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Finanzstabilitätspakt soll Weg in die Eurozone ebnen

„Die Eurozone baut auf einem ähnlichen Pakt auf, der bestimmte Vorgehensweisen der nationalen Regierungen beschränkt", sagt der Makroökonom Latschesar Bogdanow von Industry Watch.
Foto: Tanja Harisanowa
Bevor sich Bulgarien erneut um einen Beitritt zur Eurozone bemüht, müsse das Land ein Haushaltsdefizit unter der von der Europäischen Union festgelegten Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nachweisen. Diesen Standpunkt vertrat Finanzminister Simeon Djankow, der ein Maßnahmenpaket für mehr Finanzdisziplin vorstellte, auch Finanzstabilitätspakt genannt. Dieser muss nun vom Parlament gebilligt und in die Verfassung aufgenommen werden. Das Projekt selbst könnte bis Jahresende verabschiedet werden. Im nächsten Jahr könnte sich Bulgarien erneut um den Beitritt zum Warteraum der Eurozone - dem Währungsmechanismus ERM2 bewerben. Seine Forderung nach Änderungen im Grundgesetz begründete Djankow damit, dass die EU-Kommission sowie die Europäische Zentralbank der Beitrittsbewerbung Bulgariens zum ERM2-Mechanismus bisher misstrauisch gegenübergestanden hätten. Nach dem Beitritt zur Eurozone, so die Argumente, bestehe die Gefahr, dass Bulgarien seine strenge Finanzdisziplin lockern und damit Griechenland folgen könnte.

Was stellt der Finanzstabilitätspakt dar? Dabei handelt es sich um drei Maßnahmen zur Einhaltung einer strikten Finanzdisziplin, denen sich die Finanzpolitik einer jeden Regierung unterordnen muss – und zwar soll kraft der Verfassung das Haushaltsdefizit auf unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes fixiert- sowie eine Obergrenze der Staatskosten festgelegt werden. Zudem sollen die direkten Steuern künftig nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament angehoben werden können. Und die Staatsschulden sollen 40 Prozent des BIPs nicht überschreiten. Laut Finanzminister Simeon Djankow erleichtern diese Maßnahmen Bulgarien den Weg in die Eurozone, da das Land so „unter Beweis stellt, dass die derzeitige Fiskaldisziplin keine Eintagsfliege ist.“

„Das ist ein politischer Schachzug, der der Wirtschafts- vor allem aber der Fiskalpolitik der Regierung mehr Vertrauen bringen wird“, kommentiert der Makroökonom Latschesar Bogdanow von Industry Watch. „Die Eurozone baut auf einem ähnlichen Pakt auf, der bestimmte Vorgehensweisen der nationalen Regierungen beschränkt. Leider sind wir im letzten Jahrzehnt Zeugen geworden, dass eine Reihe von Ländern diesen Pakt gebrochen haben und genau diese Länder stark unter der Krise gelitten haben. Wenn es also keine andere vertrauensbildende Möglichkeit gibt, ist dies ein guter Schachzug und in jedem Fall besser als keine Strategie.“

Bei einer Aufnahme des Finanzstabilitätspakts in die Verfassung wäre Bulgarien nach Deutschland das zweite EU-Land, das Finanzgrenzen über das Grundgesetz auferlegt.

„Das ist eine Frage der Rechtspraktiken. Wir haben den Währungsrat ohne Änderungen in das Grundgesetz aufgenommen und diese 1997 eingeführten Vorschriften haben bisher gute Ergebnisse gezeigt“, kommentiert Latschesar Bogdanow das Vorhaben der Regierung. “Von Bedeutung ist, dass damit jegliche Versuche künftiger Regierungen unterbunden werden sollen, die Staatsschulden und Staatskosten grenzenlos auszuweiten und damit die makrowirtschaftliche Stabilität zu gefährden. Die Alternative wäre ein politisches System, in dem die alle vier Jahre gewählte Regierung ausreichend Besonnenheit an den Tag legt, um die Finanzstabilität des Landes nicht zu gefährden.“

Nach Ansicht von Finanzminister Simeon Djankow sei dies der sicherste Weg in die Eurozone.

„Was die Eurozone betrifft, muss eins klar sein – mit Versprechungen alleine kommt man hier nicht weiter“, ist der Makroökonom Latschesar Bogdanow überzeugt. „Zuerst muss natürlich ein politischer Mechanismus geschaffen werden, der Finanzstabilität und Haushaltsdisziplin gewährleistet. Zudem muss dieser Pakt eindeutig formuliert werden, so dass es für die Regierungen keine Hintertürchen gibt. Und genau dieses Risiko ängstigt diejenigen, die kein Vertrauen in die bulgarische Fiskaldisziplin haben und daran zweifeln, dass das Land ein diszipliniertes Eurozonenmitglied sein kann. Übrigens zeigt die Erfahrung mit Staaten wie Griechenland, dass diese Zweifel berechtigt sind. Heute muss man die Sache aufmerksamer angehen als vor zehn Jahren, als der Euro ins Leben gerufen wurde.“

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Tanja Harisanowa


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