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Protestpotential in Bulgarien wächst

Die oppositionellen Parteien werden laut Soziologen versuchen, die wachsende Unzufriedenheit für den Aufbau einer Einheitsfront gegen die Regierung zu nutzen.
Foto: BGNES
Die politische Herbstsaison begann in Bulgarien mit zwei auf den ersten Blick widersprüchlichen öffentlichen Einstellungen. Einerseits bleibt die Zustimmung für die regierende GERB-Partei und ihren Führer, den Premierminister Bojko Borissow weiterhin bemerkenswert hoch. Andererseits setzt sich das Gefühl eines wachsenden Protestpotentials in der Gesellschaft durch. Die Gewerkschaften, die mit den vorbereiteten Änderungen im Rentensystem unzufrieden sind, bereiten sich auf Massenproteste Anfang Oktober vor. Auch die Beschäftigten im Gesundheitssystem kündigten Proteste wegen der unzureichenden Finanzierung der Krankenhäuser und anderer Unzulänglichkeiten im Gesundheitssystem an.

Laut dem Politologen Antoni Galabow gebe es ein sich verstärkendes Gefühl für Schwierigkeiten, die uns in diesem Winter bevorstehen, ein Gefühl der Unsicherheit im Alltagsleben, vor allem im Zusammenhang mit den begrenzten Finanzen der privaten Haushalte. „Das potentielle Risiko den Arbeitsplatz zu verlieren heizt weiter die Stimmung an, wegen der begrenzten Qualifizierungsmöglichkeiten, die schwerfälligen Strukturen des Arbeitsmarktes, der den entlassenen Menschen keine Arbeit anbieten kann. Außerdem gibt es auch die Enttäuschung wegen der angekündigten Reformvorhaben im verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens, die keine reale Ergebnisse gebracht haben.“

Die oppositionellen Parteien werden laut dem Soziologen versuchen die wachsende Unzufriedenheit für den Aufbau einer Einheitsfront gegen die Regierung zu nutzen, obwohl es wenig Aussichten auf Erfolg gibt. „Sie werden versuchen alle sozialen Proteste gegen die Person des Finanzministers Djankow auszurichten, dessen restriktive Politik Spannung in einigen empfindlichen Bereichen des öffentlichen Lebens erzeugt“, lautet die Prognose von Antoni Galabow.

Eine der Erklärungen für den scheinbaren Widerspruch zwischen dem bestehenden hohen Vertrauen zum Regierungschef Bojko Borisow und seine GERB-Partei einerseits und der wachsenden Spannung und sozialen Unzufriedenheit andererseits sei in der Taktik der „Bauernopfer“ des Premierministers durch das regelmäßige Auswachseln von hohen staatlichen Angestellten zu suchen. Dieses Verhalten ist neu im bulgarischen politischen Leben und ist bringt bestimmt Pluspunkte.

„Die GERB-Partei hat einer großen Zahl ihrer Leute das Vertrauen entzogen“, erklärt Antoni Galabow. „In einer relativ kurzen Frist hat sich das als ständige Taktik etabliert. Es hat sich die Art verändert, in der die Menschen die Regierung empfinden und diese Praxis ist zu einem wichtigen Faktor beim Aufbau der öffentlichen Erwartungen gegenüber der Regierung geworden.“

Die wachsende Protesteinstellung besitzt laut Antoni Galabow nicht das Potential zur produktiven Korrektur der Regierung. „Das ist nicht der Typ der produktiven sozialen Spannung, nicht der Druck zur Verbesserung der Effektivität oder zur Erneuerung der Produktion. Im Gegenteil, dieser Typ von Protesten versucht das Status Quo beizubehalten, sogar die öffentlichen Ausgaben in einer Reihe von Bereichen zu erhöhen. Das ist aber absolut unangebracht in einer Krise. Jede Erhöhung der öffentlichen Ausgaben heute wirkt sich gegen die Interessen des Landes aus. So kommen wir gefährlich nah an den griechischen Fall und das darf nicht sein. Wir haben Beispiele wie Griechenland und Rumänien, die wegen des sozialen Drucks die Reformen aufgeschoben haben. Das hat sie weit von einem Zustand entfernt, der günstig für das Krisenmanagement ist.“

Übersetzung: Vladimir Daskalov
По публикацията работи: Maria Dimitrowa


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