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Soziale Spannungen nehmen zu

Die bulgarischen Eisenbahner streiken seit fast einer Woche.
Foto: BGNES
Die sozialen Spannungen im Land nehmen zu. Eisenbahner, Landwirte und Polizisten bringen ihren Unmut zum Ausdruck. Am 30. November organisieren die Gewerkschaftsverbände KNSB und KT Podkrepa einen landesweiten Protest gegen die Änderungen bei der vorab vereinbarten Rentenreform und den zusammengebrochenen sozialen Dialog.

Seit fast einer Woche streiken die bulgarischen Eisenbahner. Alltäglich von 8:00 bis 16:00 Uhr stehen 80 Prozent der Züge still. Die Protestmeetings finden an den Hauptbahnhöfen statt, die Reisenden müssen auf andere Verkehrsmittel ausweichen. Der Anlass für die Proteste der Eisenbahner sind die von der Chefetage der Bulgarischen Staatsbahn geplanten Radikalmaßnahmen, um das stark verschuldete Unternehmen zu gesunden. Diese sehen den Abbau von 2.000 Stellen, die Stilllegung von 138 Zügen sowie die Anhebung der Preise für den Personenverkehr vor. Laut Eisenbahnergewerkschaft werde die Umsetzung dieser Maßnahmen wohl kaum die Probleme des Unternehmens lösen und könnte andererseits das Leben der Reisenden gefährden. Mehr noch, der mit der Weltbank vereinbarte Kreditvertrag zur Modernisierung der Staatsbahn sieht keinerlei derartige Maßnahmen vor. Laut Eisenbahnern sei das Problem nur über Einnahmen aus steigenden Passagier- und Güterzahlen zu lösen. Und gerade hier, so die Eisenbahner, gäbe es eine Reihe von Schwachstellen. Gegen Ende der Woche will sich Verkehrsminister Iwajlo Moskowski mit den Kreditgebern des Unternehmens zusammensetzen und versuchen, die Abzahlung der für den Kauf deutscher Triebwagen aufgenommenen Kredite zu stunden.

Der Anlass für den nationalen Protest der beiden größten Gewerkschaftsverbände des Landes am 30. November ist der gestörte soziale Dialog sowie die von der Regierung geplanten Änderungen im Rentenmodell des Landes, einschließlich einer abrupten Anhebung des Renteneintrittsalter für alle Beschäftigtenkategorien. Die Novellen wurden in Umgehung des Nationalrates für trilaterale Zusammenarbeit beschlossen, dem Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierung angehören. Da die Novellen ohne vorherige Erörterung im Nationalrat für dreiseitige Zusammenarbeit ins Parlament eingebracht wurden, kündigten die Gewerkschaften kurzerhand ihre Beteiligung am Dreiergremium auf. Ende 2010 hatte Bulgarien seine Rentenreform angeschoben. Man einigte sich auf eine allmähliche Anhebung der Beitragsjahre um vier Monate pro Jahr ab 2012 sowie des Renteneintrittsalters ab 2021. Die Beschleunigung der Reform mache sich, so die Regierung, infolge der ausgeprägt negativen demografischen Prozesse im Land sowie des Etatdefizits der Staatlichen Krankenkasse NOI erforderlich. Diese Maßnahme öffne jedoch auch den Weg für eine Anhebung der Renten, verlautete die Regierung.

Plamen Dimitrow, Präsident des Verbandes der unabhängigen Gewerkschaften Bulgariens KNSB, ist da anderer Meinung. "Wir sind sehr überrascht, dass ein normaler Dialog nicht möglich ist. Der Gewerkschaftsverband KNSB hat sich bis auf weiteres aus dem Dreiergremium zurückgezogen, d.h. bis dieser Entwurf aus dem Parlament zurückgezogen und vernünftig mit uns diskutiert und ausgehandelt wird."

Dem Protest am 30. November schließt sich zudem die Polizeigewerkschaft an. Auch diese ist gegen die akute Anhebung des Renteneintrittsalters ab 2012 um ein Jahr, nachdem Ende 2010 bereits für die Beschäftigtenkategorie, der die Bediensteten des Innenministeriums angehören, die jährliche Erhöhung des Dienstalters um vier Monate beschlossen wurde. "Wir sind gegen diese Reform und die Art der Entscheidungsnahme seitens der Regierung", verlautete die Polizeigewerkschaft. Für Polizisten, die einen Anspruch auf vorzeitige Pensionierung haben, sollen die obligatorischen Dienstjahre von 25 auf 27 angehoben werden.

© Foto: BTA

Grund für den Unmut der Landwirte ist die erste Lesung des Haushaltsplanes für das kommende Jahr.

Seit dem 28. November protestieren zudem die Getreideproduzenten, indem sie mit ihren Traktoren die Straßen zu Grenzübergängen des Landes blockieren. Grund für den Unmut der Landwirte ist die erste Lesung des Haushaltsplanes für das kommende Jahr. Dieser sieht rund 135 Millionen Euro weniger Kofinanzierungsmittel für landwirtschaftliche Nutzflächen vor. Damit, so die Getreideproduzenten, werde der von der Regierung und dem Verband der Landwirte im September, einen Monat vor den Präsidentschafts- und Kommunalwahlen, vereinbarte Finanzrahmen für 2012 verletzt. Dieser sah rund 285 Millionen Euro Fördermittel zur Kofinanzierung aus dem Staatsetat vor. Laut Agrarminister Miroslaw Naidenow würden 2012 neben den Getreideproduzenten erstmals auch die Viehzüchter sowie die Obst- und Gemüsebauern finanziell unterstützt. Da, so Minister Naidenow, der Staat den Anbau von Getreide subventioniere, das dann von den Landwirten ins Ausland exportiert werde, wogegen die Bulgaren teures Fleisch und Obst kaufen würden, für das keine Subventionen gezahlt werden.

Übersetzung: Christine Christov
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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