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Heim und Freizeit: Der Zucker

Foto: Архив
Haben Sie heute bereits etwas Süßes gegessen? Süßes Naschwerk gehört heutzutage obligatorisch zu unseren Festen, egal ob Weihnachten, Neujahr, Ostern oder Geburtstag, doch wir greifen auch im stressigen Alltag gern schnell zum Schokoriegel oder zur Bonbontüte, die meist in Reichweite sind. Die heutige Sendung wird sich um die süße Verlockung Zucker drehen - einst Statussymbol, Gewürz, Genuss- und Heilmittel, heute als Dickmacher und Schadstoff verschrien und für viele Zivilisationskrankheiten verantwortlich gemacht. Wie ist es exakt um die Vergangenheit und Gegenwart des Zuckers bestellt?

Zucker wird heutzutage aus Zuckerrohr und Zuckerrüben hergestellt. Ursprünglich jedoch wurde als Ausgangsstoff für seine Gewinnung ausschließlich Zuckerrohr verwendet. Die Heimat des Zuckerrohrs liegt im fernen Polynesien. Funde aus der Zeit vor 10 000 Jahren belegen, dass unsere Vorfahren es schon damals zu schätzen wussten. Von Polynesien verbreitete sich das Zuckerrohr auf den Booten von Menschen, die es als Proviant für unterwegs mitnahmen, nach Indien und Persien, gelangte im Laufe der Zeit nach Ägypten, wo es im Nildelta vortrefflich gedeihen konnte. Es kam im 7. Jahrhundert mit den Arabern nach Spanien, breitete sich bald im gesamten Mittelmeerraum aus und eroberte dank der Kreuzfahrer im 12. Jahrhundert den gesamten alten Kontinent. Im Laufe der Zeit lernten die Menschen, den aus dem Zuckerrohr ausgepressten Saft über dem Feuer einzudicken, gossen den heißen Zuckerrohrsaft in umgedrehte trichterförmige Ton- und Holzgefäße mit Löchern, aus denen der Sirup floss und kristallisierten Zucker zurückließ - den sogenannten Zuckerhut. Bis ins 19. Jahrhundert stellte der Zuckerhut die gängigste Form des gebrauchsfertigen Zuckers da. Erst im Jahre 1840 erfand Jacob Christoph Rad den Würfelzucker, doch bis dahin war es noch ein weiter Weg. Zucker galt in all den Jahrtausenden als begehrtes Luxusgut, das nur den Reichen vorbehalten war und als „weißes Gold“ bezeichnet wurde. So hatte im Spätmittelalter 1 kg Zucker den Wert von 100 kg Weizen. Bei der Entdeckung Amerikas wurde Columbus schnell klar, das sich die Klimabedingungen dort perfekt für den Zuckerrohranbau eignen und so nahm er bereits auf seiner zweiten Amerikareise 1493 einige Zuckerrohrpflanzen mit. Bald florierte das Geschäft mit dem Zuckerrohr in Übersee und die Zuckerproduktion verlagerte sich in die Neue Welt. Träger dieser Verlagerung waren die kolonialen Mächte Spanien, Portugal und England. Sie legten in Küstennähe und an schiffbaren Buchten große Zuckerrohplantagen an, von denen Zucker in Form von Melasse nach Europa verfrachtet und dort weiter verarbeitet wurde. Die Nachfrage nach Zucker in Europa stieg, die Arbeitskräfte auf den Plantagen in Übersee reichten aber nicht mehr aus, um dieser Nachfrage zu genügen und so wurden zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert zwölf Millionen Afrikaner in die Neue Welt verschleppt, um auf den Zuckerrohrfeldern in Mittel- und Südamerika als Sklaven ein klägliches Dasein zu fristen. Der Sklavenhandel ist die traurige Kehrseite des „Dolche Vita“ der reichen Europäer.

