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2000: Newena Kokanowa - die besondere Filmschauspielerin

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Foto: BTA

Die Rolle der Irina im Film „Tabak“, Schana in „Der Inspektor und die Nacht“, Lisa in „Der Pfirsichdieb“, Anna in „Karambol“, Tinka in „Der Junge geht“ – sie hat in über 50 bulgarischen Spielfilmen mitgewirkt, ihre große Liebe galt jedoch, wie sie stets betonte, dem Theater. Kino und Theater haben aber etwas gemein: die wirklich bedeutenden Schauspieler sind jene, die natürlich wirken, mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen und denen das Rampenlicht nicht den Kopf verdreht hat. Newena Kokanowa war eine davon.


„Nur auf eine der mir ständig gestellten Fragen zu meinem Beruf, habe ich keine genaue Antwort geben können – nämlich nach der Rolle, die ich am liebsten spielen würde“, sagte uns in einem ihrer Rundfunkinterviews die Schauspielerin. „Ich bin der Frage immer ausgewichen und habe eher die Rollen beschrieben – ich spiele gern komplizierte, moderne und konfliktreiche Frauen. Wenn ich versucht habe, mir selbst diese Frage zu beantworten, war ich immer wieder überrascht, wie vielfältig der Begriff „Frau“ ist. Diesen analysierend stieß ich immer auf das weibliche Prinzip - den Urbeginn des menschlichen Geschlechts und all die anderen Dinge, die mit den Menschen betreffen. Die Frau – vergöttert, geschichtsträchtig, auf den Straßen von heute schreitend, sie ist ewiglich. Jene Frau, die ewige, würde ich darstellen wollen. Falls meine schauspielerischen Fähigkeiten ausreichen sollten, jene Tiefe der Welt der Frau widerzugeben, dann wäre ich stolz darauf, eine Frau zu sein.“

Man kann nur schwerlich eine andere bulgarische Filmschauspielerin entdecken, die derart perfekt die absolute Weiblichkeit versinnbildlicht. Newena Kokanowa war nicht nur schön und fotogen, sondern besaß auch die Ausstrahlung eines Heiligenbildes mit einem weichen Ausdruck, Würde und innerem Schamgefühl. Nachdem ein schwedischer Journalist auf dem Filmwettbewerb in Cannes den bulgarischen Streifen „Tabak“ sah, sagte er spontan: „Sie müssen zugeben, die Hauptheldin ist schöner als Sophia Loren!“

Newena Kokanowa wurde am 12. Dezember 1938 in der südwestbulgarischen Stadt Dupnitza geboren. Ihr Vater war Offizier des bulgarischen Königreichs und diente in einem Corps, das in Mazedonien im Einsatz war. Nach dem Machtantritt der Kommunisten 1944 wurde er schuldlos in ein Lager gesteckt. Ihre Mutter Eleonora stammte vom österreichischen Adelsgeschlecht derer von Heldenberg ab. Newena wurde auf ein Handelsgymnasium geschickt, wo sie zum ersten Mal in einem Film mitwirken konnte – vorerst nur als Statistin. Später bewarb sie sich um ein Studium an der Schauspielakademie in Sofia, wurde jedoch von der Aufnahmekommission abgelehnt. Entgegen dieser Fehlentscheidung gefiel sie dem Direktor des Schauspieltheaters der Stadt Jambol, Janaki Stojanow, so sehr, dass er sie engagierte – sie war damals gerade 17 Jahre alt geworden. Ihre erste Rolle war die der Julia in dem berühmten Shakespeare-Drama. Anstatt in der Akademie zu lernen, lernte sie von ihren Kollegen und von der Arbeit. Über die Arbeit mit ihr sagte der Regisseur Wăljo Radew:

„Newena war eine Schauspielerin, die es hervorragend vermochte, das Gefühl widerzuspiegeln, das man ihr zeigte. Sie brauchte nur eine Stimme zu hören und wusste genau, was man in diesem Augenblick fühlt und schon war sie in der Lage, dieses Gefühl vor der Kamera zu zeigen. Sie gab es jedoch auf ihre Weise wider, gebrochen durch das Prisma ihres Seelenfriedens und natürlich im Einklang mit dem Text, den sie sagen musste.“

Über das persönliche Leben von Newena Kokanowa wissen die meisten Menschen sehr wenig, weil sie sich immer gegen die Herausgabe einer Autobiographie wehrte. Ihren Mann, den Regisseur Ljubomir Scharlandschiew, lernte sie an einem Drehort kennen. Er rückte sie in das Zentrum seines Lebens und Schaffens. Auch wählte er ihre Rollen äußerst sorgsam aus. Schnell stellte sich die erste hohe Auszeichnung ein: 1976 die „Goldene Kamera“ des Verband der bulgarischen Filmkünstler. Es folgten verschiedene Preise auf dem Filmfestival in Warna, 1995 der Verbandspreis der bulgarischen Filmschauspieler, den sie für ihr Gesamtschaffen erhielt und schließlich 1999 der Orden „Stara Planina“ erster Stufe.

Newena Kokanowa war auch die erste bulgarische Schauspielerin, für die speziell Rollen geschrieben wurden, darunter von bedeutenden Schriftstellern und Drehbuchautoren, wie Blaga Dimitrowa und Konstantin Pawlow. In „Erinnerungen an die Zwillingsschwester“ nannte Pawlow seine Hauptheldin mit dem gleichen Namen – Newena. Das Schicksal wollte es aber und die Krankheit, an der die Filmheldin stirbt, bereitete auch der Schauspielerin ein Ende. Newena Kokanowa verstarb im Jahre 2000 im Alter von 61 Jahren an Krebs.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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