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Glagolitische und Kyrillische Schrift

Kyrill ist nach Meinung der meisten Wissenschaftler Schöpfer der sogenannten Glagolitischen Schrift.
Foto: BGNES
Bulgarien hat mit seinem Beitritt zur Europäischen Union ein drittes Alphabet - das Kyrillische eingebracht und damit auch die Schriftkultur erneut bereichert, wie es damals geschah, als die Brüder Kyrill und Method vor mehr als 1100 Jahren auf ihre Mission gingen. Wir wollen den 24. Mai, ihren Ehrentag, der in Bulgarien als Tag des slawischen Schrifttums und der bulgarischen Kultur begangen wir, zum Anlass nehmen und etwas mehr zum Schriftwerk sagen.

Versetzen wir uns nun in die Zeit des 9. Jahrhunderts. Über jene Epoche wissen wir, gemessen am heutigen Informationsüberfluss, verhältnismäßig wenig. Immerhin sind schon viele Jahrhunderte vergangen und grade auf der Balkanhalbinsel war die Geschichte recht wechselvoll.
Vor allem nach der Einnahme durch die Türken im ausgehenden 14. Jahrhundert wurden die meisten Bibliotheken von ihnen entweder verkauft, oder ganz einfach verbrannt, weil die meisten Bücher christliche Literatur waren, mit der die moslemischen Türken nichts anzufangen wussten und wollten. In späteren Zeiten haben aber auch griechische Geistliche keinen Halt vor der bulgarischen Literatur gemacht, nur um sich die langersehnte Vormachtstellung der griechisch-orthodoxen Kirche zu sichern.

In der Slawistik wird allgemein angenommen, dass es vor Kyrill und Method weder ein slawisches Alphabet noch ein slawisches Schrifttum gegeben hat. Die Kyrillische Schrift wurde aber nicht von Kyrill selbst geschaffen. Das bis heute in Bulgarien, Makedonien, Serbien und Russland, der Ukraine und Weißrussland übliche Alphabet wurde lediglich nach ihm benannt. Kyrill ist nach Meinung der meisten Wissenschaftler Schöpfer der sogenannten Glagolitischen Schrift. In dieser Schrift seien die Übersetzungen der Bibel und anderer wichtiger Kirchenschriften verfertigt worden.

Betrachten wir uns aber diese Schrift etwas näher. Die Buchstaben bestehen hauptsächlich aus der Kombination aus Kreuzen, Kreisen und Dreiecken. Gerade diese Elemente sind aber Symbole der christlichen Lehre. Der erste Buchstabe im Alphabet, das “A”, ist ein Kreuz und sollte dadurch die neue Schrift schützen. Die Buchstaben “I” und “S”, die ihrerseits in der Ostkirche für die Abkürzung von Jesus benutzt werden, bestehen je aus der Kombination von Kreis und Dreieck. Der Kreis symbolisierte die Sonne, den Himmel und die Ewigkeit; die Sonne ihrerseits aber den Erlöser. Das Dreieck steht als Symbol der Heiligen Dreifaltigkeit.

Mit “I S” fängt aber auch die Übersetzung des Johannesevangeliums an “Iskoni be slovoto...” - “Im Anfang war das Wort...” Das Göttliche sollte in der Schrift deutlich zum Ausdruck kommen, denn sie diente ausschließlich für die Wiedergabe der Heiligen Schrift und anderer Kirchenbücher. Die Glagolitische Schrift fußt somit auf christliche Symbole und nicht auf anderen Schriften; sie stellt also eine eigenständige Schöpfung dar. Das graphische System entsprach voll dem Geist der christlichen Zivilisation, gab aber auch alle Laute der altbulgarischen Sprache wieder.

In Bulgarien wurde aber die Glagoliza, die zwar ein graphisches Kunstwerk und schön, aber auch sehr kompliziert war, durch die Kyrilliza verdrängt, ein Alphabet, das sich in vielen Punkten an die ältere Glagoliza anlehnt und manches von ihr übernommen hat. Das Glagolithische Alphabet hat sich einzig in Kroatien sehr lange gehalten, bis es auch da vom Kyrillischen bzw. Lateinischen verdrängt wurde. Mit großer Sicherheit kann angenommen werden, dass das Glagolithische älter als das Kyrillische Alphabet ist, da es etliche Pergamente gibt, die zuerst Texte in glagolithischer Schrift enthielten und später mit Kyrillisch überschrieben wurden.

© Foto: www.tu-sofia.bg

Das Kyrillische Alphabet soll von der griechischen Unzialschrift des 9. Jahrhunderts abgeleitet worden sein.