Über viele Jahrtausende war Zuckerrohr die einzige Rohstoffquelle für die Gewinnung von Zucker. Das änderte sich jedoch mit der Entdeckung des deutschen Chemikers Andreas Sigismund Marggraf. Er stellte 1747 einen hohen Zuckergehalt in den Runkelrüben fest. Infolge der napoleonischen Kriege und der damit eingehenden Kontinentalsperre wurde die Einfuhr von kolonialem Zucker in Europa unterbunden und so begann man in Deutschland und in Frankreich, durch gezielte Zucht die Rüben zu veredeln, so dass ihr Zuckergehalt binnen weniger Jahre von 2 auf 15 Prozent anstieg. Der Anbau von Zuckerrüben erfuhr einen drastischen Aufschwung und machte die Herstellung von heimischem Zucker profitabel. Im Jahr 1801 schuf der Chemiker Franz Carl Achard die Grundlagen der industriellen Zuckerproduktion. Die weltweit erste Rübenzuckerfabrik entstand im schlesischen Cunern und die Zuckerbranche etablierte sich zur wichtigsten Industrie des Deutschen Reichs. Auch in Frankreich wurden auf Befehl Napoleons zahlreiche Zuckerfabriken gegründet, die Preise für Zucker fielen und er wurde seit 1850 zu einem täglichen Bedarfsgut. Der preisgünstige europäische Rübenzucker machte die Rohrzuckerimporte aus der Karibik unnötig, der Sklavenhandel wurde endlich abgeschafft und die Sklaven wurden befreit.

Die größten Zuckerproduzenten in der Welt sind derzeit Brasilien, Indien, China, die USA, Thailand, Australien, Mexiko, Frankreich, Deutschland, Pakistan, Kuba, Südafrika, Kolumbien, die Philippinen, Indonesien und Polen. Heute werden weltweit ca. 160 Millionen Tonnen Zucker produziert, Tendenz steigend. In den letzten einhundert Jahren ist der Zuckerkonsum fast um das Hundertfache gestiegen. Während er im Jahre 1900 bei ca. 7 kg pro Kopf der Bevölkerung lag, hat er heutzutage in einigen Ländern stolze 70 bis 80 kg pro Person erreicht. Ob das unserer Figur und unserer Gesundheit zugute kommt, darauf kommen wir etwas später zu sprechen. Auf jeden Fall war der Zucker unseren Vorgängern es wert, ein Zuckermuseum zu errichten. Das älteste Zuckermuseum entstand in Berlin. Es wurde im Mai 1904 zusammen mit dem damaligen Institut für Zuckerindustrie eröffnet und zeigt Exponate zur Geschichte des Zuckers und seiner politischen Bedeutung.

Derzeit werden in Europa ca. 16 Millionen Tonnen Zucker aus etwa 120 Millionen Tonnen Zuckerrüben gewonnen. In allen europäischen Ländern außer Luxemburg wird Zucker hergestellt. Experten zufolge nehmen heutzutage manche Menschen bis zu 80 kg Zucker zu sich, ein Großteil davon übrigens - bis zu 85 Prozent! - unwissend und in versteckter Form. Der durchschnittliche Amerikaner verschlingt im Jahr rund 70 kg Zucker, der jährliche Zuckerkonsum eines Österreichers liegt bei 40 kg, die Deutschen verputzen durchschnittlich 36 kg, die Bulgaren sind mit ca. 30 kg dabei. In unserem Land wurde die erste Zuckerfabrik in Sofia eröffnet. Dies geschah am 28. November 1898 im Beisein von Fürst Ferdinand I. Die Zuckerfabrik war Eigentum der belgischen Gesellschaft „Bulgarische Zuckerfabriken und Raffinerien“ und war mit 1200 Beschäftigten das seinerzeit größte Industrieunternehmen in Bulgarien.
1916 wurde die Zuckerfabrik in Sofia wegen Mangels an Rohstoffen geschlossen. Seitdem verkommt das Gebäude der Fabrik, das als Denkmal der Architektur gilt. Heute macht sich eine Gruppe von Architekten Gedanken, wie sie das Gebäude umfunktionieren könnten - sie erwägen, es eventuell in moderne teure Appartements umzugestalten oder dort ein Museum der modernen Kunst einzurichten.

