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Burgas der Bohème aus sozialistischer Zeit

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Foto: hotelprimoretz.bg

Einzig im Hafen von Burgas

erfüllt mich das Leben mit Bewunderung!

So beginnt das 1969 geschriebene Gedicht „Hafen“ von Hristo Fotew, einer der bemerkenswerten bulgarischen Dichter der jüngeren bulgarischen Literaturgeschichte und emblematische Figur seiner Heimatstadt Burgas. Hristo Fotew und weitere seiner Dichterkollegen, Intellektuelle und Künstler sorgten dafür, dass Burgas seit Ende des 20. Jahrhunderts als Stadt der Dichter, Künstler, Schauspieler und Musiker bezeichnet wird.

Das Leben dieser Bohème, die so ganz und gar nicht in die sozialistischen Normen und Klischees passte, fand in bestimmten Lokalen statt, die von ihr „kreative Fabriken“ genannt wurden, erzählt in einem Interview für Radio Bulgarien die Journalistin Mariana Parwanowa. Viele Jahre sammelte sie das Puzzle dieser ruhmreichen künstlerischen Jahre an der bulgarischen Schwarzmeerküste und veröffentlichte es in einem Buch mit dem Titel „Die Orte der Bohème im Sozialismus. Burgas“

„In den 1950er bis 1980er Jahre war Burgas keine große Stadt und trotzdem habe ich während der Erzählungen meiner Gesprächspartner und in schriftlichen Quellen an die 20 emblematischen Lokale gezählt, von denen sechs bis heute erhalten sind“, berichtet Mariana Parwanowa. Darunter seien das Casino im Meeresgarten, das Hotel Primorez, das Restaurant „Slatna kotwa“, das für seine Meeresspezialitäten bekannt war und das Café „Rosa“.

Die Autorin bedauert, dass es kaum schriftliche Quellen über das Leben in diesen Lokalitäten gibt, obwohl es so bedeutungsvoll war, denn es war eine parallele Welt außerhalb der Vorgaben der offiziellen Gesellschaftsordnung.

„Das waren Orte für freie Gespräche, Diskussionen, für nicht traditionelle und neue Ideen und Meinungsaustausch. Leider fand dieser Teil des damaligen kulturellen Lebens in Bulgarien keinen Widerhall in der Presse. Doch es lebt in den Erinnerungen der Menschen, die direkt an diesen Ereignissen beteiligt waren und sie waren meine Hauptinformationsquelle“, erzählt die Autorin.

Das weite Meer und der Hafen von Burgas, der größte in Bulgarien, erwiesen sich trotz des Eisernen Vorhangs als durchlässig für den europäischen Geist und freie Gedanken.

„Das kulturelle Leben in Europa erreichte Burgas recht schnell durch die Schiffe, Matrosen und Intelligenz. Dazu trug auch die bunte ethnische Zusammensetzung der Stadt bei, darunter eine große armenische und griechische Kolonie“, erzählt Mariana Parwanowa und fügt hinzu, dass man sich in Burgas Platten der Beatles und anderer moderner Gruppen der damaligen Zeit kaufen konnte, die dann auch das Landesinnere erreicht haben.

Dieser freie Kontakt mit der Außenwelt erwies sich als besonders wichtig für die Künstler, die den Kern jeder Bohème bilden. Sie hatten Informationen über die neuen Trends und Namen in der Kunst und wurden von ihnen stark beeinflusst. Trotz der sozialistischen Maßstäbe, die damals galten, ist es ihnen gelungen, die neuen Strömungen in der Kunst voranzutreiben. Dieses quirlige Leben zeigt, wie lebendig und geeint die Stadt war, ein fruchtbarer Nährboden für die Entstehung eines Publikums, dass für Neuheiten offen war, erzählt Mariana Parwanowa weiter. Um ihre Worte zu unterstützen, erwähnt sie das historische Quartett von Theaterregisseuren, die 1957 im Theater „Adriana Budewska“ tätig waren und das Theaterleben prägten – Willi Zankow, Metodi Andonow, Julia Ognjanowa und Leon Daniel, die sich anmaßten, Brecht aufzuführen, eine Unerhörtheit für die damalige Zeit. 

Wie ist das Burgas von heute?

„Burgas hat als Architektur sein Aussehen aus diesen Jahren in gewisser Weise beibehalten, aber es hat sein Flair und seine Besonderheit als Ort der Bohème verloren. Trotzdem glaube ich, dass auch heute noch jeder, der in die Stadt kommt, die freundliche und etwas heimelige Atmosphäre verspürt, die seit Mitte des letzten Jahrhunderts in aller Munde ist. Das macht auch den großen Unterschied zu Warna aus, die ernster, härter und offizieller ist, wenn ich es so nennen darf. Das finde ich so wertvoll an Burgas“, schwärmt Mariana Parwanowa von der Stadt am Schwarzen Meer.

Übersetzung: Georgetta Janewa

Fotos: hotelprimoretz.bg, burgas.bg, BNR-Burgas, znaci-bg.com



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