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Bulgarien und Schengen – Versuch einer Analyse

Im Auftrag unseres Hörers Jean-Francois Meile aus Ars sur Moselle fragten wir den Analytiker Marin Lesenski vom Institut „Offene Gesellschaft“, wie die Einstellung der Bulgaren gegenüber der Mitgliedschaft unseres Landes im Schengener Raum ist. Bulgarien erfüllte alle technischen Anforderungen dafür im April 2011, aber der Beitritt wurde wegen des Einspruches von Holland auf 2012 verschoben.

„Das Thema Schengen interessiert die Bulgaren besonders“, sagt Marin Lesenski. „Es gehört zu den außenpolitischen Prioritäten der neuen Regierung, die 2009 an die Macht kam. Aus unseren Studien verschiedener Jahre ist ersichtlich, dass die Bulgaren die Mitgliedschaft Bulgariens in der Zone stark befürworten. Es sind zwei Drittel nach unseren jüngsten Daten aus dem Jahre 2011. 60 % von ihnen sehen den Hauptgrund in der freieren Bewegungsmöglichkeit und der Rest – in der Öffnung der Grenzen und dem Wegfall der Grenzkontrolle der bulgarischen Nachbarländer, wohin die Bulgaren offensichtlich oft reisen. Aber es gibt auch eine Reihe von Bulgaren, die keine Meinung in der Frage haben oder sich in ihr nicht auskennen. Und es gibt 12 %, die skeptisch gegenüber einem Beitritt zum Schengener Raum eingestellt sind, auch wenn sie für den Beitritt sind. Als mögliche Gefahren werden die illegale Immigration und Bedrohungen der bulgarischen nationalen Sicherheit genannt.“

Bulgarien sollte 2011 dem Schengener Raum beitreten, aber der Beitritt wurde verschoben. Hat sich das auf die Einstellung der Bulgaren gegenüber Schengen ausgewirkt?

„Ich verfüge über keine konkreten Daten, aber ich vermute, dass sie das skeptischer gegenüber der Schengenmitgliedschaft gemacht hat“, sagt Marin Lesenski. „Aus den einige Monate zurück liegenden Studien sind zwei Sachen ersichtlich. Die Bulgaren haben die Verschiebung des Beitrittes erwartet, d.h., sie haben nicht so negativ auf diese Entscheidung reagiert. Die Gründe dafür sehen sie in nationalistischen und Antieinwandererparteien, vor allem in Holland und Finnland, die am stärksten gegenüber uns eingestellt waren. Die bulgarische Regierung wurde andererseits ein wenig skeptischer. So, dass der Schengenbeitritt nicht so sehr zur öffentlichen Priorität erklärt wird. Die Aufgabe bleibt, aber an nicht so vorderer Stelle auf der Tagesordnung. Deswegen werden die Bulgaren wahrscheinlich weiterhin ein hohes Vertrauen und Zustimmung für unsere Schengenmitgliedschaft haben. Aber das wird nicht die wichtigste Frage für sie sein. D.h., wir können einen kleinen Rückgang des Vertrauens erwarten, aber einen nicht zu großen. Das kann man auch durch die Tatsache erklären, dass die Bulgaren nicht mehr so viel reisen, wie zuvor, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen.“

Wird sich die Verschiebung des Schengenbeitrittes auf die Lage im Land auswirken, insofern die Korruption und das Verbrechen als Gründe dafür genannt werden?

„Ich denke, dass ja. Eigentlich wurde die Verschiebung der Schengenmitgliedschaft inoffiziell durch das Monitoringverfahren zur Einschätzung der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption bei uns begründet. Falls Bulgarien Schengen beitreten möchte, muss die Regierung unweigerlich mit diesen Problemen fertig werden. 55 % der Bulgaren sehen die Gründe für die Verschiebung unseres Schengenbeitrittes in dem Scheitern der Bekämpfung der Korruption, des organisierten Verbrechens und der Gerichtsreform. D.h., es gibt große Erwartungen, dass die Regierung ihre Arbeit macht. Der Schengenbeitritt ist nicht nur ein Wunsch des Landes, sondern auch seine Verpflichtung, die es mit dem EU-Beitritt übernommen hat. Und auch für Bulgarien ist es besser, schneller der Zone beizutreten. Denn es funktioniert de facto auch jetzt als Außengrenze der Europäischen Union mit allen Lasten und Nachteilen und muss die Immigration aufhalten, aber die Bulgaren können von den Vorzügen des freieren Reisens im Rahmen des Schengener Raumes nicht Gebrauch machen.“

Die politische Entscheidung über den Schengenbeitritt wird im März erwartet. Und wenn nicht – gibt es einen Ausweg aus dieser Situation?

„Das große Problem ist in diesem Monitoringverfahren der Europäischen Kommission zur Einschätzung der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und der Korruption für Bulgarien. Es misst nicht klar, die Einschätzungen sind ziemlich subjektiv. Und wenn ein Land – heute ist es Holland, aber es könnte auch ein anderes sein, meint, dass Bulgarien den Anforderungen nicht genügt – wir können machen, was wir wollen, das wird nicht berücksichtigt. Deswegen kämpfen Bulgarien und seine Verbündeten für ein Minimalprogramm – dem etappenweise Schengenbeitritt. Erstens, der Wegfall der Zollkontrollen an den Flughäfen und Seehäfen, dann – auch den Landgrenzen. Aber die Vertagung bleibt sonderbar, die Studien zeigen, dass es kein großes Migrationpotential aus Bulgarien nach Westeuropa gibt, das wegen der Krise nicht mehr so attraktiv ist. Unsere EU-Partner brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass sie von einer Auswandererwelle aus Bulgarien überrollt werden. Eher umgekehrt. Und unser Land hält seit über einem Jahr die illegale Einwanderung in die Europäische Union auf, um zu zeigen, dass man sich auf uns verlassen kann. Aber die Schengen-Entscheidung ist eine Frage des politischen Willens aller in der Europäischen Union.“

Übersetzung: Vladimir Daskalov
По публикацията работи: Tatjana Obretenowa


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