Doch kehren wir wieder zu den Anfängen der Zuckerproduktion in Bulgarien zurück. Bis 1913 nahmen neue Zuckerfabriken in Russe, Gorna Orjahowiza, Plowdiw und Plewen ihren Betrieb auf, zu sozialistischen Zeiten kamen noch etliche weitere in Lom, Dewnja, Dolna Mitropolia, Burgas. Kameno und anderen Orten hinzu. Die Fabriken wurden zu 80 Prozent im Norden Bulgariens errichtet, da sie die Zuckerrüben direkt von den angrenzenden Feldern bezogen, wo die Klimabedingungen für die Zuckerrübenzucht besonders geeignet sind. Mittlerweile allerdings werden in Bulgarien so gut wie keine Zuckerrüben mehr angebaut - es hat sich im Laufe der Jahre herausgestellt, dass diese Produktion nicht sehr rentabel für uns ist, zumal wir von der EU durch Zuckerquoten gezwungen wurden, die Rübenproduktion zu senken und so gut wie auf Eis zu legen. Heute beziehen die sechs heimischen Zuckerraffinerien ca. 200 000 Tonnen Rohzucker hauptsächlich aus den EU-Ländern, wo die Zuckerrübenproduktion subventioniert wird.

Zucker konserviert und somit eignet er sich laut Wissenschaftlern nicht nur zum Kochen von Marmelade, sondern auch zur Wundbehandlung und zur Unterdrückung von Infektionen. Bei Brandwunden soll Zucker wahre Wunder wirken. Dort, wo die Antibiotika versagen, kommt Zucker mit Erfolg zum Einsatz, denn er macht diversen Bakterien und Pilzen den Garaus. Gegen die äußerliche Anwendung von Zucker scheinen die Wissenschaftler also keine Einwände zu haben, wohl aber gegen die innere. Wieso eigentlich und wie wirkt Zucker auf unseren Körper und Geist? Der Hang zum Süßen ist uns Menschen angeboren. Bereits im Fruchtwasser, welches ein Baby umgibt, ist viel Zucker enthalten und auch die Muttermilch ist mit sage und schreibe sieben Prozent Milchzucker süßer als jede Tiermilch. Süßes löst bei uns ein Gefühl von Wohlbehagen aus, weil seine Verarbeitung zur Ausschüttung des Glückshormons Serotonin führt. Außerdem haben die Menschen im Laufe der Evolution gelernt, dass sie bedenkenlos süße Beeren und Obst verzehren können, denn sobald eine Frucht süß schmeckt, signalisiert sie, dass sie nicht giftig ist.

Brot, Kartoffeln, Getreide und Hülsenfrüchte enthalten Stärke, die der Körper in Zucker umwandelt. Bei diesen Lebensmitteln sowie bei den Früchten und Beeren wird der darin enthaltene Zucker allerdings langsam freigesetzt und unser Körper hat ausreichend Zeit, auf die Zuckerzufuhr zu reagieren und den Zuckerhaushalt wieder zu normalisieren. Bei Kristallzucker jedoch wird die Produktion einer großen Menge von Insulin und Glucagon angeregt, da der Blutzuckerwert sofort rasant ansteigt und der Körper all seine Reserven aufbraucht, um ihn wieder auszugleichen. Vor allem Kalzium, Magnesium, Chrom, Vitamin B1 und andere wertvolle Vitamine und Spurenelemente werden aus dem Organismus ausgelaugt, um den Zucker zu neutralisieren. Mein Tipp wäre also - wenn Sie nun mal nicht auf den Genuss von Süßem verzichten können - und wer kann das schon heutzutage - dann sollten Sie unbedingt dafür sorgen, dass Sie ausreichend Vitamine und Mineralien zu sich nehmen, damit ihre Muskeln, Knochen und Zähne gesund bleiben.

