Der Ausdruck „Gott ist ein Bulgare“ versetzt uns in das Jahr 1993, als sich die bulgarische Fußballnationalmannschaft dramatisch für die WM '94 qualifizierte. Damals, am 17. November in Paris schoss Emil Kostadinow buchstäblich in allerletzter Sekunde ein Traumtor gegen Frankreich. In diesem Augenblick ertönte vom Kommentator des Bulgarischen Fernsehens der denkwürdige Ausruf "Gott ist ein Bulgare". Und Gott schien für eine Weile wirklich seine „bulgarische Staatsbürgerschaft“ behalten zu haben, denn der bulgarischen Nationalelf gelang in den USA der größte Erfolg in ihrer Geschichte – sie kam bis ins Halbfinale der WM. Damals war Christo Stoitschkow in aller Munde.
Rund vier Jahre später ein anderer Christo – der aus Bulgarien stammende Verpackungskünstler Christo Jawaschew, erhält in Florenz, während einer seiner Präsentationen, von einem bulgarischen Studenten ein ihm gewidmetes Gedicht der Schriftstellerin Blaga Dimitrowa. Er las es aufmerksam und konnte bei den letzten Versen seine Aufregung kaum verbergen, die da lauten:
Du, der du imstande bist, alles zu verpacken –
Land, Wind und Meer,
auch die Wolken und verschneite Bergesspitzen,
verpacke doch auch meiner Heimat Angst!
„Die Installation des bulgarischen Künstlers bringt den Mut und die Genialität eines Landes zum Ausdruck, das wir kaum kennen, und wenn doch, dann nur aus negativer Sicht.“ Das schrieb der zu einer Legende gewordene Journalist Antonio Ferrari auf der Titelseite des „Corriere della sera“, auf der das jüngste Werk des Verpackungskünstlers „Schwimmende Stege“ auf dem Iseo-See vorgestellt wurde. „Ich danke dir, Christo! Auf dem Wasser zu wandeln ist nicht einzig ein beeindruckendes biblisches Bildnis, sondern auch eine Erlösung von der Schande vieler Inbegriffe“, schrieb ferner Ferrari. Der Journalist erinnerte an die in den Zeiten des Kalten Krieges aufgekommenen Vorstellungen, wie „Wahl auf Bulgarisch“, d.h. Wahlen werden mit 99,9 Prozent Ja-Stimmen gewonnen, oder „Bulgarische Unterwürfigkeit“ – ein Synonym für absoluten Gehorsam. „Beschämend ist auch die Geschichte in Verbindung mit dem Papstanschlag, den der türkische Rechtsextremist Ali Ağca verübte“, schreibt Antonio Ferrari weiter. „Für diese Tat wurden die Bulgaren beschuldigt, nur weil Ağca durch Bulgarien gereist war. Später wurde klar, dass es sich um einen kolossalen Schwindel handelt, der den Appell Ronald Reagans für den Kampf gegen das „Reich des Bösen“ bediente. Um ein Regime zu stürzen, wurde ein ganzes Volk angegriffen und das ist schrecklich!“ „Ich war Dutzende Male in Bulgarien und kann versichern, dass die Bulgaren geniale und tapfere Menschen, eben wie Christo sind!“, betont Antonio Ferrari.
Auch die „Times“ schrieb an führender Stelle über die „Schwimmenden Stege“ des bulgarischen Künstlers Christo: „Der konzeptuelle Künstler Christo gab den Besuchern des italienischen Sees Iseo die Möglichkeit, auf dem Wasser zu gehen – ein orangefarbener Steg verbindet zwei Inseln in diesem See mit dem Ufer."
