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Baltschick oder was erzählen die junge Filmemacher

Kurz vor dem Beginn der Seminare.
Foto: Weneta Pawlowa

Zum achten mal in Folge treffen sich in der Schwarzmeerstadt Baltschick junge Kurzfilmautoren aus verschiedenen Ländern. Innerhalb einer Woche – vom 19. bis zum 26. Juni kamen nach Bulgarien Nachwuchsregisseure, Drehbuchautoren, Produzenten, Kameraleute, Dozenten, Musiker und andere kreative Menschen aus der Filmbranche. Auch Vertreter der älteren Generation sind dabei. Der Medienexperte und Dramaturg Iwo Draganow, Vorsitzender der Jury für Dokumentarproduktionen meinte dazu Folgendes:
„Das Interessante dieses Jahr ist, dass wir über 5000 Beiträge bekommen haben“, sagte er. „Davon wurden 243 im Programm aufgenommen. Das ist eine sehr große Auswahl. Ich war sehr neugierig, auch deswegen, weil sie von jungen Menschen getroffen wurde. Es wurden sehr mutige Beiträge gewählt. Ich muss sagen, dass dies sehr gute Arbeiten sind. Die Veranstalter haben es geschafft, auch bedeutende Persönlichkeiten aus der Filmwelt wie der britische Produzent Barry Hanson und viele andere für das Festival zu gewinnen. Natürlich drücken die Künstler durch ihre Werke ihre Sicht auf diese von Politikern und Finanzgurus total durcheinender gebrachte Welt. Und sie stellen auch viele Fragen“.
Nach Meinung von Iwo Draganow sind die Filme über die alternativen Jugendbewegungen wie Punk und andere, sehr bezeichnend für unsere Gesellschaft. Sie behandeln wichtige Themen wie Vorurteile und Toleranz. Diese Filme zeigen die positive Seite dieser Bewegungen und bauen eine andere Perspektive auf. Andere Projekte zeigen den Größenwahn einiger Unternehmen, die sich als Flop erwiesen haben. Eine Dokumentation der Journalistin Genka Schekerova hat die Probleme nach dem Erdbeben in Haiti zum Beispiel unter die Lupe genommen. Es werden viele Schicksale gezeigt und verschiedene Geschichten erzählt und zwar aus den Blickwinkeln unterschiedlicher Kulturen und Traditionen. Im Programm gab es viele einheimische Dokumentartitel, die nach Meinung von Iwo Draganow, den ausländischen Produktionen im Nichts nachstehen. Was die Spielfilme betrifft, gab es auch eine sehr breite Palette von Komödien wie die australische Produktion „Kupid“, in der der Leibesgott selbst von seinen Pfeilen getroffen wird. Oder der unwiderstehliche „Entenzug“ des jungen spanischen Filmemacher Koldo Almandos, in dem der Autor sich mit der Vorliebe vieler großen Regisseure für Enten befasst. Darunter auch Kusturica und Roman Polanski. Andere Filme sind eine Warnung an die Probleme, die die Menschheit verursacht. Wie zum Beispiel die Antiutopie „Wolkenjäger“ des slowenischen Autors Miha Knific, in der ein Bild der Erde ohne Wasser aus dem Jahr 2147 gezeigt wird.
Auch gesellschaftliche, Familien und Generationsprobleme werden in den Werken der jungen Filmemacher gezeigt. Professor Laurentiu Damian aus der Nationalen Film- und Theaterakademie in Bukarest meinte dazu Folgendes:
„Ich kam nach Baltschick direkt von Tel Aviv und kann daher beide Festivals unmittelbar miteinander vergleichen“, sagt der Regisseur. „In Israel sind die Filmschulen daran beteiligt. Hier sind nicht nur Studenten und Absolventen der Filmakademie, sondern auch junge und etwas ältere Filmemacher vertreten. Ich denke, dass der Akzent hier bei den innovativen Ausdrucksmitteln liegt. Es wird ein gemischtes Bild der Genres und der Mittel dargestellt. Es werden Dokumentar- und Spielfilme sowie Zeichentrick und Videoart vermischt. Das ist die aktuelle Tendenz weltweit, daher bin ich sehr froh darüber, dass ein Festival wie dieses in Osteuropa existiert“.
Unter den jungen Künstlern beim Festival war auch die iranische Zeichentrickautorin Maryam Bayani. Ihr Werk „The Pottery’s Tale“ handelt vom Reichtum der Farben der Thongefäßen aus verschiedenen Regionen des Landes, die ihre eigene Dynamik entwickelt haben.
„Das ist ein Film über prähistorische Motive“, sagte die Regisseurin. „Ich habe etwa 165 davon gesammelt, darunter sind Menschen- und Tierfiguren, Pflanzen und Erdedarstellungen. Sie sind sehr unterschiedlich und zeigen die Verbindung zu anderen Weltkulturen“.
Wie sieht die Situation der jungen Filmemacher in Bulgarien momentan. Fünf Millionen Euro stehen in diesem Jahr für die Förderung bulgarischer Filmproduktionen zur Verfügung. Dies ist vergleichsweise viel Geld. Und so sorgt sich die Filmbranche zurzeit vor allem darum, dass es möglicherweise zu wenig Interesse am Vertrieb der einheimischen Filme geben könnte. Nun will man auch eine eigene Filmakademie zur Förderung der Branche gründen. Wie sieht die Situation aus Sicht der jungen Nachwuchstalente aus?
Deljan Georgiew ist Kameramann und hat bislang einige Kurzfilme gedreht. Über seine Berufschancen sagt er:
"Noch während des Studiums mussten wir uns entscheiden, ob wir künftig für das Kino oder für das Fernsehen arbeiten möchten. Beim Fernsehen gibt es natürlich viel mehr Arbeit. Ich persönlich will Kinofilme drehen, aber das ist in Bulgarien sehr schwierig, weil wir im Vergleich zu anderen Ländern eine viel kleinere Filmproduktion haben. Außerdem ist es viel einfacher beim Film als Kameraassistent und nicht als Kameramann mitzuwirken. Wenn man selbständig arbeiten will, muss man sich um kleinere unabhängige Produktionen bemühen, denn meiner Meinung nach werden die Subventionen des Nationalen Filmzentrums nur an Leute vergeben, die mit den Produzenten gut befreundet sind, was den jungen Menschen nicht viele Chancen lässt".

