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Referendum in den Zeiten der Wahlen

Christina Ugrinowa studiert derzeit Publizistik und Kommunikationen an der Wiener Universität. Für den Blog „Melange Bulgaren“ in Österreich schrieb sie einen Kommentar, den wir mit unwesentlichen Kürzungen bringen, weil wir glauben, dass das Referendum, das heute parallel zu den Kommunalwahlen stattfindet, mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger ist.

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Foto: BGNES


Bulgariens Präsident Rossen Plewneliew hat zu mehr Informiertheit aufgefordert. Den Bürgern sollte bewusst werden, dass sie am Sonntag nicht nur Bürgermeister wählen, sondern auch aufgefordert sind, sich am Referendum zu beteiligen. Für Bulgarien ist es etwas Besonderes – so oft finden Volksbefragungen nicht statt. Und auch über das Gewicht der Volksbefragungen sind wir nicht gerade gut informiert. Wir wissen lediglich, dass die Schweiz als Mekka des Referendums gilt. Mehr aber auch nicht. Als vor zwei Jahren die bulgarischen Wahlberechtigten in einem Referendum gefragt wurden, ob die Atomkraft in Bulgarien weiter entwickelt werden soll, war fast im Voraus klar, dass diese Volksbefragung zum Scheitern verurteilt war. Nur wenige konnten sich eine Meinung zu diesem komplizierten Thema bilden und dann begründet abstimmen. Dabei denke ich an die älteren Menschen, wie etwa Oma Slawka aus dem kleinen Balkandorf Rosowetz. Sie hat einen Schwarzweißfernseher, die Toilette ist draußen im Garten, ihre mickrige Rente reicht vorn und hinten nicht aus, die Familie ist längst in die Großstadt gezogen und sie träumt immer noch vom Sozialismus, als alles so sicher und einfach war. Ob sie von Atomkraft eine Ahnung hat? Wohl kaum. Nun sind wir aufgefordert, abzustimmen, ob man künftig auch online abstimmen darf. Was Oma Slawka wohl darüber denkt?

In Westeuropa, etwa in Deutschland oder Österreich, verfolgt man eifrig das Ziel, bis 2020 die Verwaltung komplett zu digitalisieren, um so das Leben der Bürger einfacher zu machen und ihnen mühsame Behördengänge zu ersparen. Die Online-Wahl ist nur ein kleiner Schritt dahin. Es fällt auf, dass die jungen Menschen in Bulgarien keinerlei Interesse an Politik zeigen. Und auch die Politik informiert die jungen Menschen nicht, was sie macht. Dabei sollte die Online-Wahl verstärkt junge Menschen ansprechen, ohne sich aber dabei in die Details zu verlieren. Vielmehr geht es darum, den Schritt in die Zukunft zu wagen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, könnte das Referendum erfolgreich sein. Es geht um den Aufbruch in die digitalisierte Welt und um einen Durchbruch in den vermieften Verwaltungsstrukturen, wo heute noch die Regel gilt: „Ich kenne da jemanden…“. Die kleinen Beamten haben in Bulgarien immer noch eine unermessliche Macht über den kleinen Belangen der kleinen Menschen. Nur der digitale Durchbruch in den Verwaltungsämtern wird diesen Missständen Einhalt gebieten. Auch das kann man als Korruptionsbekämpfung verkaufen. Zuvor muss man sich aber die Mühe machen und am Sonntag wählen gehen. Mit Apathie zu reagieren, wären wir schlecht beraten.

Redaktion: Vessela Vladkova



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