Ebenso als sehr wahrscheinlich gilt, dass das Kyrillische Alphabet von Kliment von Ochrid geschaffen worden ist. Von vielen Slawisten wird angenommen, dass sich die Bezeichnung “Kyrilliza” auf die von Kyrill geschaffene Glagoliza bezog und sich später auf die schlichtere “Tochter” der letzteren (wenn man so sagen darf) übertrug. Es kann aber auch angenommen werden, dass Kliment von Anfang an seine Schrift im Angedenken an seinen Lehrer Kyrill so genannt hat.
In unserer Sendung anlässlich des Feiertages des slawischen Schrifttums und der bulgarischen Kultur haben wir den Hl. Kliment von Ochrid vielleicht nur am Rand erwähnt, denn den Slawenaposteln Kyrill und Method kommt der Verdienst der Grundssteinlegung für das slawische Schrifttum und die bulgarische Kultur zu. Nach der Schaffung des Alphabets hat Kyrill mit einer epochemachenden biblischen Übersetzungsarbeit begonnen.
“Im Anfang stand das Wort” - einen schöneren Beginn eines neuen Schrifttums kann man sich kaum wünschen, eine heiligere Weihe kaum vorstellen. Neben den damals anerkannten “heiligen” Sprachen - Griechisch, Latein und Hebräisch - erschien eine neue Schriftsprache. Da das Hebräische in Europa doch nur sehr begrenzt in Gebrauch war, kann die Sprache von Kyrill und Method als dritte Schriftsprache Europas gelten.

Gehen wir nun auf das Kyrillische Alphabet ein. Es ist von der griechischen Unzialschrift des 9. Jahrhunderts abgeleitet worden, enthält aber im Vergleich dazu etliche zusätzliche Schriftzeichen, die zur Darstellung der phonetischen Besonderheiten der altbulgarischen Sprache jener Zeit dienten. An dieser Stelle sollte man jedoch auch eine Besonderheit erwähnen. Das Kyrillische Alphabet weist sehr viele Ähnlichkeiten mit der ca. 6 Jahrhunderte älteren Koptischen Schrift in Ägypten auf. Das koptische Alphabet basiert ebenso auf dem Griechischen, weist aber auch eine Reihe zusätzlicher Buchstaben auf, von denen man einige auch im Kyrillischen wiederfindet. Das veranlasst einige Wissenschaftler zur Behauptung, dass das Kyrillische Alphabet noch vor Kyrill und Method entstanden sei. Gut und gerne könnte es als eine Art Sakralschrift nur für Eingeweihte benutzt worden sein, was auch das gänzliche Fehlen von Zeitzeugnissen erklären würde. Doch das sind nur Hypothesen, die auf eine Belegung mit gesicherten Beweisen warten.

Nun sind seit der Schaffung des Kyrillischen Alphabets mehr als 1100 Jahre vergangen und die bulgarische Sprache hat, wie alle anderen Sprachen auch, eine Wandlung erfahren, ebenso in phonetischer Sicht. Etliche Laute sind verschwunden und andere ganz einfach verschmolzen. Wir wollen hier nicht ins Detail eindringen - das würde den Rahmen unserer Sendung sprengen. Wichtig ist zu betonen, dass solche Prozesse auch in den anderen slawischen Ländern, die sich des Kyrillischen bedienen, stattgefunden haben. Periodisch wurden dann Reformen in der Rechtschreibung gemacht und dabei überflüssig gewordene Buchstaben entfernt. Die Alphabete sind den Besonderheiten der jeweiligen Sprachen angepasst und stimmen somit nicht überein.
Verweisen wollen wir beispielsweise auf die große Reform Zar Peters I. in Russland, die er im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts vornahm. In Bulgarien hat es periodisch auch solche Reformen gegeben. Vor allem aber nach der Wiederherstellung des Staates nach der türkischen Fremdherrschaft 1878. Die letzte Reform war 1946, als zwei Buchstaben entfernt wurden, was die Rechtschreibung vereinfachte. Gegner dieser Reform gibt es bis heute und sie haben sicher nicht ganz unrecht. Mit den Rechtschreibreformen ist das halt so eine Sache. Im deutschsprachigen Raum weiß man ja auch ein Lied davon zu singen.

Nun sollten wir an dieser Stelle noch etwas Wichtiges betonen: Man muss zwischen Alphabet und Schrift unterscheiden. Das ist im Deutschen aber auch so. Denken sie an die Fraktur und Antiqua-Schriften, von denen es die vielfältigsten Varianten gibt. Das Alphabet ist dabei aber immer ein und das gleiche – das Lateinische übertragen auf das Kyrillische: Heute benutzen wir eine Schrift, die stilistisch den römischen Kapitalschriften, bzw. Unzialen nahe steht, zumindest graphisch. Einige Buchstaben sind phonetisch identisch, andere wiederum sogenannte “falsche Freunde”, wie z.B. das lateinische “P”, dass im Kyrillischen ein “R” ist. Die Kyrillische Schrift wird heute nur in Ausnahmefällen benutzt. In etwa dort, wo heute im deutschsprachigen Raum die Fraktur-Schrift Verwendung findet. Das Alphabet ist aber immer noch das Kyrillische.
По публикацията работи: Wladimir Wladimirow


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