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Bulgarische Volkskunst: Ritten und Bräuche am Nikolaustag

Foto: Marina Benowa
Am 6. Dezember ist Nikolaustag – einer der größten kirchlichen Feiertage im Winter.
Nikolaus soll in Kleinasien geboren sein. Er war Mönch und später soll er zum Priester geweiht sein. Dem Neuen Testament zufolge hat Nikolaus das Erbe seiner Eltern an armen Menschen verteilt. Als er auf dem Weg nach Jerusalem war, um sich vor der Heiligen Stätte zu verneigen, geschah unterwegs ein Wunder. Im Meer kam Sturm auf und Nikolaus gelang es, das Meer wieder zu beruhigen, nachdem Jesus Christi darum gebeten hatte. So wurde Nikolaus als Wundertäter bekannt. Als er aus Jerusalem zurückkam, wurde er zum Bischof ernannt. Wegen seines Glaubens an Jesus wurde der Wundertäter in einen Kerker eingesperrt und gefoltert. Während der Zeit Konstantins des Großen wurde Nikolaus freigelassen und nahm am ersten ökumenischen Konzil 325 teil. Der Legende nach hat der Heilige mehrmals das Meer bei stürmischem Wetter beruhigen und das Leben gefährdeter Seeleute retten können. Nikolaus starb als sehr alter Mann, und seine sterblichen Überreste wurden in der Basilika in Bari beigesetzt.

In Bulgarien wird der 6. Dezember stets groß gefeiert. Viele Legenden und bulgarische Volkslieder erzählen über den Hl. Nikolaus. Während der türkischen Fremdherrschaft hatte er eine besondere Bedeutung für die Bulgaren. In der Vorstellung des Volkes verbindet man den Hl. Nikolaus mit dem Meer und den Flüssen. Er gilt als Schutzherr der Fischer und Seeleute, als Gebieter über Wasser und Meeresstürme. In verschiedenen Regionen des Landes wird er auch unterschiedlich genannt: Hl. Nikolaus oder Nikolaus, der Wundertäter. An diesem Tag feiern nicht nur diejenigen, die seinen Namen tragen, obwohl der Name in Bulgarien sehr populär ist. Am Nikolaustag feiern auch alle, denen auf Wasser etwas zugestoßen ist. Hören wir nun ein Volkslied, das dem Heiligen und dem Nikolaustag gewidmet ist.

Der 6. Dezember ist auch ein Familienfeiertag. Zu Abendessen wird Fisch zubereitet, und zwar nach speziellem Rezept: es wird Karpfen in Teighülle gebacken, der als Opfergabe gilt. Der Karpfen wird mit Reis, Wallnüssen und Rosinen gefüllt, dann in den Teig eingewickelt und gebacken. Dazu isst man das s.g. Nikolausbrot. Das Fischgericht und das Brot werden geweihräuchert und erst dann verzehrt. Zum Fisch gibt es auch sonstige Gerichte, die für die Fastenzeit typisch sind, wie Bohnensuppe oder mit Reis gefüllte Weinblätter. Früher glaubte man, dass man ausgerechnet Karpfen zubereiten muss, weil nur dieser Fisch das Zeichen Gottes trägt – gemeint ist die kreuzartige Gräte am Kopf. Außerdem soll ein Karpfen dem Heiligen geholfen haben, die Seestürme unter seine Gewalt zu bringen.
Am Nikolaustag wird heutzutage jede Sorte Fisch gegessen. Alten Bräuchen nach darf man jedoch die Gräten nicht wegwerfen - sie müssen entweder verbrannt oder in die Erde vergraben oder in den Fluss oder ins Meer geworfen werden. Der Tradition nach wird an diesem Tag keine Hausarbeit verrichtet. Der Hl. Nikolaus sei nämlich nicht nur Schutzherr der Fischer und des Meeres, sondern auch des rituellen Festessens.

Der Hl. Nikolaus gehört zu den beliebtesten Heiligen in der bulgarischen Volkskunst. In einem Lied wird erzählt, dass die ältesten Heiligen – 5 Brüder, die Welt unter sich verteilt haben, um stets für Ordnung und Gleichgewicht zu sorgen. Nikolaus erhielt die Aufgabe, auf das Meer und die Winde aufzupassen. Außerdem hatte er die Gabe, Fruchtbarkeit auf die Erde zu bringen. Die alten Bauern in Bulgarien haben auch andere Ritten am Nikolaustag, um eine gute Ernte zu prophezeien. Bevor sie das Nikolausbrot an die Familienmitglieder verteilten, hielten sie das Brot hoch über dem Kopf der ältesten Frau im Hause, damit der Weizen so hoch wächst. Der Nikolaustag läutete die langerwarteten Feiertage zu Weihnachten und Neujahr ein. Sie sollten der Höhepunkt der Winterfeiertage werden. Wenn die fünf Brüder zusammen am Tisch sitzen, essen sie frischen Fisch, den Nikolaus mitgebracht hat.
In einem anderen Volkslied, das an der bulgarischen Schwarzmeerküste populär ist, wird erzählt, dass der Hl. Nikolaus beim Festessen Fisch verzehrt und Wein trinkt. Er hat eine große Familie, viele Kinder und Enkelkinder. Nikolaus ist der einzige Heilige, der in der bulgarischen Folklore als einen gewöhnlichen Menschen dargestellt wird. Deshalb ist er den Bulgaren so nah und so beliebt. Sobald ein Reigen getanzt wird, schließt sich Nikolaus an. Er ist bei Familienfesten ein gerngesehener Gast.
Trotzdem sind aber auch viele Lieder bekannt, die über die Wunderkraft des Heiligen erzählen. Darin entdeckt man neben den christlichen Weltvorstellungen und alte Volksglauben. Sollte er inmitten des Meeres einschlafen, schien die Sonne nicht mehr, es wehte kein Wind, es regnete nicht und die Erde blieb trocken. Die Mutter Gottes musste dann den Hl. Nikolaus wecken . Zum Abschluss unserer Sendung über den Nikolaustag in Bulgarien hören wir einen Reigen zum Nikolaustag.

Um die Sendung zu hören, klicken Sie bitte auf den Titel neben dem Audiosymbol.
По публикацията работи: Vessela Vladkova


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