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Das Osenovlag-Kloster "Hl. Jungfrau Maria"

Foto: Archiv

Das Osenovlag-Kloster "Hl. Jungfrau Maria" - auch als Kloster "der sieben Altäre" bekannt - liegt 86 km von Sofia entfernt, unweit der Iskar-Schlucht, am Fuße des Balkangebirges. Die heiligen Gemäuer erheben sich 5 km südlich des Elisejna-Bahnhofs am Oberlauf des Gabrownitza-Flusses. Es war das weit entfernteste und am schwierigsten zugängliche Kloster des Sofioter Klosternetzes Sofijsko Swetogorie. Um seine Entstehung schweben viele Sagen und Legenden. Einer Legende nach sei das Kloster vom bulgarischen Zaren Peter I. (927-969) gegründet worden. Eine andere erzählt, dass im 11. Jahrhundert der Bruder des Herrschers Petar Deljan, Fürst Georgi, das Kloster errichtet haben soll. Nach dem erfolglosen Aufstand gegen die byzantinische Vorherrschaft von 1040, angeführt von Petar Deljan, soll Georgi als Mönch Gabriel ins Kloster eingetreten und hier als erster Abt tätig gewesen sein. Diese Legenden haben wohl kaum Bezug zur historischen Wirklichkeit. Sicher ist jedoch, dass das Kloster während des Zweiten Bulgarischen Reiches unweit einer alten Festung entstanden ist.

Mit dem Einfall der Osmanen wurde das Kloster stark in Mitleidenschaft gezogen und von den Mönchen für gewisse Zeit verlassen. In der Folgezeit wurde es wieder aufgebaut. Historische Daten bezeugen, dass das Kloster auch Anfang des 16. Jahrhunderts existierte und im 18. Jahrhundert erneut geplündert und niedergebrannt wurde. 1815 werden die heiligen Gemäuer von den Priester-Brüdern Todor und Marko aus Tetewen zu neuem Leben erweckt. Dabei werden sie von Meister Stojan aus Trojan tatkräftig unterstützt. Die niedrige, mit Schindeln bedeckte Klosterkirche "Mariä Geburt" ist mit einer Kuppel versehen, die durch acht kleine Fenster erhellt wird. Der Name des Klosters ist auf die spezifische Aufteilung der Kirche zurückzuführen - ein Kirchenschiff in Kreuzform mit sechs anliegenden Altarkapellen. Unter der Kuppel hängt ein riesiger hölzerner Deckenleuchter namens "Horo", der aus fünfzehn meisterhaft geschnitzten Teilen zusammengesetzt ist. Dieses einzigartige Kulturdenkmal wurde von geschickten Meistern aus dem Dorf Osenowlag gefertigt.

Das Kloster erfreute sich nur kurze Zeit des Friedens. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es von einer Kardzahlij-Bande überfallen und erneut zerstört. Die Gebäude wurden dem Erdboden gleichgemacht, die Grundstücke des Kloster gingen in den Besitz einer muslimischen Familie über. Mit Hilfe von Dimitraki Hadschitoschew aus Wratza und des Metropoliten Dositeja begann man 1824 das Kloster erneut aufzubauen. Beide kauften die Grundstücke des Klosters zurück, der hier angesiedelte Mönch Paisij aus Lowetsch baute das Wohngebäude. Aus dem Osenovlag-Kloster sind große Ikonen erhalten, die von Meister Stojan aus Trojan stammen. Besonders interessant sind die Ikonen "Hl. Jungfrau Maria mit den Propheten", "Der Hohepriester Jesus Christus mit den Aposteln" und "Johann der Täufer". Heute erstrahlt das restaurierte Kloster in seinem authentischen Antlitz aus der Zeit der Bulgarischen Wiedergeburt.

Über der Eingangstür der Klosterkirche verkündet eine Stifteraufschrift, dass die Kuppel der Kirche im Jahre 1886 ausgemalt wurde. Die Bibliothek des Osenovlag-Kloster beherbergt zahlreiche Altdrucke. Auch fanden im Kloster unser berühmter Wiedergeburtler Sofronij von Wratza sowie der Freiheitskämpfer Wassil Lewski Unterschlupf.

Am Vorabend des Klosterfeiertags "Maria Geburt" am 8. September kamen nach Sonnenuntergang viele kranke Menschen mit Leuchten ins Kloster, um dort die ganze Nacht zu wachen und das Kloster vor Sonnenaufgang wieder zu verlassen und sich so der Krankheiten und des Leids zu entledigen. Besonders eindrucksvoll wird dieser Brauch am Schicksal des kranken Mädchen Monka geschildert, das der bulgarische Literaturklassiker Elin Pelin in einer seiner Erzählungen aufgreift.

Die Menge erzählt sich, dass ein Türke, vermutlich angezogen von Legenden über hier verborgene sagenhafte Schätze, das Kloster überfallen und niedergebrannt habe. Dabei tötete er auch den alten Mönch, der seit vielen Jahren das Läutebrett schlug. Auch nach seinem Tod sahen ihn die Menschen allmorgentlich das Läutebrett schlagen, dessen Klang in den nahe liegenden Schluchten verhallte. Das wiederum inspirierte den Patriarchen der bulgarischen Literatur Iwan Wazow zu einer Ballade, in der er sich dem Einfluss dieser Legende auf das Gemüt der Landbevölkerung widmet. Das berühmte Läutebrett im kleinen Glockenturm als auch die einstigen Metalltüren der Kirche wurden aus den Türen der alten Festung oberhalb des Klosters im Auftrag von Sofronij von Wratza gefertigt, der 1799 im Kloster Unterschlupf fand.

Die Umgebung des Osenovlag-Klosters beeindruckt mit wundervoller Natur. Der Ort selbst strahlt eine unglaubliche Ruhe aus. Die Klosteranlage umfasst eine alte Kirche, einen Glockenturm, ein sich bis zum Felsen unterhalb der römischen Festung erstreckendes dreistöckiges Wirtschaftsgebäude sowie ein weiteres zweistöckiges Gebäude mit Mönchzellen und Klosterküche. Das Kloster funktioniert auch heute noch, allerdings ist es nicht mehr von Mönchen bewohnt. Für müde Seelen bietet es jedoch 50 Schlafplätze, einen Parkplatz und eine Kantine. Zu erreichen ist das Kloster über eine schmale Asphaltstraße ab dem Elisejna-Bahnhof in der Iskar-Schlucht.

Übersetzung: Christine Christov

Fotos: Archiv



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