Verzweiflung, Wut, Kummer - mit diesen Worten kann man die Gefühle umschreiben, die die Opfer des Hochwassers in der nordwestbulgarischen Stadt Bjala Slatina überwältigt haben. Am Freitag hat eine wie aus dem Nichts herbeirasende Flutwelle binnen weniger Minuten die Straßen, Häuser und Geschäfte der Stadt überschwemmt. Der Strom fiel aus, der nahe Fluß Skat, der unter normalen Umständen einem ruhigen Bach gleicht, stellte schreckliche Verwüstungen an.
In der Nacht zum Freitag gab es Niederschläge von 86 Liter Regen pro Quadratmeter– doppelt so viel wie normalerweise im Monat Juli. Keiner hätte aber mit solchen Folgen gerechnet. Die Flutwelle hat die Stadt überrumpelt. Ortsweise erreichte der Wasserpegel 1,80 Meter. Der Busbahnhof, die Straßen, die Brücke, die unteren Etagen der Häuser, alles wurde überflutet, Hausrat und Autos trieben Spielzeugen gleich inmitten der reißenden Ströme. Jeder versuchte, zu retten, was er konnte. Einige konnten aus den Fenstern ihrer Autos klettern und sich in Sicherheit bringen, andere schafften es auf die Dächer ihrer Häuser und warteten auf Rettung, wieder andere wurden vom Wasser mitgerissen und konnten ihm nur mit Mühe und Not entrinnen.
„Die Welle hat mich rücklings getroffen, als ich gerade dabei war, Waren zu entladen und hat mich zwei Meter weggeschwemmt, ehe ich wieder Boden fassen konnte“, erzählt eine örtliche Kaufhausverkäuferin. Bis Tagesende konnten 250 Menschen unter dem Einsatz von Baggern, Booten und Spezialfahrzeugen erfolgreich evakuiert werden. Ihre Häuser, mitsamt ihrem Hab und Gut, blieben jedoch unter Wasser, genau wie die Zufahrtswege zur Stadt, so dass Bjala Slatina, wie viele andere Ortschaften in Nordwestbulgarien auch, von der Außenwelt abgeschnitten wurde. Um die Mittagszeit am nächsten Tag war der Wasserpegel immer noch gleichbleibend hoch, die Bilder glichen einem Hollywood-Thriller. In der Stadt begannen Gerüchte zu kursieren, dass eine zweite Flutwelle naht.
„In den Hochwassergebieten sind bereits Banden unterwegs, die die Häuser ausrauben. Wer wird mein Eigentum retten“, weinte eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Arm, die verzweifelt versuchte, die Polizistenreihe zu durchbrechen, um zu ihrem Haus zu gelangen. „Wir müssen momentan Menscheleben retten, das Eigentum muss warten“, lautete die nüchterne Antwort eines Ordnungshüters. Die Menschen konnten ihre Wut kaum zügeln und warfen den örtlichen Behörden Tatenlosigkeit und Inkompetenz vor.
Keiner konnte sich erklären, woher die Wassermassen kamen. „Es ist eine Schande, die Stauseen werden einfach ohne Vorwarnung geöffnet“, empörten sich einige. Andere taten ihr Bestes, um den Menschen in Not zu Hilfe zu eilen. Manche versuchten mit Seilen, ihre Autos aus den Wasserfluten zu retten. Die Inhaber von Baggern und Jeeps schlossen sich den Rettungsaktionen an. Während die Rettungsteams mit Booten durch die Straßen schwammen, mussten viele fast 24 Stunden ausharren, um in Sicherheit gebracht zu werden. Bjala Slatina war auch gestern immer noch vom Rest der Welt abgeschnitten. „Was sollen die Menschen in Misia sagen, nur 30 Kilometer weiter. Dort wurde ein Drittel der Stadt vom Wasser vernichtet. Die armen Leute“, jammerte die Inhaberin eines der beschädigten Motels.
Heute kann die Stadt endlich wieder erreicht werden, das Wasser fließt langsam von den Straßen und Häusern ab. Die Trinkwasser- und Stromversorgung der Stadt funktioniert wieder und langsam kehrt auch die Hoffnung der Menschen zurück, dass es nie wieder zu einem derartigen Desaster in der EU-weit ärmsten Region kommt. Nun rechnen die Betroffen mit der Solidarität und Hilfe der Behörden und der europäischen Institutionen. Nur so können sie dieser schrecklichen Falle entrinnen. Die Meteorologen wiederum warnen vor neuen Regenfällen binnen der nächsten Tagen.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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