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Das Dorf Dolno Lukowo – ein Spaziergang durch die Vergangenheit

 

Das Dorf Dolno Lukowo befindet sich in einem wahrhaftigen Dornröschenschlaf

© Foto: Rumjana Zwetkowa

Heute entführen wir sie in ein malerisches Dorf in den östlichen Rhodopen, unweit der Grenze zu Griechenland. Das Dorf Dolno Lukowo befindet sich in einem wahrhaftigen Dornröschenschlaf. Einzig der Zahn der Zeit scheint hier unermüdlich zu werkeln – alles andere scheint still zu stehen; man trifft kaum auf Jemanden in den engen Gassen. Und dennoch ist das Dorf nicht ausgestorben – seine Bewohner sind gastfreundliche Menschen, die sich auf jeden Besucher freuen und ihn reichlich mit dem bewirten, was sie selbst anbauen und herstellen. Sie selbst sind bescheidene Menschen und geben sich mit dem zufrieden, was der Boden hergibt.

Dolno Lukowo ist kein reiches Dorf in dem Sinne – es ist reich an Geschichte. Hüterin der Legenden und Sagen ist die heute 70jährige Großmutter Stefana, eine einstige Lehrerin. Gern erzählt sie den Besuchern so manche Geschichte, deren Wurzeln in tiefer Vergangenheit stecken, als sich das Dorf noch auf der anderen Seite des Flusses Bjala befunden hat. Im Jahre 1693 sei von der Hafenstadt Thessaloniki die Pest gekommen. Die Bewohner suchten auf der anderen Seite des Flusses nach Rettung und gründeten da das neue Dorf. Vom alten Dorf ist einzig die Kapelle des Mönchsklosters „Hl. Georg“ erhalten geblieben.

Heute sieht Dolno Lukowo wie ein Architekturreservat aus. Die aus Stein errichteten Häuser mit ihren mit Steinplatten gedeckten Dächer stehen da, wie vor Jahrhunderten. Als sie errichtet wurden, befassten sich die meisten Dorfbewohner mit Seidenraupenzucht. Erst in neuerer Zeit besteht der Haupterwerb im Anbau von Tabak und Sesam.

© Foto: Rumjana Zwetkowa

Hüterin der Legenden und Sagen ist die heute 70jährige Großmutter Stefana


Die Besucher des Dorfes finden vor allem die alte Gastwirtschaft sehr schön, die sich zusammen mit einem Tante-Emma-Laden in einem zweistöckigen Haus am Dorfplatz befindet. Die Dorfbewohner ihrerseits sind jedoch vor allem auf ihre Kirche stolz, die als die älteste in der Region gilt. Über die Kirche der „Heiligen Konstantin und Helena“ weiß Oma Stefana folgendes zu berichten:

„Im Jahre 1806 entschlossen sich die Dorfbewohner, eine Kirche zu bauen. Als Ort wurde ein naher Eichewald gewählt und nicht der Dorfplatz. Das geschah mit Absicht. Es war nämlich nicht einfach in den Zeiten der türkischen Fremdherrschaft, einen christlichen Tempel zu bauen. Die moslemischen Türken erteilten nur sehr schwer Baugenehmigungen. Die Bewohner nutzten aber ein türkisches Gesetz, das besagte, dass einzig Kirchen mit einem Dach nicht abgerissen werden dürfen. Also bauten sie emsig und das nur nachts. Als die Behörden fragten, was denn da entstehe, wurde vorgegeben, dass es sich um einen Dorfstall handeln würde. Entsprechend erhielt der Bau auch keine Fenster. Nur in einer Woche war die Kirche fertig und damit sie als solche erkannt werden konnte, wurde in die Fassade ein Kreuz gemauert. Die Kirche steht seit mehr als 200 Jahren und alles in ihrem Inneren ist noch wie damals“, erzählt Oma Stefana und kommt auch auf Einzelheiten des Baus zu sprechen: „Interessant ist die Kirche vor allem mit ihren Malereien im Inneren, die ein Werk eines angesehenen örtlichen Ikonenmalers sind. Die Kirche ist, wie es damals üblich war, zweigeteilt – mit einem Raum für die Männer und einen für die Frauen. Die Frauenabteilung ist nicht ausgemalt und beherbergt heut unser Dorfmuseum. Der Altar ist aus dem Holz von Haselnussbäumen geschnitzt und abgebildet ist all jenes, was in Dorf hergestellt wurde, darunter Weintrauben und Seidenraupenkokons. Alle Ikonen sind älter als 200 Jahre, während die Ikone der Heiligen Konstantin und Helena und die Muttergottesikone sogar vor mehr als 500 Jahren entstanden sind. Sie stammen aus der alten Dorfkirche, die abgebrannt ist. Und noch etwas interessantes: unsere Kirche und die alte Kirche von Arbanassi bei Tarnowo sind die einzig erhaltenen, in denen die Wandmalereien auf Tonmörtelputz entstanden sind. Unsere Kirche ist auch die einzige, die im Altarraum einen Brunnen hat.“

Interessant ist die Kirche vor allem mit ihren Malereien im Inneren, die ein Werk eines angesehenen örtlichen Ikonenmalers sind

© Foto: Rumjana Zwetkowa


Dafür hat die Kirche aber keinen Glockenturm, was verständlich wird, führt man sich die seltsame Baugeschichte vor Augen, zumal der Islam auch ein absolutes Glockenverbot verhängt hatte. Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts hat ein hölzernes Läutebrett (griechisch: Talanton) die Glockenfunktion ausgeübt. Es hing an einer der großen Eichen, die bis heute um die kleine Kirche herum wachsen. Nach der Befreiung Bulgariens und der Neugründung des Staates ließen es sich dir Bewohner von Dolno Lukowo nicht nehmen und bauten sich 1896 im Zentrum ihres Dorfes eine schöne neue Kirche – eine dreischiffige Basilika mit Glockenturm.
 
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow

По публикацията работи: Rumjana Zwetlowa


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