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270.000 Arbeitslose wollen nicht arbeiten

Foto: EPA / BGNES
Ist die laut gepriesene Arbeitsamkeit der Bulgaren immer noch wach, oder gehört auch sie zu so vielen Werten zum alten Eisen? Offensichtlich erlebt das Wertesystem der Bulgaren eine gravierende Umwandlung – 270.000 Arbeitslose haben in diesem Jahr die Möglichkeit nicht wahr genommen, eine neue Arbeitsstelle anzutreten. Das belegt die Statistik. Darunter haben 20.000 einen Hochschulabschluss und rund 120.000 haben nicht einmal die Schule zu Ende gemacht. Während man für die zweite Gruppe leicht eine Erklärung finden kann, so ist es erstaunlich, dass gebildete Menschen freiwillig auf Arbeit verzichten.

Die fehlende Motivation, einen Job zu finden, ist besorgniserregend und zeichnet Probleme und Prozesse in der bulgarischen Gesellschaft, die tiefgründlich analysiert werden müssen. Angaben der Bulgarischen Wirtschaftskammer zufolge hat jeder vierte arbeitslose Jugendliche in Bulgarien studiert. Jeder Dritte hat noch nie gearbeitet. Die Experten vermuten das Problem bereits in der schulischen Bildung. Weder die Berufsbildung, noch die Universitäten entsprechen den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Die Zahl der Hochschulen in Bulgarien ist seit der Wende enorm angestiegen, geändert hat sich am Bildungsmodell jedoch wenig. Dort werden nach wie vor überwiegend Juristen, Sprachwissenschaftler und andere nicht sonderlich nachgefragten Spezialisten ausgebildet, die anschließend keine Arbeit finden. Ähnlich sieht es auch in der Berufsbildung aus. Zugleich klagt die Wirtschaft über fehlende Computerspezialisten und Ingenieure. Verschiedene Programme des Arbeits- und Sozialministeriums und der Beschäftigungsagentur bieten Fort- und Umbildungskurse an. Das Angebot wird jedoch, wenn überhaupt, nur ungern wahrgenommen.

Die erst 25jährige Swetlana hat sich selbständig gemacht und versucht, das Phänomen der unwilligen jungen Arbeitslosen zu erklären: „Es fällt mir immer wieder auf, dass die jungen Menschen heute sehr hohe Anforderungen an den Arbeitgeber stellen“, sagt Swetlana. „Sie träumen von einem sehr gut bezahlten Job gleich nach dem Studiumsabschluss und sind nicht bereit, dieses Ziel in kleinen Schritten zu erreichen. Sie wollen einen großen Schritt machen und dann auf der Stelle bleiben. Die große Frage für mich aber bleibt, wie sie sich finanzieren? Offensichtlich kümmern sich ihre Eltern um die groß gewordenen Kinder, was für mich besorgniserregend ist. Denn die Familie ist nicht imstande, die Kinder auf das reale Leben in der Selbstständigkeit vorzubereiten“, schlussfolgert Swetlana.

Auch der 40jährige Peter macht sich Gedanken über das Verhalten junger Arbeitsloser. „Wir haben heute mit den Folgen einer alten Ideologie zu kämpfen, als alle über den gleichen Kamm geschert wurden“, sagt er. „Mit der Zeit hat sich die Mentalität geändert und die sprichwörtliche Emsigkeit der Bulgaren hat sich in Luft aufgelöst. Dann ist es nur zu verständlich, dass die jungen Arbeitslosen heute auf den großen Wurf warten und nicht bereit sind, schlecht bezahlte Jobangebote anzunehmen, auch wenn sie nur eine vorübergehende Lösung wären“, sagt Peter.

Übersetzung: Vessela Vladkova
По публикацията работи: Milka Dimitrowa


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