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Die Entvölkerung der bulgarischen Dörfer – eine beunruhigende Tendenz mit unklarem Ausgang

Foto: BGNES
Große Gebiete des Landes werden wegen der Landflucht in den Städten entvölkert. Es gibt schon mehrere Geisterdörfer, die zwar auf der Landkarte verzeichnet sind, aber menschenleer da stehen, warnen Wissenschaftler der Demographischen Abteilung der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften. Ihrer Meinung nach nimmt diese Tendenz beunruhigenden Ausmaß an, was für ein EU-Land unzulässig sei.

Die Statistik zeigt, dass im letzten Jahr die Bevölkerung der bulgarischen Dörfer etwas über 2 Millionen war. Wenn die Migrationswelle zu den Städten anhält und die Funktionen der Dorfgemeinden immer weiter vernachlässigt werden, wenn die Sterberate so hoch und die Geburten so wenig bleiben, kann sein, dass wir im Jahr 2060 keine Landbevölkerung mehr haben werden.

Die Entvölkerung der ländlichen Regionen begann bereits nach der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahr 1946. Die natürlichen Prozesse der Urbanisierung, aber auch die sozialistische Zwangsindustrialisierung und die Kollektivierung der Landwirtschaft verursachten die Migrationsprozesse. Viele Bauer, die enteignet wurden, mussten in den Städten nach einem neuen Lebensunterhalt suchen. Auch nach der Wende in Bulgarien hörten diese Prozesse nicht auf, obwohl das Land ihren Eigentümern zurückgegeben wurde. Der Weg zurück in die Landwirtschaft und zu einem Leben auf dem Land erwies sich als schwierig und sogar unmöglich. Deswegen können leerstehende Äcker in vielen Teilen des Landes gesehen werden. In den Zeitraum 1946 bis 2010 sind die bulgarischen Dörfer um 15 Prozent geschrumpft. Vor dem Krieg gab es in Bulgarien viele Dörfer mit mehr als 7000 Einwohner, was heute nur selten vorkommt.

Momentan beträgt die Zahl der Stadtbevölkerung 28 Prozent. Mit der Landflucht fiel auch die soziale Infrastruktur auseinander – Schulen und Krankenhäuser wurden geschlossen, Buslinien wurden gestrichen, die Straßen befinden sich in einem desolaten Zustand. Das hat zusätzlich das demographische Potential der Dörfer zerstört, meinen die Wissenschaftler. Dazu kommt auch die Migrationswelle nach Europa. Am schlimmsten ist die Lage im Nordwesten des Landes sowie im Südosten in den Grenzregionen. Die Zahl der Geisterdörfer wächst dort täglich, sagt Nikolaj Tzekow von der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften.

"Offiziell gibt es an der Westgrenze etwa 200 Geisterdörfer, aber die Zahl derjenigen, die 15 bis 20 Einwohner haben, kann um die 500 sein. Das sind Dörfer, die dabei sind, zu verschwinden, dort gibt es nur Todesanzeigen und verlassene Häuser. Und ihre Zahl wächst. Sie sind offiziell auf der Landkarte verzeichnet, sind aber menschenleer".

Die Arbeitslosigkeit, die als Folge der reduzierten wirtschaftlichen Aktivität in den ländlichen Regionen auftrat, hat auch dazu geführt, dass die jungen Menschen ausgewandert sind. Nun gibt es dort fast nur Rentner. Einige Dörfer besonders im Nordwesten Bulgariens werden makaber "Museen der Entvölkerung" genannt. Nach Meinung der Experten ist diese Region europaweit am schlimmsten von der Landflucht betroffen. Nur in den größeren Dörfern ist die Lage etwas besser. Ob das Geld aus dem EU-Programm für die Förderung der ländlichen Regionen helfen wird? Auch wenn das der Fall ist, wird es lange Zeit dauern, bis sich die Wirtschaft dort erholt hat und die jungen Menschen zurückkehren. Laut Nikolaj Tzekow von der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften, braucht man auch eine gezielte staatliche Politik dafür.

"Eine Politik, die das Potential der einzelnen Dörfern erfasst, um eine Prognose für ihre künftige Entwicklung zu erstellen. So kann man zum Beispiel die Regionen eruieren, in denen Biolandwirtschaft betrieben werden kann oder Landtourismus entwickelt wird. Man kann auch nichtlandwirtschaftliche Wirtschaftszweige fördern, so wie es in der Strategie der Union für die Entwicklung der Dörfer steht".

Die Entvölkerung der Dörfer bringt einige unerwartete Probleme mit sich – man kann die Mittel aus dem EU-Programm für die Förderung der ländlichen Regionen nicht nutzen. Einige Gemeinden sind so arm, dass sie die nötige Mitfinanzierung der Projekte nicht übernehmen können. Das sind aber genau diejenige, die am meisten die Fördermittel brauchen, um die Straßen- und Wasserversorgungsinfrastruktur zu verbessern. In dieser Hinsicht hört sich der Wunsch einiger Familien nach einer ökologischen Lebensart auf dem Land eher optimistisch an.

Übersetzung: Milkana Dehler
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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