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Kann die demografische Krise in Bulgarien aufgehalten werden?

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Was das Schrumpfen der Bevölkerung betrifft, sind wir Bulgaren internationaler Spitzenreiter. Wir schrumpfen dramatisch schnell - stündlich segnen 8 Bulgaren das Zeitliche, täglich sterben hierzulande 192 Menschen. Während im fernen Jahr 1950 hierzulande ganze 182.000 Erdenbürger das Licht der Welt erblickten, waren es 2011 gerade einmal 71.000. Ganz zu schweigen vom "Rekordjahr" 2013, in dem sage und schreibe nur  61.000 Kinder geboren wurden. Um diesen Negativtrend zu unterbrechen, müssen die Einkommen der Bürger angehoben werden, auch wenn der Staat dafür Kredite aufnehmen muss. Dieser Ansicht sind die Experten vom Nichtregierungszentrum für demografische Politik in Russe. Nähere Einzelheiten erfahren wir von Zentrumschef Iskren Weselinow.

Photo: BGNES"Alljährlich müssten 1 bis 2 Milliarden Lewa zusätzliche Mittel herangezogen- und in die Anhebung der Einkommen investiert werden. Jede Milliarde, die in Einkommen investiert wird, bringt dem Staat 400 Millionen Lewa in Form von Steuern. Auch die Renten bedürfen einer drastischen Erhöhung, d.h. sie müssen im Rahmen von 4-5 Jahren verdoppelt werden. Das Wichtigste ist jedoch, die Wirtschaft anzukurbeln. Auch sind Behauptungen, dass wir mit Staatsanleihen die Zukunft der Nation verprassen, ziemlich lächerlich. Wir brauchen eine Kehrtwendung, um diese katastrophale Tendenz zu stoppen. Egal wie viel Geld man  Müttern auch gibt, wenn der Staat wirtschaftlich instabil ist, werden diese ihre Kinder wohl kaum in Bulgarien zur Welt bringen wollen, um dafür rund 17 oder selbst 25 Euro Kindergeld zu erhalten."

"Das bulgarische Sozialsystem ist eine Pyramide. In 20 Jahren wird aufgrund der Alterungsprozesse niemand mehr da sein, der Sozialbeiträge abführt und damit die Renten finanziert", meint Iskren Weselinow weiter. Dazu leisten auch jene 22.000 Bulgaren ihren Beitrag, die alljährlich aus Bulgarien auswandern. "Unseren Prognosen zufolge werden in den nächsten fünf Jahren zwischen 20 und 30% der Bevölkerung im Arbeitsalter in ein besser bezahltes EU-Land auswandern. Das ist der Anfang einer Katastrophe, die nicht mehr aufzuhalten ist", fügt Weselinow hinzu.

Auch zeigen die Daten, dass in 20 Jahren über 30% Prozent der Arbeitsmarkteinsteiger Roma ohne Bildung, ohne Arbeitsmentalität und ohne Nutzen für das Sozialversicherungssystem sein werden. Nach Ansicht von Prof. Petar Iwanow vom Zentrum für Demografiepolitik sei es bedrückend, dass dem Problem der Herkunftsstruktur der bulgarischen Gesellschaft weiterhin keine Beachtung geschenkt werde, was aufgrund der hohen Geburtenzahlen der Roma zudem eng mit dem Ausbluten des Sozialsystems verbunden sei.

Laut Daten des Zentrums für Demografiepolitik zählt Bulgarien derzeit 4,7 Millionen Bulgaren, 1,3 Millionen bulgarische Roma, 700.000-800.000 bulgarische Türken und rund 100.000 Bürger anderweitiger Ethnien. Die Prognosen des Zentrums für Demografiepolitik, die sich übrigens mit denen der Weltbank decken, gehen davon aus, dass die bulgarische Bevölkerung in 20 Jahren auf 5,9 Millionen Bürger geschrumpft sein wird, von denen 3,1 Millionen dem bulgarischen Ethnos angehören werden. Die Zahl der Roma wird jedoch auf 1,8 Millionen steigen, die Zahl der bulgarischen Türken wird etwa 800.000 betragen. Auch werden ca. 300.000 Bürger anderer Völker in Bulgarien leben. Nur umgehende Maßnahmen für höhere Einkommen könnten den Auswanderungsprozess aufhalten und die Auslandsbulgaren in ihre Heimat zurückbringen, meint Iskren Weselinow und weiter:

"All das ist nur über Konsum machbar. Der Lebensstandard in Bulgarien muss drastisch angehoben werden, und zwar zu Lasten zusätzlich mobilisierter Ressourcen. Die Leute kommen nur dann zu uns, wenn unsere Wirtschaft funktioniert und wir einen hohen Standard bieten können. Das ist der einzige Weg, um einer demografischen Katastrophe zu entgehen. Wir brauchen höhere Einkommen, sowohl um die Bulgaren im Land zu halten, als auch um unsere Landsleute aus dem Ausland zurückzuholen", so das Fazit vom Chef des Nichtregierungszentrums für demografische Politik in Russe Iskren Weselinow.

Übersetzung: Christine Christov



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