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Auf den Spuren der bulgarischen Weingeschichte

Foto: Privat
In der nordbulgarischen Stadt Plewen befindet sich eines der wenigen Weinmuseen der Welt. Gelegen ist das 2008 gegründete Museum in einer Höhle im Kajlaka-Park von Plewen, der Stadt, die mit der Entscheidungsschlacht im Russisch-Türkischen Befreiungskrieg von 1877-78 in die Geschichte einging. Die Höhlengalerien beherbergen über 12.000 Flaschen bulgarischer Weine aus allen Regionen des Landes. Zudem befindet sich hier die landesweit größte Sammlung alter Weine – hier schlummern 7.000 Flaschen 30- bis 100jähriger Lagerweine. Das Museum erzählt die Weingeschichte unserer Breiten, die im Grunde genommen weitestgehend mit der Weingeschichte an sich zusammenfällt.

Warum steht ausgerechnet in Bulgarien eines der wenigen Weinmuseen der Welt? Ganz einfach, weil unsere Landen übersät sind mit Zeugnissen der altertümlichen Geschichte dieses zauberhaften Trankes. In der Antike waren die Thraker für ihre hervorragenden Weine berühmt. In seiner Ilias erzählt Homer, wie weinbeladene Schiffe aus Thrakien nahe dem griechischen Lager vor den Toren von Troja anlegten. Auch Aristoteles erwähnt im IV. Jahrhundert v. Chr. die legendären Weine aus Thrakien, die so dickflüssig gewesen seien, dass man sie mit Wasser habe verdünnen müssen. Übrigens tranken in der Antike nur die Thraker unverdünnten Wein. Für sie war der Wein heilig. Der erste bekannte Weingott namens Zagrej, der auch als Sonnengott verehrt wurde, stammt namentlich aus dem thrakischen Pantheon.

„Im Grunde genommen kommt dem Wein in der thrakischen Kultur und Religion ein zentraler Stellenwert zu – erzählt die Chefin des Plewener Weinmuseums Tanja Nikolowa. -Der erste Weingott war der thrakische Zagrej, auch wenn seine Nachfolger Dionysos und Bacchus um etliches bekannter sind. Ihre Becher leerend, glaubten die Thraker, der Weingott vergnüge sich in ihrer Seele, weswegen sie glücklich seien und zu singen und tanzen begännen. Ihr Elixier tranken sie aus herrlichen Gefäßen. Auch sind die Thraker die Pioniere der Assemblage, d.h. des Mischens verschiedener Weine. Davon zeugt der Goldschatz von Waltschitran, der u. a ein dreiteiliges Gefäß aus blattförmigen Schalen enthält, die offensichtlich mit verschiedenen Weinen gefüllt wurden. In diesem Gefäß wurde bei kultischen Zeremonien wahrscheinlich der Trank kredenzt. Die gesamte thrakische Kultur drehte sich um den Wein, weswegen es undenkbar ist, über die Thraker zu sprechen ohne dabei auf den Wein zu kommen.“

Unzählige kunstvolle Weingefäße, meist aus Silber und Gold, wurden in den zahlreichen Thrakergräbern unserer Breiten freigelegt. Der bekannteste Fund ist der Goldschatz von Panagjurischte, der über 20 Jahrhunderte im Boden schlummerte. Die Verbundenheit und das Geschick der thrakischen Winzer wurde an die Slawen und Protobulgaren weitergegeben, die gemeinsam mit den Thrakern das bulgarische Ethnos formieren. Von der weiten Verbreitung des Weines im Mittelalter kunden die berüchtigten Gesetze von Khan Krum, die u.a. schwere Strafen für Trunkenheit vorsahen. Eine interessante Tatsache ist, dass im Mittelalter die Fähigkeit zur langfristigen Weinlagerung verloren ging. Häufig wurde der Wein sauer, weswegen Jungweine teuerer waren als Lagerweine, behaupten die Historiker. Auch während der osmanischen Fremdherrschaft (Ende 14.- 19. Jahrhundert) pflegten die Bulgaren ihre Winzer- und Weinbautraditionen. Das ist u.a. darauf zurückzuführen, dass es ihnen gelang, ihre Religion zu wahren, in der der Wein ein wichtiges Symbol für das vergossene Blut Christi ist. Nach der Befreiung Bulgariens vom osmanischen Joch erleben die bulgarischen Weinbautraditionen einen erneuten Aufschwung. Neue moderne Technologien aus Westeuropa halten Einzug.


Der Goldschatz von Panagjurischte

"Die moderne Weingeschichte Bulgariens nimmt 1890 mit der Gründung der ersten bulgarischen Berufsschule für Winzer und Weinbauern in Plewen ihren Anfang. 1902 entsteht in Plewen die erste moderne Weinkellerei der Balkanhalbinsel. Auch wird hier die Staatliche Versuchsstation für Winzerei und Weinbau eingerichtet, die 1903 in das weltweit fünfte Weinbauinstitut übergeht. Bis heute gibt es lediglich vier derartige Einrichtungen – in Russland (1828), Italien (1972), Frankreich (1874) und Ungarn (1898). Es folgt die Aufnahme des Landes in die Kammer der Qualitätsweinproduzenten und Exporteure in Paris."


