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Orpheus-Mythos erwacht im neuesten Roman des britischen Schriftstellers Will Buckingham

Will Buckingham vor der thrakischen Kultstätte beim Dorf Tatul.
Снимка: Privatarchiv
Anfang des 19. Jahrhunderts. Eine kleine Kapelle auf einer Anhöhe beim Dorf Gela in den Rhodopen. Ein zufälliger Reisender öffnet zaghaft die Tür des halbdunklen Gebäudes. In der Mitte des Raumes erblickt er vor dem Altar eine Ikone. Eine solche Ikone hatte er bisher in keiner anderen Kirche zu Gesicht bekommen - die Ikone eines Heiligen mit einer Gitarre in der Hand...

Nur selten finden wir englischsprachige Bücher über Bulgarien. Eine dieser Ausgaben mit dem Titel "Der Untergang der Lyra" erschien Ende August auf dem britischen Buchmarkt - am 11. Dezember in den Vereinigten Staaten. Der historische Roman führt uns nach Wien und Paris und nach Bulgarien, das sich nach wie vor dem Krummschwert der türkischen Eroberer beugt. Das Buch erzählt uns, wie auf bulgarischem Gebiet eine Gitarre auftaucht - ein Instrument, das in der damaligen Zeit hierzulande recht untypisch war. In den unsicheren Zeiten der osmanischen Fremdherrschaft, als die Menschen nicht einmal über ihr eigenes Leben verfügten, stimmt die Musik eines unbekannten Gitarristen auf dem Weg nach Konstantinopel einen blutrünstigen Mensch um, dessen Sinn bis dahin ausschließlich nach Vergeltung stand.

Der Autor dieses Romans ist der junge britische Schriftsteller und Dozent für schöpferisches Schreiben Will Buckingham, der durch Bulgarien reist, um seinem Werk mehr Authentizität zu verleihen. Sieben Jahre nach seinem ersten Bulgarien-Aufenthalt, nach langjährigen Studien der bulgarischen Geschichte, Folklore und Musik, hat sein Roman, eine moderne Interpretation der Orpheus-Legende, den Weg zu den Lesern angetreten. Will Buckingham lebte jahrelang mit dem Gedanken, einen Roman über die Geschichte der Gitarre zu schreiben. Womit beeindruckt namentlich die Atmosphäre Bulgariens Anfang des 19. Jahrhunderts den Autor?

Die Romanidee entstand nur sehr langsam. Ich selbst interessiere mich für Musik. Die Orpheus-Legende hatte es mir schon seit längerem angetan. Bei meinem ersten Bulgarien-Aufenthalt im Sommer 2005 verbrachte ich zwei Wochen in den Rhodopen und lernte dabei auch das Dorf Gela kennen. Ich hatte mir die Rhodopen ausgesucht, weil mich das Gebirge im Gegensatz zu den Ferienorten an der Schwarzmeerküste mit seiner Mythologie, mit seinen Legenden, mit seiner Geschichte und seiner Ruhe beeindruckte. Es war unglaublich. Ich fühlte, dass das der Ort ist, an dem ich wertvolle Geschichten schreiben kann. 2006 hatte ich das Glück, an einer Konferenz in Sofia teilnehmen zu können. Während meines zweiten Bulgarien-Aufenthalts wurde mir bewusst, dass Bulgarien der passende Handlungsort für mein Buch ist.

Um die Atmosphäre des Landes zu fühlen und den Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung zu vereinfachen, beginnt Will Bulgarisch zu lernen und verinnerlicht die Sprache so gut, dass er bei seinem dritten Bulgarien-Aufenthalt allein durch das Land reist. Sein einziger Begleiter ist die klassische Gitarre. Er besucht Rhodopen-Orte mit Bezug zur Orpheus-Legende - das Dorf Gela, das als Geburtsort des mythischen Sängers gilt, die Teufelsrachenhöhle, in der Orpheus der Legende nach in die Unterwelt hinabsteigt, um seine geliebte Eurydike zu befreien als auch die thrakische Kultstätte beim Dorf Tatul.

Glücklicherweise erhielt ich ein Stipendium vom britischen Arts Council. Dieses ermöglichte mir, ausreichend lange in die Atmosphäre vor Ort einzutauchen - erzählt der Buchautor Will Buckingham. - Ich bin mit dem Zug nach Paris, Wien und Rumänien gereist, auch weil mein Held Iwan Gelski im Buch die gleiche Tour unternimmt. Danach verbrachte ich einige Zeit in Sofia, wo ich die Gelegenheit nutzte, mein Bulgarisch zu verbessern, das ich leider schon fast vergessen habe. In England eine Fremdsprache zu erlernen, ist äußert schwierig, vor allem, wenn man nicht in London lebt. Rund ein Jahr habe ich die Sprache im Alleingang gelernt. Dann traf ich glücklicherweise einen bulgarischen Studenten, der mir die Umgangssprache beibrachte. Danach lernte ich mithilfe von Freunden einige Wochen intensiv in Sofia. In dieser Zeit machte ich Riesenfortschritte, so dass ich nunmehr allein Reisen ins Land unternehmen- und mir in der örtlichen Schenke ein Getränk bestellen konnte.

Während der Studien für seinen Roman unterhält sich Will oft mit liebenswerten Großmüttern, mit denen er sich anfreundet. Zu Hilfe kommt ihm sein bulgarischer Wortschatz - aber auch seine große Neugier sowie sein Gespür fürs Detail:

Für die Schauplätze Paris und Bulgarien habe ich mich eingehend mit der Geschichte der Gitarre beschäftigt. Es ist verblüffend, wie wenige Quellen es über die bulgarische Geschichte in Englisch gibt. Ich las alles, was ich finden konnte, u.a. auch ein tolles Buch des US-amerikanischen Musikwissenschaftlers Tim Rice. Dieses Werk hat mir sehr geholfen, mein Verständnis über die Wechselwirkung von Musik, Kultur und Folklore in Bulgarien zu vertiefen. Ich habe mir die bulgarischen Filme "Am Scheideweg" und "Ziegenhorn" angesehen. Auch las ich in dieser Zeit viele bulgarische Autoren in englischer Übersetzung, die vom britischen Verleger Phillip Allen in den 1980-ern veröffentlicht wurden. Als außenstehender Beobachter ist es recht schwierig, über die Geschichte eines gegebenen Landes zu schreiben, besonders wenn man der Sprache nicht besonders gut kundig ist. Das ist eine sehr heikle Aufgabe. In Bulgarien ist die Geschichte etwas sehr Lebendiges. Die gesamte Thematik der osmanischen Fremdherrschaft und des Befreiungskampfes ist sehr emblematisch. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hatte ich, was die Umsetzung meiner Aufgabe betraf, schon ein recht mulmiges Gefühl.

Offiziell vorgestellt wurde das Buch "Der Untergang der Lyra" in der Stadt Leicester, wo Will gegenwärtig lebt und unterrichtet. Momentan ist der Roman ausschließlich in der Originalsprache erhältlich. 

Gegenwärtig lesen einige meiner bulgarischen Freunde das Buch. Voller Spannung erwarte ich ihre Meinung - erzählt der Buchautor Will Buckingham. - Mein Buch ist für zwei Lesergruppen gedacht. Und zwar für die Leser in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten sowie für Bulgarien-Fans. Ich würde mich sehr freuen, wenn der Roman auch ins Bulgarische übersetzt würde und ich so die Meinung der bulgarischen Leser erfahren könnte. Es wäre toll, wenn ihnen das Buch gefallen würde.

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Rositza Petkowa
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