Laut den Ernährungswissenschaftlern sollte Zucker nur zehn Prozent unserer täglichen Energiezufuhr ausmachen - das wären ca. 50 Gramm Zucker. Aber wir machen bei weitem nicht dabei halt. Mittlerweile steht fest: Zucker macht süchtig, denn er fördert die Bildung natürlicher Opiate, von denen unser Körper genauso abhängig werden kann wie von künstlichen Opiaten im Morphium oder Heroin. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir heutzutage solche Unmengen an Süßigkeiten verschlingen. Zucker ist allerdings nicht nur in gängigen Leckereien wie Kuchen, Schokolade, Drops oder Pralinen enthalten, sondern auch in Keksen, Instantsuppen, Soßen, Wurst, Konserven, Joghurt und selbst im Malzbier. Wenn man der Werbung Glauben schenken würde, sind Süßstoffe die gesunde Alternative zu Zucker, denn sie süßen, ohne dass wir uns Kalorien zuführen. Sie hinterlassen jedoch einen metallischen Nachgeschmack, stimulieren den Appetit und verursachen keine gute Laune, da sie nicht zur Produktion von Serotonin führen und uns sozusagen das Glücksgefühl nach dem Genuss von Süßem rauben. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass all diese Süßstoffe Produkte der chemischen Industrie sind. Man sagt ihnen nach, Krebs und andere Erkrankungen zu verursachen, deshalb würde ich Ihnen dringend von ihrem Konsum abraten. In den EU-Ländern sind bereits viele dieser Süßstoffe strikt verboten. Wenn Sie also Lust auf Süßes verspüren, essen Sie lieber ein Stück Schokolade oder etwas Honig.

Eine latente Gefahr für unsere Gesundheit bilden, wie bereits angedeutet, versteckte Zucker, die in fast allen Lebensmitteln enthalten sind. Wussten Sie zum Beispiel, dass in anderthalb Liter Cola 56 Würfel Zucker drin stecken? Ketchup und Senf bestehen bis zu einem Drittel aus Zucker, in 250 Gramm Leberwurst sind drei Stück Würfelzucker versteckt, in einem dreiviertel Liter Orangensaft sind ungefähr 25 Stück Zucker enthalten. Manche Kekse beinhalten in 400 Gramm 36 Würfel Zucker und überraschenderweise können sich in einer Kilo-Packung Müsli je nach Sorte bis zu 133 Würfel Zucker tummeln. Achten Sie also beim Einkauf von Lebensmitteln, was sie enthalten. Falls Sie dabei auf Nummer Sicher gehen wollen, sollten Sie sich die Faustregel merken - alle Bestandteile, deren Bezeichnung auf -ose endet, sind Zucker - beispielsweise Glucose, Fruktose, Maltose, Laktose.

In meiner Kindheit mochte ich besonders gern Zuckerrübensirup - diese gesunde und schmackhafte Leckerei wird aus Zuckerrüben hergestellt - sie werden zerkleinert, gekocht, der Saft wird herausgepresst und dann in stundenlangem Rühren eingedickt - es entsteht ein zäher, dunkelbrauner Brotaufstrich mit herrlichem Aroma. Seitdem es aber unsere Großeltern und auch Zuckerrüben nicht mehr gibt, gehört auch der Zuckerrübensirup unseren Kindheitserinnerungen an. Im Internet habe ich jedoch herausgefunden, dass er zumindest auf dem deutschen Markt angeboten wird. Dieses Produkt ist reich an Mineralien und Spurenelementen und somit würde ich es Ihnen als gesunde Alternative zum Zucker empfehlen, liebe Hörer, genau wie Honig, der unseren Körper mit zahlreichen Vitaminen, Mineralien und Enzymen beliefert. Eine weitere gesunde Alternative wäre Stevia - das sogenannte Honigblatt aus Paraguay, das im Begriff ist, den deutschen Markt zu erobern, so wie es in Japan schon 50 Prozent des Süßmittelmarktes erobert hat und bereits in diversen Süßigkeiten, Eiscremes, Diätgetränken etc. eingesetzt wird. Seit Jahrhunderten wird Stevia von den Indianern als Süß- und Heilmittel verwendet - es ist zehn- bis zwanzigmal süßer als Zucker, enthält viele wertvolle Elemente und ist sicherlich auch eine kleine Recherche von Ihrer Seite wert, liebe Freunde. Da uns aber die Sendezeit ausgeht, verabschiede ich mich von Ihnen mit der Empfehlung, bei Festen und im Alltag auf eine ausgewogene und gesunde Ernährung zu achten und zumindest auf süße Getränke unbedingt zu verzichten. Bleiben Sie uns gesund!

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По публикацията работи: Rossiza Radulowa


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