© Foto: Privat

In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entstehen in Bulgarien große Weingüter. Zu nennen seien Plewen, Lowetsch und Suhindol in Nordbulgarien sowie Plowdiw, Pazardschik, Sliwen, Stara Zagora, Tschirpan und Melnik in Südbulgarien. Darüber hinaus schließen sich Winzer und Weinbauern nach französischem Vorbild zu freiwilligen Agrargenossenschaften zusammen. Auf den alljährlichen Weltausstellungen der Völker ausgangs des 19. Jahrhunderts ist Bulgarien erfolgreich mit zwei Produkten vertreten – Rosenöl und Wein. In den Jahren des Kommunismus nach den Zweiten Weltkrieg etablieren sich die bulgarischen Weine im gesamten sozialistischen Lager. Allerdings orientiert man sich auf Tafelweine für die Massen. In dieser Zeit büßt Bulgarien seine zuvor errungenen Marktpositionen in Westeuropa ein. Erst in den 1980er Jahren öffnet sich Bulgarien erneut für diese Märkte und kann sich in Großbritannien, Deutschland – ja sogar in Japan etablieren. Nach dem Fall der Berliner Mauer erlebt die Weinbranche einen Einbruch, was vor allem auf den Misserfolg der Agrarreform, die Privatisierung der Großkellereien aus der kommunistischen Ära und die wirtschaftlichen Erschütterungen im Zuge des Übergangs zur Marktwirtschaft zurückzuführen ist. Erst eingangs des 21. Jahrhunderts beginnt sich der bulgarische Weinbau zu erholen und seine Märkte zurückzugewinnen. Allerdings bekommt auch die bulgarische Weinbranche die Auswirkungen der globalen Rezession zu spüren. Der neue Trend geht in Richtung kleiner Boutique-Kellereien mit international preisgekrönten Spitzenweinen, die den Ruhm der einheimischen Weine fortsetzen. Besondere Aufmerksamkeit schenken die bulgarischen Weinbauern der Wiederbelebung traditioneller einheimischer Rebsorten wie Mavrud, Breite Melniker Rebe, Pamid, Sliwenska Schefka, Rubin, Dimyat und Misket. Verbreitet angebaut werden aber auch gängige französische Rebsorten wie Cabernet, Merlot, Muskat Ottonel, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Traminer u.a. Im Süden gelegen, bringen die bulgarischen Reben Trauben mit hohem Zuckergehalt und vollmundigen Aromen hervor.


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Laut EU-Kriterien gibt es in Bulgarien lediglich zwei Weinbauregionen – das nördliche Weinbaugebiet an der Donau und das Thrakische Weinbaugebiet im Süden, die durch das Balkangebirge getrennt sind. Traditionell unterscheidet man in Bulgarien jedoch fünf kleinere Weinbauregionen mit spezifischen klimatischen Besonderheiten, die dementsprechend verschiedene Weine hervorbringen. Im Weinmuseum von Plewen sind die typischsten Weinsorten regional geordnet. Diese lagern um einen riesengroßen massiven Holztisch für Verkostungen – ein unverkennbarer Fingerzeig auf die legendäre Tafelrunde.


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Für Museumschefin Tanja Nikolowa haben zwei traditionelle einheimische Rebsorten enormes Weltmarktpotential. Zum einen die Breite Melniker Rebe, die in der Grenzregion zu Griechenland angebaut wird und einen der Lieblingsweine von Churchill hervorbringt – den Melniker Wein. Wie allgemein bekannt, orderte der britische Premier alljährlich 800 Liter dieses Rotweins aus dem Süden. Eine weitere sehr perspektivreiche Rebsorte ist der Mavrud, die nur im Raum Asenovgrad, ebenfalls im Süden des Landes, gedeiht. Der Wein aus dieser Rebsorte verfügt über ein außergewöhnliches Lagerpotential.
„Die Rebsorte Mavrud bringt einen farbintensiven Rotwein mit ausgeprägten Tanninen und hohem Lagerpotential hervor – schwärmt Tanja Nikolowa. – Dieser zählt zu den stärksten Antioxidantien unter den Weinen und übertrifft dabei sogar den Cabernet Sauvignon. Die Rebsorte liefert trockene, schwere Rotweine mit Waldbeerenaroma. Die Weine aus der Breiten Melniker Rebe wiederum werden häufig mit einem geringen Anteil an farbintensiveren Weinen verschnitten. Dafür bringt die Breite Melniker Rebe Weine mit ausgeprägtem Körper, langem Abgang, reichhaltigem Aroma und Lagerpotential hervor. Der Melniker Wein ist möglicherweise eine der Sorten, die am besten zu Wild- und Lammfleischgerichten passt.“

Übersetzung: Christine Christov

По публикацията работи: Maria Dimitrowa


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