Nach dem verheerenden Erdbeben vom 25. November in Albanien schaut Europa mit Sorge und Anteilnahme auf die Situation in Albanien. Wie viele andere Länder hat auch Bulgarien humanitäre Hilfe entsandt. 100.000 Euro stellte die bulgarische Regierung zusätzlich zur Verfügung. In der diplomatischen Mission Bulgariens in Tirana wurde ein Krisenzentrum eingerichtet.
In Albanien lebt eine große bulgarische Minderheit. Am 12. Oktober 2017 wurde eine Novelle zum Gesetz über den Schutz der nationalen Minderheiten verabschiedet, mit der die Rechte der ethnischen Bulgaren in den Regionen um Prespa, Golloborda und Gora offiziell anerkannt wurden. Im Unterschied zu den anderen Minderheiten, die kompakt auf einem Territorium leben, sind die Bulgaren in kleinen Dörfern zerstreut, die nicht miteinander verbunden sind. Golloborda, Gora und Prespa gehören zudem zu den ärmsten albanischen Regionen.
Lirim Haxhiu aus Shishtavec, dem größten goranischen Dorf, ist ein junger Mann, der von Bulgarien träumt. Er möchte in Bulgarien seine Bildung fortsetzen und sich später dort niederlassen. Der Grund ist die Armut, die fehlenden Arbeit und Perspektiven.
„Wir sprechen eine archaische bulgarische Sprache, die wir von unseren Müttern und Großeltern gelernt haben“, erklärt Lirim Haxhiu. „In der Schule lernen wir nur Albanisch. Bulgarien entsendet keine Lehrer. Wir sind ein großes Dorf und trotzdem haben wir keinen Bulgarisch-Lehrer. Viele junge Albaner ziehen nach ihrer Schulausbildung nach Bulgarien, um dort zu studieren. Auch ich will dorthin. Alle Kinder, die hier sind, das ganze Dorf will nach Bulgarien. In Shishtavec sind 160 Häuser mit 300-400 Personen übrig geblieben. Alle anderen sind weggezogen. Es gibt keine Arbeit. Unser einziger Broterwerb ist die Viehzucht. Doch was willst du nur mit Kühen, Schafen und anderen Tieren anfangen? Wenn Bulgarien mich aufnimmt, kann ich alles machen. Ich werde auf die Universität gehen. Ich möchte mich mit Wintersportarten beschäftigen. Das hat in unserer Familie Tradition“, sagt Lirim stolz.
Die Mehrzahl der Einwohner von Shishtavec sind Moslems. Die bulgarische Gemeinschaft in Albanien ist religiös vielfältig. In Prespa leben orthodoxe Christen, die Gemeinschaft in Golloborda ist gemischt, in der Region um Gora überwiegt hingegen die moslemische Bevölkerung.
Das Dorf Vrabnik gehört zur Gemeinde Devoll, Region Korca. Dort gibt es eine bulgarische Sonntagsschule. Atina Prevenda ist Lehrerein und leitet auch das Tanzensemble für bulgarische Volkstänze. Von ihr erfahren wir wie die bulgarische Folklore und das bulgarische Selbstbewusstsein erhalten werden.
„Die Kinder kommen zur Sonntagsschule, um Bulgarisch zu lernen. Diese Möglichkeit gibt es seit einigen Jahren. Ansonsten sprechen wir unsere Muttersprache Bulgarisch zu Hause“, sagt Atina Prevenda und bestätigt, dass sich die Jugendlichen für alles interessieren. „Sie tanzen gern, lesen auf Bulgarisch. Natürlich haben sie noch Schwierigkeiten, doch sie bemühen sich sehr. Die Schulbücher und Schulutensilien werden vom bulgarischen Staat zur Verfügung gestellt.“
Sehr bald wird die bulgarische Gemeinschaft auch einen Rundfunksender haben, der in Bulgarisch ausstrahlt. Momentan werden die erforderlichen Unterlagen vorbereit, informiert uns Haxhi Pirushi, der auch bulgarische Wurzeln hat. Pirushi ist der Vorsitzende der vor 20 Jahren gegründeten Kulturorganisation der Bulgaren „Prosperität Golloborda“. Das Gespräch mit ihm findet vor der orthodoxen Kirche in Tirana statt.
„Wir sprechen Bulgarisch, singen Bulgarisch. Uns ist alles Bulgarische lieb“, sagt Haxhi Pirushi, der sich freut, dass in seinem Heimatdorf Steblevo demnächst die orthodoxe Kirche „Heiliger Nikolaus“ eingeweiht werden wird.
„Wir haben sie auf den Fundamenten einer älteren Kirche gebaut. Das ist die erste Investition von Bulgarien für unsere Region. Dass die Bulgaren als offizielle Minderheit anerkannt wurden, ist etwas sehr Gutes, denn früher war es nicht leicht, sich als Bulgaren zu bekennen. Seit einigen Jahren haben wir auch eine bulgarische Sonntagsschule, doch das reicht nicht. Es wäre gut, wenn wir bulgarische Medien hätten, Rundfunk, Fernsehen. Mit Radio Bulgarien, das ich sehr mag, unterhalten wir schon lange Kontakte. Die täglichen Informationen über Bulgarien sind sehr nützlich. Auch die Internetseite lese ich fast jeden Tag. Es ist sehr gut, dass man dort die Nachrichten oder andere Beiträge auf Bulgarisch, aber auch auf Albanisch lesen oder Reportagen hören kann“, so Haxhi Pirushi.
Übersetzung: Georgetta Janewa
Fotos und Video: Krassimir Martinow
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