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Die ersten 7 Tage der Übergangsregierung in Bulgarien

Foto: BGNES

Das Ruder der Staatsführung wurde in Bulgarien vor einer Woche von einer Übergangsregierung übernommen, die von Präsident Rumen Radew ernannt wurde. Die Minister der Übergangsregierung haben zu verstehen gegeben, dass sie trotz ihrer kurzen Amtszeit und ihrer Hauptaufgabe, vorgezogene Parlamentswahlen im Land zu organisieren, eine Art Revision der Arbeit des bisherigen Kabinetts „Borissow 3“ vornehmen werden. Inzwischen sind Informationen über Korruption und Missbrauch von Staatsgeldern ans Licht gekommen. In den oberen Machtetagen wurden bereits Kaderrochaden vorgekommen. Im Innenministerium, im Finanzamt und in der Zollbehörde wurden wichtige Figuren ausgetauscht.

Das, was die Übergangsregierung tut, wird den Leuten gefallen“ ist der der Soziologe Parwan Simeonow überzeugt.


„Die meisten Menschen im Land wünschen sich eine Form der Revision herbei und diese passiert bereits. Zugleich spiegelt dieses Kabinett die soziale Struktur wider. In Bulgarien überwiegen die Kräfte, die gegen die Regierung von GERB sind. Das Besondere aber ist, dass sie dreigeteilt sind: Anhänger der BSP, der prowestlichen Liberalen in der Gestalt von „Demokratisches Bulgarien“ und solche, die meinen: „Ihr sollt alle weg!“ - das sind die Anhänger von Slawi Trifonow. Präsident Rumen Radew versucht, die Sprache aller drei Gruppen zu sprechen, was während der Proteste im Sommer 2020 und auch in der jetzigen Übergangsregierung zum Ausdruck kommt. Oder, wie der Präsident es selbst gesagt hat: Das ist ein Kabinett aus Links-, Rechtsorientierten und Zentristen. In diesem Sinne spiegelt die Übergangsregierung die Erwartungen der Bulgaren wider“, betonte Parwan Simeonow.

Diese Übergangsregierung unterscheidet sich von den bisherigen. Es ist eine Ausnahmeregierung, genau wie wir uns im Ausnahmezustand befinden“, kommentierte Metodi Andreew, ehemaliger Abgeordneter der Union der Demokratischen Kräfte (SDS) in der 38. Volksversammlung und Abgeordneter aus der Bürgerquote von GERB im 43. Parlament.


„Zum ersten Mal seit drei Amtszeiten wird Bulgarien nicht von der Mafia regiert. Und wenn ein Land sich der Regierung der Mafia entledigt, sind extraordinäre Maßnahmen nötig. Was die Maßnahmen angeht, die diese Regierung trifft – ich billige einige von ihnen, andere wiederum nicht, aber ich unterstütze im Großen und Ganzen die von der Übergangsregierung angepeilte Richtung“, sagte Metodi Andreew.

Ihm zufolge reicht es aus, wenn die Übergangsregierung einen Sturm auslöst, der die begangenen Verbrechen ans Licht bringt. Danach kann die reguläre Regierung in legislativer Hinsicht das fortsetzen, was die Übergangsregierung enthüllt hat.

Es gibt zwei Meinungen über das derzeitige Geschehen im Land, kommentierte der Politikwissenschaftler und Autor des Buches „Der neue Staat“ Dimitar Awramow.


„Aus Sicht von GERB, ihren Koalitionspartnern und all jenen, die Zugang zu den Staatsfinanzen und zum Budget hatten, wird das eine Säuberung sein“, sagte er in einem Interview für den Bulgarischen Nationalen Rundfunk. „Wir dürfen nicht alles leugnen, was von einer Regierung erreicht wurde. Tatsache aber ist, dass in den letzten drei-vier Jahren die Ressourcen des Staates und des Staatshaushalts in große Unternehmen geflossen sind. Dieser Prozess wird als Oligarchisierung bezeichnet. Dabei erhalten einige wenige die Ressourcen der Nation, während die Mehrheit unter Druck steht und wirtschaftlich untergeworfen ist. Und das kann man sogar mit bloßem Auge sehen, selbst am Beispiel der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Das ist eine Bank, die geschaffen wurde, um kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen, was auch ausdrücklich zu Papier gebracht wurde. Plötzlich hat sie aber begonnen, Kredite an riesige Unternehmen zu vergeben. Die meisten von ihnen stehen sich mit der Führung nahe. Schauen Sie, es spielt keine Rolle, wer der Besitzer dieser Unternehmen ist und welchem ​​Kreis sie angehören. Wichtig ist, dass der Staat vom ehemaligen Premierminister, dem Ministerrat, dem Wirtschaftsminister sowie von politischen und wirtschaftlichen Kreisen, die hinter ihnen stehen, zum privaten Vorteil genutzt wurde.“

Nun können die politischen Auswirkungen der Misswirtschaft und der Oligarchisierung des Staates beobachtet werden, erklärte Dimitar Awramow und prognostizierte:

„In den nächsten zwei Monaten wird ein für die Öffentlichkeit unsichtbarer Prozess einer Aushandlung des nächsten regierenden Status quo starten, um die Veränderungen zu stoppen. Es geht bei den Veränderungen nicht darum, dass die sogenannten Protestparteien an die Macht kommen. Unter Veränderung verstehe ich, dass alle bulgarischen Staatsbürger gleichen Zugang zum Staat erhalten. Wir werden beobachten, wie sich dieser Konsens in den kommenden Monaten vor den Wahlen entwickeln wird“, so Dimitar Awramow.

Zusammengestellt von: Elena Karkalanowa (basierend auf Interviews von Diana Dontschewa, Diana Jankulowa und Daniela Goleminowa, BNR-Programm „Horizont“)

Übersetzung: Rossiza Radulowa




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