Eine bulgarisch-orthodoxe Gemeinde Tausende Kilometer von der Heimat entfernt zu gründen, ist eine herausfordernde Aufgabe – besonders dann, wenn die bulgarische Diaspora weit verstreut und vom Pfarrtempel räumlich getrennt ist. Während wir in Bulgarien die Kirche im Stadtviertel mit regelmäßigen Gottesdiensten als selbstverständlich hinnehmen, wird ein Priester im Ausland mit besonderer Freude und Hoffnung empfangen – als geistlicher Vater. Denn er haucht der Gemeinde nicht nur Leben ein, sondern schafft auch eine unsichtbare Verbindung zu unseren tiefen orthodoxen Wurzeln – fernab auf fremdem Boden.
Mit dieser Berufung verließ Vater Julijan Angelow vor mehr als 27 Jahren seine Heimatstadt Widin und ließ sich in Berlin nieder, um beim Aufbau der bulgarisch-orthodoxen Kirchengemeinde mitzuwirken.
„Wir hatten anfangs keinen eigenen Tempel“, erzählt Vater Julijan im Podcast von Radio Bulgarien „Brücke des Glaubens“, der der orthodoxen Kirchengemeinde in Berlin gewidmet ist. „Wir zogen von Ort zu Ort, da wir keine eigene Kirche hatten – und parallel dazu entstand nach und nach die Gemeinde. Innerhalb von sieben bis acht Jahren formte sie sich, doch ich war damals in einem anderen Alter und habe gar nicht bemerkt, wie aus anfangs sieben Menschen innerhalb der ersten zehn Jahre plötzlich 70 wurden.Heute zählt unsere Gemeinde viele Gläubige. Zu den Sonntagsgottesdiensten kommen regelmäßig über 100 bis 120 Menschen – und für diese Region ist das eine bedeutende Zahl. In unserer Kirche gibt es Menschen, die regelmäßig beichten, viele Kinder, Familien, die die Fastenzeiten einhalten, und ein echtes Gemeindeleben – wie überall.“

Vater Julijan Angelow ist einer der drei Priester an der Kirche „Hl. Zar Boris der Täufer“ in Berlin. Seine Entscheidung, nach Deutschland zu gehen und die Gemeinde an der Metropolitankirche „Hl. Nikolaus der Wundertäter“ in Widin zu verlassen, bezeichnet er als „Gottes Werk“. Zufällig erfuhr er, dass für die neu gegründete westeuropäische Kirchengemeinde Priester gesucht wurden – und machte sich auf den Weg. Zunächst pendelte er zwischen Bulgarien und Deutschland, schließlich ließ er sich in Berlin nieder, wo er die suchenden Seelen seiner Landsleute an die Kirche heranführt.

„Hier ist es eine Mission – und der Unterschied zu Bulgarien ist gewaltig: Dort wartest du auf die Menschen in der Kirche, hier in Berlin bewegst du dich zwischen Krankenhäusern und Gefängnissen“, sagt Vater Julijan. Was die Hinwendung junger Menschen zum Glauben betrifft, ist für ihn vor allem eines entscheidend: Taten. Etwa, wenn junge Leute Müttern krebskranker Kinder in Kliniken beim Übersetzen helfen.
„Einige Kinder überleben, andere nicht – und die jungen Menschen werden Zeugen solcher Erfahrungen. Das ist Gemeindearbeit“, sagtе Vater Julijan. „Wer auch immer zu uns gekommen ist, hat stets geholfen. Auch wenn jemand zuvor kaum kirchlich gebunden war, findet er hier sehr schnell Zugang zum Glauben – denn unsere Arbeit ist lebendig und sehr intensiv. Es gibt die unterschiedlichsten Fälle, aber wir helfen nur jenen, die sich in völliger Ausweglosigkeit befinden – Menschen, die ihre Papiere und ihr Geld verloren haben und nicht wissen, wie es weitergeht. Ihnen reichen wir die Hand – und es sind nicht wenige. Manche wurden getäuscht: Man versprach ihnen Arbeit oder eine Wohnung. Sie kommen, haben ihre Ersparnisse für die Reise ausgegeben – und stehen am Ende mit nichts da. Einige haben Gewalt erlebt, andere sind viele Kilometer zu Fuß gegangen, ohne Schuhe. Ich habe Füße gesehen, die so wundgelaufen waren, dass man es sich kaum vorstellen kann. Für solche Fälle haben wir ein Ärzteteam, das uns unentgeltlich unterstützt. Auch unsere jungen Dolmetscher übersetzen ehrenamtlich.“

Was die finanziellen Mittel betrifft, so engagieren sich auch die Menschen, die selbst schwere Zeiten durchlebt haben. „Jeder hilft dem anderen – und so gelingt es“, sagtе Vater Julijan und ergänztе:
„Gott hilft – und zwar sehr. Manchmal übernehmen wir große Verpflichtungen, und wenn man abends darüber nachdenkt, scheint es unmöglich, sie zu erfüllen. Am nächsten Tag geht man ein wenig enttäuscht los, am dritten Tag schon fast verzweifelt – und am vierten klärt sich plötzlich alles. Ich weiß nicht wie. Deshalb: Mutig voran“, so Vater Julijan Angelow abschließend.
Autor: Darina Grigorowa
Übersetzt und veröffentlicht von Lyubomir Kolarov
Redaktion: Rossiza Radulowa
Fotos: Privatarchiv von Vater Julijan Angelow, Darina Grigorowa
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