im Gehalt ausgleichen, behaupten Wirtschaftsspezialisten. Auf gleicher Höhe in der Politik werden sie aber erst in 200 Jahren sein, fügen die Soziologen hinzu. Zum Damengambit greifen die Männer in Krisensituationen. Wenn sie sich aber wieder in ruhigen Gewässern fühlen, übernehmen wieder die Männer das Ruder.

Übersetzung: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Tanja Harisanowa


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