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Erstes Verfahren zur Amtsenthebung des Staatspräsidenten gescheitert

Gegen den Antrag stimmten die heute oppositionellen und früher regierenden Parteien Bulgarische sozialistische Partei und Bewegung für Rechte und Freiheiten
Foto: BTA
6 Stimmen reichten der Mehrheit des bulgarischen Parlamentes nicht aus, um dem Vorschlag der regierenden GERB-Partei, ein Verfahren zur Amtsenthebung des Staatspräsidenten Georgi Parwanow einzuleiten, zuzustimmen.

Anlass für dieses Ansinnen war die Veröffentlichung des Stenogramms eines Treffens des Staatsoberhauptes mit dem Vize-Regierungschef und Finanzminister Simeon Djankow, der letzterer nicht zugestimmt habe. Diese Tatsache wurde von den Regierenden und von sie unterstürzenden Parteien als Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte von Simeon Djankow gedeutet.

Die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens wurde von 155 Abgeordneten von GERB, der Blauen Koalition und der Partei „Attacke“ unterstützt. Erforderlich waren jedoch 161 Stimmen. Beim Einbringen des Antrages in die Volksversammlung gab es genug Unterstützung – 162 Stimmen. Gegen den Antrag stimmten die heute oppositionellen und früher regierenden Parteien Bulgarische sozialistische Partei und Bewegung für Rechte und Freiheiten. Der Antrag auf Amtsenthebung des Staatsoberhauptes kann laut Verfassung von mindestens einem Viertel der Abgeordneten eingebracht werden, für die Einleitung des Verfahrens sind mehr als zwei Drittel der 240 Abgeordneten notwendig. Die Einleitung des Verfahrens scheiterte wegen der Weigerung der kleinen Partei „Für Ordnung, Gesetz und Sicherheit“, deren Abgeordneten den Antrag unterschrieben hatten, aber zur Abstimmung im Plenum nicht erschienen sind. Damit konnte der erste Versuch der Amtsenthebung eines bulgarischen Präsidenten nicht bis zum Verfassungsgericht kommen und verlief als ein Austausch von Argumenten „für“ und „gegen“ den Staatspräsidenten und seine Rolle im politischen Leben.

„Mich bewegen hauptsächlich Themen, die mit der Wirtschaft Bulgariens zusammenhängen und der Möglichkeit für die bulgarischen Bürger besser, wohlhabender und mit besserer Lebensqualität leben können“, sagte Stojan Mawrodiew von GERB. „Offensichtlich wurde eine weitere Chance in den letzten 4 Jahren der Regierung der großen Koalition vergeudet, deren Architekt der Staatspräsident Georgi Parwanow war. Und das Kabinett Bojko Borissow trägt gegenwärtig weiter die schwere Last der Folgen dieser Regierung. Der Antrag auf Amtsenthebung des Staatsoberhauptes wurde durch eine Menge Verfassungstexte begründet, wie Artikel 32, Absatz 2, da Staatspräsident Georgi Parwanow ohne sein Einverständnis das Gespräch mit dem stellvertretenden Regierungschef ohne sein Einverständnis aufgezeichnet hat. Und das ist eine imperative Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte als bulgarischer Bürger. Das ist nur eines der zahlreichen Argumente in der Begründung des GERB-Antrages. So etwas ist unzulässig, um so mehr bei einem inoffiziellen Gespräch zur Klärung einer entstandenen Spannung und Streites wegen Medienauftritten, und nicht ein Kontakt zwischen Institutionen zur Lösung von Staatsfragen und –problemen. Das ist ein Überrest einer sehr schlechten Praxis der schlechtesten Traditionen des Repressionsapparates der Staatssicherheit. Das ist ein Risiko im Prinzip für jeden Bürger.“

„Politische Wertungen des Staatsoberhauptes werden nicht durch ein so schweres Verfahren, wie das der Amtsenthebung gemacht“, sagt Lütvi Mestan von der Bewegung für Rechte und Freiheiten. „Wenn wir bei jeder Meinungsverschiedenheit mit der einen oder anderen Institution ihr die Machtbefugnisse entziehen wollen, wo kämen wir dann hin? Natürlich ist die Diskussion über die verfassungsmäßigen Vollmachten des Staatspräsidenten zulässig, aber nicht durch das Verfahren der Amtsenthebung. Wir sind kategorisch der Meinung, dass es weder verfassungsmäßige, noch andere gesetzliche Gründe für diese Amtsenthebung gibt. Dieses Verfahren hat ganz andere Ziele. Es war kein Misstrauensvotum gegen den Präsidenten, sondern eher eine Vertrauensabstimmung für die Regierung, die in eine sehr schwere Lage gekommen ist, angesichts der Dynamik der Krise. Es gibt keinen schlechteren Verlauf, als eine Wirtschaftskrise, die in eine politische umschlägt. Die Regierenden sollten das größte Interesse an einem normalen Dialog zwischen den Institutionen unter den Bedingungen der Krise haben. Statt dessen wurde durch diesen Antrag auf Amtsenthebung auch das Parlament in die Krise hineingezogen, die bisher zwischen Staatspräsident und Vize-Regierungschef war.“

„Georgi Parwanow hat es nicht geschafft“, behauptet der Kovorsitzende der rechten Blauen Koalition Martin Dimitrow. „Er ist ein Vertreter der Staatssicherheit – eines der repressivsten Geheimdienste der kommunistischen Regime im Osteuropa. Und es ist wichtig, dass die Volksversammlung am Ende seines zweiten Mandats eine Einschätzung seiner Arbeit macht. Die Amtsenthebung hat etwas gemein mit der in den USA. Bill Clinton hat gelogen, dass nicht passiert ist, während etwas passiert war. Aber Georgi Parwanow hat meiner Meinung nach über viel wichtigere Dinge gelogen, wie, dass er kein Mitarbeiter der Staatssicherheit war.“

„Das ist eine innerpolitische Debatte in Bulgarien“, sagte der GERB-Europa-Abgeordnete Andrej Kowatschew. „Es zeigte sich, dass die bulgarischen Abgeordneten historisch gespalten sind. Die Linke und die rechte Mitte haben ein unterschiedliches Verständnis über den Ursprung der Probleme. Die Linken geben nicht zu, dass sie die Erstursache dafür sind, dass Bulgarien eines der ärmsten Länder in der Europäischen Union ist. Und Bulgarien befindet sich nun in dieser schweren wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage. Der Ursprung des Verbrechens, der illegalen Bereicherung war in der Bulgarischen kommunistischen Partei und ihren Agenten. Deswegen ist vom Gesichtpunkt der Demokratie jede Debatte sinnvoll, auch wenn die Amtsenthebung gescheitert ist. Und die Gesellschaft hat schon eine klare Vorstellung, wer wer ist in der Hierarchie, wer er zuvor war und für was ist er eingestanden. Gut, dass es durchgeführt wurde.“

Übersetzung: Vladimir Daskalov
По публикацията работи: Tatjana Obretenowa


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