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Enjow-Tag: Volksfest zur Sommersonnenwende und Tag der Heilkräuter und Elixiere

Foto: BGNES
Alljährlich begeht man in Bulgarien den 24. Juni als Enjow-Tag. Der Name Enjo lässt sich von Johannes ableiten und der Tag selbst hat tatsächlich etwas mit Johannes zu tun, den die christliche Kirche begeht an ihm die Geburt Johannes des Täufers. Die Volkstraditionen reichen aber noch weiter zurück, denn der Enjow-Tag wird traditionell als Sommersonnenwende angesehen. Den in der Nacht zum Enjow-Tag gesammelten Kräutern werden die größten Heilkräfte nachgesagt. Es ist somit auch ein Tag der Kräuter und Kräuterheiler.

Bulgarien kann mit Recht stolz auf seine Heilkräuter sein. Hier gedeihen Hunderte Arten an Pflanzen mit Heileigenschaften und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass unser Land weltweit zu den drittgrößten Kräuterexporteuren gehört – ausgeführt werden rund 15.000 Tonnen jährlich; einschließlich Gewürze kommt man auf über 20.000 Tonnen. Unsere größten Konkurrenten sind Albanien bei den Wildkräutern und Polen bei den Zuchtkräutern. Die „Kräuterindustrie“ kennt jedoch keine Krise und so wird mit jedem Jahr mehr produziert und ausgeführt.

Diese Tatsachen wird man sich meist erst anlässlich des Enjow-Tag bewusst, denn an ihm finden im ganzen Land die unterschiedlichsten Feste statt, bei denen die Heilkräuter im Mittelpunkt stehen. Das Zentrum der Feierlichkeiten ist unumstritten des ethnographische Freilichtmuseum Etara im Balkangebirge nahe der Stadt Gabrowo. In diesem Jahr findet dort u.a. der Wettbewerb für den schönsten Kranz zum Enjow-Tag unter dem Motto „77½ Kräuter“ statt. Solch ein Kranz wird der Volkstradition nach alljährlich zum Enjow-Tag gewunden. Jeder, der gesund bleiben möchte muss dann durch diesen Kranz gehen.

Der Volksglauben ist jedoch nur die eine Seite, die andere die tatsachlich überaus wirksamen Volksheilmittel, hergestellt nach altbewährten Rezepten aus hiesigen Kräutern. Leider sind in der Neuzeit etliche dieser natürlichen Medikamente in Vergessenheit geraten. Es gibt jedoch Enthusiasten, wie Emil Elmasow, die in die Rolle von „Kräuterhexen“ geschlüpft sind. Er ist übrigens Vorsitzender des Verbandes der bulgarischen Kräuterheiler. Auch in diesem Jahr werden auf dem Heilpflanzen-Fest in Etara verschiedene Kräutermittel vorgestellt. Eines darunter trägt einen seltsam anmutenden Namen – „Vierräuberessig“.

© Foto: Archiv


Das ist ein mittelalterliches Heilmittel gegen die schwersten Infektionen, die es in Europa gab und teilweise noch gibt“, erläutert Heilkräuterexperte Emil Elmasow. „Das Mittel geht auf das 14. Jahrhundert zurück, als in Europa die Pest wütete, die man auch den „Schwarzen Tod“ nannte. Städte und Dörfer siechten dahin, ganze Landstriche wurden entvölkert... und es tauchten Plünderer auf, die sich des Hab und Gut der Verstorbenen bemächtigten. Vier von ihnen, die man gefasst und vors Gericht gestellt hatte, wurden vom Richter gefragt, warum sie sich nicht vor der Pest fürchten. Sie gaben zu, dass sie dagegen ein Mittel hätten und handelten das Rezept gegen ihre Freilassung aus. Man kann das Mittel leicht herstellen und es hilft tatsächlich gegen schwere Infektionen. Man nimmt jeweils eine Handvoll frisch gepflückten Lavendel, Rosmarin, Salbei, Wermutkraut und Weinraute. Die Kräuter werden in einen Tontopf gegeben und mit etwa zwei Liter sehr starken Weinessig übergossen. Danach wird das Gefäß sehr gut mit einem Deckel verschlossen und zwei Wochen lang in die pralle Sonne gestellt. Wenn diese Zeit rum ist, seiht man die Flüssigkeit durch und füllt sie in Flaschen, wobei man in jede eine Zehe Knoblauch gibt. Sobald sich die Flüssigkeit abgesetzt hat, wird lediglich der obere Teil in andere Fläschchen umgefüllt und ist nun Jahrhunderte haltbar. Übrigens hat man solche Fläschchen aus grauen Vorzeiten in einigen Höhlen gefunden...

Ein anderes sehr altes Mittel nennt sich „Avicennas Panazee“. Dieses Allheilmittel aus der Wende zum zweiten Jahrtausend nach Christus wurde anscheinend auch von den Bogomilen gekannt, die es von Bulgarien aus nach Mittel- und Westeuropa brachten.

Die Beweise hierfür finden sich in dem sogenannten „Selejnik“, dem Rezepturbuch der Bogolimen, die als Ketzer aus Bulgarien vertrieben wurden“, erzählt weiter Emil Elmasow. „Es ist bekannt, dass Avicenna zu jener Zeit herumgereist ist und auch auf dem Balkan war. Die Verbindung zwischen der östlichen und der hiesigen Volksmedizin ist seit langem bewiesen worden. „Avicennas Panazee“ ist nach meiner Ansicht so herzustellen: Man nehme lediglich frische Blätter von Weinraute und Birke und übergieße sie mit sehr gutem alten Rotwein. Dieses Mittel wirkt vielfältig und stärkt Körper und Geist zugleich.“

© Foto: BGNES


Der Enjow-Tag wird als Heilkräutertag seit etlichen Jahren auch in der mittelalterlichen bulgarischen Reichshauptstadt Weliko Tarnowo vermerkt. Der Vorsitzende des Verbandes der bulgarischen Kräuterheiler Emil Elmasow sagte uns dazu, dass mit dieser Initiative gezeigt werden soll, dass man mit der Begehung des Tags der Heilpflanzen in städtischem Umfeld durchaus auch dort den Einsatz von Heilkräutern pflegen kann. Aus diesem Anlass verwandelt sich die alte Ladengasse der Stadt in einen Kräutermarkt, auf dem nicht nur Heilpflanzen und daraus hergestellte Elixiere, sondern auch gesunde Nahrungsmittel und Getränke angeboten werden. Darunter ist beispielsweise der Saft „Bärenkräfte“, hergestellt aus Heidelbeeren und Honig.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
По публикацията работи: Maria Dimitrowa-Pichot


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