© Foto: Weneta Pawlowa
Konzert- und Tanzveranstaltungen gehören zum Programm des Festivals.

Eine Möglichkeit für die jungen Talente Bulgariens, ihre Werke bekannter zu machen sind die europäischen Filmfestivals, darunter spielt das Filmfest in Oberhausen eine wichtige Rolle, weil es besonders auf Erstlingswerke ausgerichtet ist. Ansonsten versuchen die jungen Filmemacher sich nicht nur auf ihrem Fachgebiet zu betätigen, sondern schreiben zum Beispiel an Drehbüchern mit, helfen bei der Gesamtproduktion und bei der Suche nach Fördermitteln. Was die Zukunft betrifft, ist Kameramann Deljan Georgiew in Maßen optimistisch:
"Zumindest hat man durch die neuen Technologien das Gefühl, selbst mehr bewirken zu können, man kann mit weniger Mitteln sogar bessere Filme als früher machen. Ansonsten verlasse ich mich in den kommenden 10 bis 15 Jahren nicht auf staatliche Subventionen. Was die gemeinsamen europäischen Koproduktionen betrifft, denke ich, dass man viel eingeschränkter ist, weil man mit vielen unbekannten Menschen arbeitet und ihre Methoden nicht kennt. Bei den einheimischen Produktionen ist man freier, zumindest bei den Kinofilmen".
Petja Gantschewa studiert Zeichentrickfilm im achten Semester an der Neuen bulgarischen Universität . Über ihre berufliche Zukunft sagt sie:
"Speziell in Bulgarien kann man nicht sehr viel im Bereich der Zeichentrickfilme machen. Einige Studios arbeiten zwar mit Studenten, aber das Niveau ist nicht zufrieden stellend. Deswegen gehen die meisten Kollegen nach dem Studium in die Werbung. Sie machen die so genannten bewegten Grafiken, die sehr viel in der 3D Animation und in Videospielen angewandt werden. Ich persönlich habe noch keine gemeinsamen Projekte mit anderen europäischen Kollegen gehabt, was ich sehr schade finde. Aber, trotz allem, bin ich doch auch etwas optimistisch, was die Zukunft des bulgarischen Zeichentrickfilms betrifft, weil er nämlich eine gute Tradition hat, übrigens auch auf Filmfestivals".

Übersetzung: Milkana Dehler

По публикацията работиха: Weneta Pawlowa, Milkana Dehler


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