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Nationale Referenden – nach wie vor „Mission: Impossible“

Auch wenn Bulgarien seit nunmehr 20 Jahren den Weg der Demokratie geht, wird das Volk zu wichtigen nationalen und kommunalen Fragen in der Regel nicht in die unmittelbare Entscheidungsfindung einbezogen. Bulgarien ist das einzige Balkanland, in dem seit der Wende kein einziges nationales Referendum durchgeführt wurde.

Im vergangenen Jahr waren die Bürger der Schwarzmeerstädte Burgas und Sosopol aufgerufen, sich zum geplanten Bau einer Erdgasleitung zu äußern. Dabei sprach sich ein Großteil der Bevölkerung gegen das geplante Projekt aus. Allerdings sind beide kommunalen Referenden nicht legitim. Der Grund – die Anzahl der abgegeben Stimmen lag unter der erforderlichen Quote (50 Prozent + 1 Stimmen aller Stimmberechtigen).

Ende Mai verabschiedete die 40. Volksversammlung ein neues Gesetz zur direkten Teilnahme der Bürger an der Entscheidungsnahme. Ins Parlament eingebracht wurde das Gesetz vom Sozialisten Janaki Stoilow. Stoilow zufolge räume das Gesetz zu verhältnismäßig vielen Fragen nationale oder kommunale Referenden ein. Zudem kann ein Referendum nunmehr von den Bürgern selbst initiiert werden. Vorher oblag das lediglich dem Parlament. Vertreter bulgarischer Bürgerorganisationen befürworten den im Gesetz verankerten Fortschritt, sind jedoch nicht der Meinung, dass diese Tatsache die Aktivität der Bevölkerung erhöhen werde.

Laut aktuellem Gesetz ist ein Referendum nur dann gültig, wenn mindestens genauso viele Bürger ihre Stimme abgegeben haben, wie bei den letzten Parlamentswahlen. Dr. Martin Below, Experte für Verfassungsrecht sieht das genauso. Traditionell, so Dr. Below, liege die Wahlbeteiligung bei Parlamentswahlen am höchsten, gefolgt von Kommunalwahlen und Referenden. Deshalb forderten 13 Bürgerorganisationen in einem Schreiben an das neugewählte Parlament die Aufhebung dieser Klausel. Ihr Vorschlag für ein gültiges Referendum ist eine Mindestbeteiligung von 20 Prozent der Stimmberechtigten. Zudem verlangen sie zur Initiierung eines nationalen Referendums durch die Bürger weniger gesammelte Unterschriften. In der vom Parlament in erster Lesung verabschiedeten Erstvariante beläuft sich diese Zahl auf 150.000. In diesem Fall obliegt dem Parlament die Entscheidung für oder gegen die Durchführung des Referendums. Bei über 300.000 gesammelten Unterschriften müssen die Abgeordneten dem Willen des Volkes stattgeben und ein Referendum durchführen. In zweiter Lesung wurden diese Zahlen auf entsprechend 200.000 und 500.000 nach oben korrigiert. Laut Nichtregierungsorganisationen sei diese Entscheidung untragbar und blockiere in der Praxis jegliche Teilnahme der Bevölkerung an der direkten Entscheidungsfindung zu wichtigen nationalen Fragen. Sie fordern die Rückkehr zur Erstvariante des Gesetzes als auch die Verlängerung der Fristen zur Unterschriftensammlung von drei auf sechs Monate.

„Wir müssen das System öffnen, damit sich die Bürger aktiver in den Prozess der Entscheidungsfindung einbringen können“, sagt Dr. Martin Below. „Das wäre ein sehr vernünftiger Ansatz. Der Schlüssel für ein rationales direktes Demokratiemodell ist die tägliche Anwendung. Die politische Elite muss davon abkommen, sich der Bevölkerung nur dann zu bedienen, wenn sie die Zustimmung für bereits getroffene politische Entscheidungen braucht.“

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Rumjana Zwetkowa


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