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Erneut Spannung in bulgarisch-russischen Gasbeziehungen

Letzte Woche warf der russische Präsident Putin Bulgarien vor, die Verlängerung von „Turk Stream“ auf seinem Territorium unter externem Druck absichtlich zu verzögern.
Foto: EPA/BGNES

Die bulgarisch-russischen Projekte stehen seit langem unter keinem glücklichen Stern. Nun steht auch das letzte davon, die „Turk-Stream-Pipeline“, vor einem möglichen Fiasko. Dabei sollte sie im nächsten Jahr in Betrieb genommen werden.

2014 ist das Megaprojekt „South-Stream-Pipeline“ ins Wasser gefallen, über die ca. 64 Kubikmeter russisches Erdgas pro Jahr über das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort in Richtung Mittel- und Westeuropa gepumpt werden sollten. Dabei lief alles zwischen Moskau und Sofia nach Plan, bis sich Brüssel und Washington eingemischt und das Projekt vereitelt haben.

Derzeit eskalieren die bulgarisch-russischen Beziehungen wegen dem Bau des Turk-Stream-Pipelineabschnitts, der von der Türkei über Bulgarien in Richtung Zentraleuropa führen soll. Auch hier schien alles bislang in Ordnung, die Bauarbeiten der Teilabschnitte in Bulgarien und Serbien kamen zügig voran. Letzte Woche allerdings warf der russische Präsident Wladimir Putin Bulgarien vor, die Verlängerung von „Turk Stream“ auf seinem Territorium unter externem Druck absichtlich zu verzögern, während die Serben mit ihrem Teilabschnitt bereits fast fertig sind. Premier Bojko Borissow hat höchstpersönlich die Sabotage-Beschuldigungen zurückgewiesen und angeführt, dass täglich 4 bis 5 km der Pipeline fertiggestellt werden. Es käme zu einer Verzögerung, weil Bulgarien die Forderungen und Richtlinien der EU einhält.

Russischen Medien zufolge bedeutet Putins Ultimatum für Bulgarien, dass man sich nach anderen Möglichkeiten umsehen könnte, sollte es den Bau der Pipeline mit einer Kapazität von 15,8 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich erschweren, so dass sie nicht über bulgarisches Territorium verläuft. „Falls die Bulgaren es nicht wollen oder besser gesagt nicht die Bulgaren, sondern die bulgarische Regierung, dann werden wir andere Wege finden, um unsere Möglichkeiten in Südeuropa zu realisieren“, betonte der russische Staatschef während einer gemeinsamen Presskonferenz in Sotschi nach einer Unterredung mit seinem serbischen Amtskollegen Aleksandar Vucic. „Jeder hat das Recht, nach alternativen Trassen zu suchen, wir suchen nach einer alternativen Diversifizierung“, erwiderte Premier Bojko Borissow und bestellte dringend den russischen Botschafter in Bulgarien Anatolij Makarow zu sich, um den Kasus mit den Beschuldigungen zu klären. Nach ihrer Zusammenkunft wurde verkündet, es bestünden keine Hindernisse „für eine künftige Entwicklung der bilateralen Beziehungen in einem pragmatischen und wohlmeinenden Geist“. Etwas konkreter fiel das Statement von Bulgariens Energieministerin Temenuschka Petkowa nach den russischen Vorwürfen und Drohungen aus. Sie erklärte, dass sich der Bau der „Turk Stream“ über Bulgarien nach Plan entwickelt, erläuterte jedoch, dass die Umsetzung der europäischen Gas-Richtlinien, die Durchführung von öffentlichen Aufträgen zur Wahl eines Auftragnehmers und deren Anfechtungen mehr Zeit beanspruchen. Ob Zufall oder nicht, aber am darauffolgenden Tag nach Putins Ultimatum hat Moskau einen hochrangigen bulgarischen Diplomaten aus Russland ausgewiesen und ihn zur Persona non grata erklärt. Worten von Außenministerin Ekaterina Sachariewa zufolge habe dies aber nichts mit Putins Vorwürfen zu tun.

Bulgarien hat bislang wirklich sehr viel darauf gesetzt, ein Transitland für die „Turk Stream“ zu sein. Das Projekt im Wert von 1,102 Milliarden Euro sollte in 615 Tagen abgeschlossen werden. Binnen dieser Zeit sollte das saudi-arabische Konsortium „Arkad“ die Rohre von der bulgarisch-türkischen Grenze bis zur bulgarisch-serbischen Grenze verlegt haben. Bulgarien hatte sich ausgerechnet, die Investitionen in die „Turk Stream“ durch die Transitgebühren wieder wett machen zu können. In diesem Zusammenhang machte Energieministerin Petkowa eine recht nebulöse Äußerung über einen „indikativen Gewinn in den kommenden 20 Jahren von über 4,358 Milliarden Lewa (ca. 2,2 Milliarden Euro)“.

Worten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zufolge soll die „Turk Stream“ am 8. Januar 2020 offiziell eingeweiht werden. Es liegt auf der Hand, dass Bulgarien bis zu diesem Datum die Bauarbeiten in seinem Pipeline-Abschnitt nicht zu Ende bringen kann. Noch unwahrscheinlicher wäre es, eine alternative Pipeline-Trasse zu finden, die Bulgarien umgeht. In einer früheren Projektphase zählte Griechenland zu den Kandidaten, ist jedoch wegen der günstigeren Offerte Sofias schließlich weggefallen.

Die Experten in Bulgarien behaupten, dass unser Land keinen Grund und kein Motiv hat, den Bau der „Turk Stream“ absichtlich zu verzögern. Es sei denn, geopolitische Erwägungen gegen das Projekt haben Oberhand gewonnen. Vor wenigen Tagen hat sich der bulgarischen Ministerpräsident Bojko Borissow mit US-Präsident Donald Trump getroffen und etwas später sagte die US-Botschafterin in Sofia Herro Mustafa, die „Turk Stream“ werde nicht den erhofften Nutzen bringen und die Fortsetzung der „Turk Stream“ über Bulgarien habe zum Ziel, Bulgarien lediglich als Transitland zu benutzen.

Übersetzung: Rossiza Radulowa



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