Christo beschreibt die Landschaft als Teil des Projekts folgendermaßen: „Die Sonne, der Regen und der Wind sind Bestandteile der physikalischen Dimensionen des Projekts, doch all das muss erlebt werden.“
Euronews informierte unter der passenden Überschrift: „Auf dem Wasser wandeln – der bulgarische Künstler Christo macht einen seiner Träume wahr.“ Die BBC zitierte ihrerseits den Künstler: „Das Erlebnis kommt dem Wandeln auf dem Wasser oder einem Spaziergang auf dem Rücken eines Walfisches gleich.“
„Der bulgarische Künstler Christo eröffnete seine Installation „Schwimmende Stege“, meldete in ihrer Kunstrubrik „Le Monde“ am 19. Juni, vertauschte aus Versehen aber auch zwei Buchstaben im Familiennamen des Bulgaren. Der Fotobericht wurde mit der Überschrift angekündigt: „Der ephemere Ponton von Christo zieht die Massen an den Iseo-See.“
Zur gleichen Zeit schrieb die spanische „ABC“ über „Das Wunder Christos“ und macht ein Wortspiel mit dem Namen des bekannten bulgarischen Künstlers (Auf Spanisch heißt Christus Cristo). „Er hat alle Erwartungen übertroffen. Die Menschen warteten die ganze Nacht über, bis die Stege für Besucher freigegeben wurden, die Christo Jawaschew, ein berühmter amerikanischer Künstler bulgarischer Abstammung, kreiert hat.“ Ferner wird darauf hingewiesen, dass das Werk Jeanne-Claude gewidmet sei; in dieser Beziehung wird Christo zitiert: „... unsere Werke mit Jeanne-Claude streben nicht die Ewigkeit an. Sie sind kurzlebig, wie das Leben der Blumen, wie die Jugend...“
Die spanische Nachrichtenagentur EFE versäumte es nicht, die bulgarische Herkunft des Künstlers zu betonen und zählte einige Werke Christos in Italien auf: die Verpackung der mittelalterlichen Festung in Spoleto, der Aurelianischen Mauer in Rom und der Denkmäler von Viktor Emanuel und von Leonardo in Mailand. Übrigens steht Christo nicht allein da mit der Behauptung, dass die Landschaft im Hindergrund der Mona Lisa die Gegend des Iseo-Sees widerspiegelt.
Am Tag nach der Eröffnung widmete die „New York Times“ ihre Kulturrubrik dem Kunstereignis: „Alles sieht sehr malerisch aus, ganz wie in einem abstrakten Gemälde, das jedoch ständig Veränderungen erfahren wird“, sagte Christo – ein 81jähriger Amerikaner, der in Bulgarien geboren wurde, über sein Projekt. Die „Schwimmenden Stege“ sind seine erste Installation unter freiem Himmel seit 2005, als er zusammen mit seiner Lebensgefährtin und Mitarbeiterin Jeanne-Claude, 7.500 Tore mit safranfarbenen Vinyl-Segeln im New Yorker Central Park installierte. Wie alle seine Werke, die bekannte Landschafts- oder Stadtbilder zu transformieren versuchen, wird auch dieses, das im Wert von 15 Millionen Euro ist, aus dem Verkauf von Originalzeichnungen und Collagen des Künstlers finanziert.“
Die Ausgabe der britischen Zeitung „The Telegraph“ setzte auf die bulgarische Teilnahme bei der Umsetzung des Projekts: „... Einige der Instruktionen für die Errichtung der Installation sind auf Kyrillisch. Christo erklärte, dass sein Team aus Bulgaren bestünde. Während des prosowjetischen Regimes in Bulgarien gab es eine Sportakademie. Nach dem Fall des Kommunismus blieb die Akademie bestehen. Der Bauchef verlangte: „Ich will Männer, die sieben Tage in der Woche arbeiten, nicht trinken und nicht rauchen!“ Und so wurden Studenten dieser Akademie engagiert. Es sind Leicht- und Schwerathleten und wenn man ihnen zuschaut – sie gehen nicht, sie laufen.“
Auch in den Nachbarländern Bulgariens wurde über das Kunstereignis gebührend informiert. Die türkische „Milliyet“ schrieb: „Der berühmte bulgarische Künstler Christo Jawaschew stellte in Italien sein jüngstes Projekt „Schwimmende Stege“ vor. Tausende Besucher nutzen die Gelegenheit, um auf den schwimmenden Stegen spazieren zu gehen.“
Interessant sind jedoch die Meldungen aus Bulgarien. Auf die Internetseite der Tageszeitung „Dnewnik“ wurden ein Video und eine Fotogalerie von Kalin Iwanow gestellt, der an seinem dritten Dokumentarfilm über Christo arbeitet. Der neueste Fernsehsender BiT übertrug direkt und ließ Ewgenia Atanassowa zu Wort kommen, die als Freiwillige am Projekt teilnahm. Die Zeitung „24 Tschassa“ druckte den schwarzen Humor des Politikers Emil Koschlukow ab: „Christo wird nach Bulgarien zurückkehren, sein Projekt hier verwirklichen und darüber werden alle negativ berichten.“ Die Dinge haben sich seit jenem Artikel der „24 Tschassa“ von 1997, aus dem wir zu Beginn zitiert haben, nicht sonderlich verändert. Der Student, der Christo das Gedicht von Blaga Dimitrowa überreichte, schrieb nämlich: „Nachdem Christo es gelesen hatte, lächelte er traurig, drehte sich um und ging wortlos weg...“
Redaktion: Ljudmil Fotew
Übersetzung: Wladimir Wladimirow
Fotos: EPA / BGNES