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Georgskirche in Kjustendil – schlichte Schönheit aus längst vergangenen Zeiten

Die Kirche „Heiliger Georg der Siegreiche“ befindet sich im Viertel „Koluscha“ der südwestbulgarischen Stadt Kjustendil am Fuße des Osogowo-Gebirges. Das Gotteshaus wurde zu einem Denkmal des Kunst- und Kulturerbes von nationaler Bedeutung erklärt. Jahrzehnte haben Historiker und Restauratoren an ihr gearbeitet, doch die Geschichte der Kirche gibt nach wie vor Rätsel auf. Es handelt sich um den ältesten mittelalterlichen Kirchenbau in der Region. Ein Besuch lohnt sich. Selbst die lebhafteste Schilderung kann in keiner Weise die geheimnisvolle Schönheit wiedergeben, die die Baumeister von einst geschaffen haben.

Es liegen keinerlei historische Angaben darüber vor, wann genau die Kirche gebaut worden ist. Auch wurde bei den Forschungsarbeiten keine einzige Stifterinschrift entdeckt werden. Über die altehrwürdige Vergangenheit des Bauwerks künden die Fresken im Inneren, die aus verschiedenen Jahrhunderten stammen. Die wertvollsten Malereien werden in das 11. bis 12. Jahrhundert datiert. Sie sind einzigartig nicht nur für die Kunst Bulgariens, sondern der ganzen Balkanhalbinsel. Das versicherte uns Dr. Jawor Mitow vom Geschichtsmuseum der Stadt Kjustendil. Er erzählte uns mehr über die Quellen, aus denen die Wissenschaftler Hinweise über das mittelalterliche Kleinod schöpfen:

„Alle diese Quellen wurden von Kunstwissenschaftlern und Historikern eingehend erforscht und deren Schlussfolgerungen sind veröffentlicht worden. Geht man von den architektonischen Besonderheiten des Kirchenbauwerks aus, ist es Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts errichtet worden. In dieser Epoche befanden sich die Stadt Kjustendil, wie auch Koluscha, das zu jener Zeit eine selbständige Ortschaft war, unter byzantinischer Herrschaft. Es liegt der Gedanke nahe, dass der damalige Stadtverwalter den Kirchenbau gestiftet hat, doch beweisen kann man das heute nicht. In der Schenkungsurkunde des bulgarischen Zaren Konstantin Assen aus dem 13. Jahrhundert für das Georgskloster bei Skopje wird zum ersten Mal das Metochi „Hl. Nikolaus“ in Koluscha bei Welbuschd, wie im Mittelalter die Stadt Kjustendil genannt wurde, erwähnt. Laut Prof. Liljana Mawrodinowa, die zu den besten Kunsthistorikern und Geschichtswissenschaftlern unseres Landes gehörte, war die Kirche zu Beginn dem heiligen Nikolaus geweiht; erst in späterer Zeit erhielt das Gotteshaus einen anderen Kirchenpatron.

Die Künstler, die das Innere erstmals vollständig mit Fresken geschmückt haben, waren tatsächlich hervorragend. Es wird vermutet, dass sie aus Thessaloniki oder Ohrid stammten. Bei der Ausmalung wurden ausgesprochen teure Pigmente verwendet, die sogar mit Gold verrieben worden sind. Die Stifter waren offensichtlich sehr vermögend. Was die Architektur anbelangt, erinnert sie stark an die Werke Konstantinopler Baumeister. Es ist erstaunlich, dass in einem solch abgelegenen Ort eine derart prachtvolle Kirche errichtet worden ist, für die Meister aus den damaligen Kunst-Zentren des Reiches engagiert werden konnten.“

Auch die späteren Malschichten sind wertvoll, weil sie die Entwicklung in der Kirchenmalerei verdeutlichen. Die Forscher stießen auf Teile von Fresken, die noch vor dem 11. Jahrhundert entstanden sind, doch über sie können keine sicheren Aussagen getroffen werden, da von ihnen lediglich einige wenige Bruchstücke erhalten sind. Aus späteren Jahrhunderten ist das Bildnis des heiligen Johannes des Vorläufers recht gut erhalten, das in das 15. Jahrhundert datiert wird. Von der Übermalung der Fresken im 16. Jahrhundert sind bis heute erneut ein Bildnis des heiligen Johannes (diesmal in seiner Funktion als Täufer) und des heiligen Sava von Serbien zu sehen.

Die letzte Ausmalung der Kirche fand unmittelbar nach der Neugründung Bulgariens in den Jahren 1878 bis 1882 statt.

Die Kirche selbst hat bescheidene Ausmaße. Sie ist 8,70 Meter breit und etwa 10 Meter lang. Von der Architektur her handelt es sich um eine Kreuzkuppelkirche, wobei sich die Kuppel über einem gleicharmigen Kreuz erhebt. In Bulgarien sind nur wenige gleichaltrige Kirchenbauten dieser Art erhalten. Dr. Jawor Mitow präzisiert:

„Das Kirchenbauwerk kann nur mit einigen wenigen anderen Kirchen Bulgariens verglichen werden, die aus der gleichen Zeit stammen und in etwa die gleiche Architektur aufweisen. Das sind die Kirchen des Zemen-Klosters, des Dorfes Patalenitza und der jüngst restaurierten Kirche in der Stadt Rila mit ihren hervorragenden Wandmalereien vom Ende des 12. Jahrhunderts. In der Fachwelt werden häufig die Fresken unserer Georgskirche mit denen der Kirche von Bojana verglichen, die beide aus der gleichen Zeit stammen. Diese zwei Kirchen weisen jedoch Unterschiede in ihrer Bauweise auf. Die Kirche in Koluscha ist vollständig ein Ziegelbau, während die anderen aus Bruchsteinen bzw. in Mischmauerwerk (Bruchstein mit Ziegeldurchschuss) errichtet wurden. Ein reiner Ziegelbau war zu jener Zeit teurer, was ein weiterer Beweis dafür ist, dass der Stifter eine einflussreiche Persönlichkeit gewesen sein muss – vielleicht ein Verwandter des byzantinischen Herrscherhauses oder ein Vertreter der örtlichen Aristokratie.“

Einige Geschichtsquellen lassen die Schlussfolgerung zu, dass in dieser Kirche der bulgarische Zar Michail III. Schischman (1323-1330) beigesetzt worden ist, der bei der Schlacht von Welbuschd am 28. Juli 1330 ums Leben gekommen ist, doch die bisher durchgeführten archäologischen Ausgrabungsarbeiten konnten keinen entsprechenden Beweis erbringen.

Eine „greifbare“ Sehenswürdigkeit ist hingegen das Gebäude der einstigen Schule aus der Zeit der bulgarischen Wiedergeburt. Sie befindet sich im Kirchenhof, wurde aber in ein Museum umfunktioniert.

„Die Ausstellung, die im einstigen Schulgebäude untergebracht ist, beeindruckt mit den Wandmalereien aus den verschiedenen Epochen, die im Zuge der Restaurierungsarbeiten im Inneren der Kirche abgenommen werden mussten. Im Saal des oberen Stockwerks werden Exponate gezeigt, die mit der Kirchengeschichte und Kultur im Zusammenhang stehen. Das Interesse an der Kirche in Koluscha ist in den letzten Jahren immens gestiegen. Es kommen sehr viele Besucher aus anderen europäischen Ländern – hauptsächlich Historiker und kunstinteressierte Gäste der Stadt Kjustendil.“

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

Fotos: Albena Besowska



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