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Erschütterungen bei Bulgariens Sozialisten

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Da schauten Parwanow (links) und Stanischew noch in einer Richtung.
Foto: BGNES

Die Ergebnisse der bevorstehenden Europawahl sind sowohl für Europa als auch für Bulgarien von Bedeutung. Für Europa geht es um die Zusammensetzung der Europäischen Kommission als auch des Europäischen Parlaments, Europas Sozialdemokraten wollen die Schlappe gegen die derzeit regierende Europäische Volkspartei wettmachen. In Bulgarien ist die Europawahl zugleich ein Legitimitätstest für die Regierung. Falls die beiden Regierungsparteien - die Sozialisten (BSP) und die Türkenpartei (DPS) - die Mehrheit der Europaabgeordneten einfahren sollten, würde das die Legitimierung der Regierung Orescharski bedeuten. Anderenfalls würden die inner- und außerparlamentarische Opposition vorgezogene Neuwahlen fordern.

In den Jahren nach dem demokratischen Umbruch wurde bei den Wahlen die monolithe Rolle der Bulgarischen Sozialistischen Partei und ihrer Koalitionspartner nie angezweifelt. Seit zwei Wochen ist diese Welt jedoch nicht mehr die alte. Was ist passiert? 2010 rief Staatspräsident Georgi Parwanow sein politisches Projekt "Alternative für bulgarische Wiedergeburt" kurz ABV ins Leben, das von den Sozialisten stark kritisiert- und ein Jahr später auf Eis gelegt wurde. Im Herbst 2013 brach Altstaatspräsident Parwanow seine einjährige Demut und stellte sich offen gegen Parteichef Sergej Stanischew. Zur gleichen Zeit taute er sein ABV-Projekt auf, jedoch in Form einer Diskussionsplattform. Der Kampf zwischen dem früheren und dem jetzigen Parteichef der größten Linkspartei erreichte Anfang Januar seinen Höhepunkt, als ABV zu verstehen gab, das sie bei der Europawahl mit eigenen Kandidaten antreten wird.

"Das ist ein eigenständiges Projekt von Georgi Parwanow, mit dem er nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit als Staatspräsident der Politik treu bleiben will", erklärt der Politologe Waleri Schabljanow, Mitglied des Parteivorstands der Sozialisten und Abgeordneter der linken Parlamentsfraktion Koalition für Bulgarien. "ABV hat keinerlei ideologische Orientierung und kann deshalb nicht im linken Spektrum eingeordnet werden. Das ist eine andere politische Konstruktion, die sich von der Sozialistischen Partei unterscheidet und keinen Anspruch auf die ideologische Entwicklung der Partei erheben kann. Für Herrn Parwanow ist ABV keine Alternative zu den Sozialisten. Auch behauptet unser Altparteichef, dass er nicht vorhabe, aus der Sozialistischen Partei auszutreten und seine Parteiposten niederzulegen. Es wäre sicherlich klüger, wenn sich die ABV als Partei mit begründeten Ansprüchen auf das linke politische Spektrum etablieren würde. Das gegenwärtig einzig deklarierte Ziel der ABV ist, mit eigenen Kandidaten bei der Europawahl anzutreten."

Das einzig Sichere des neugestarteten ABV-Projekts ist der Spitzenkandidat - und zwar der Europaabgeordnete Iwajlo Kalfin - ein renommierter Name im Europaparlament.

In einem Schreiben informierte Kalfin Sozialistenparteichef Sergej Stanischew über seine Pläne und legte seinen Posten als Chef der bulgarischen Delegation in der sozialistischen Fraktion nieder. Übrigens ist Kalfin kein Mitglied der Sozialisten.

"Wir gründen keine neue Partei. Auf diese Weise wollen wir darauf aufmerksam machen, dass sich in Bulgarien etwas ändern muss, dass Politik so nicht geht" kommentiert Iwajlo Kalfin in einem Interview für Radio Bulgarien. "Es gibt ausgesprochen wichtige Probleme, die nicht gelöst werden, während wir uns mit den persönlichen Auseinandersetzungen von Politkern beschäftigen. Probleme wie Demografie, Zusammenbruch des Gesundheits- und des Sozialsystems, die Unsicherheit im Rentensystem etc. Alle diese Probleme bedürfen eines Konsens, der mit Konfrontationen zwischen den politischen Kräften nicht vereinbar ist. Wir müssen dem Staat helfen, sich der Umklammerung der letzten Jahre zu entledigen, der Intransparenz, der Unklarheit darüber, wo politische Entscheidungen getroffen werden und wer die Verantwortung dafür trägt. Die intrasparenten Entscheidungen der Politiker haben das Vertrauen in die grundlegenden Institutionen gestört."

Das wiederum führte zu den ersten ernsthaften Erschütterungen der Linken. Das Vorgehen der Gruppe um Georgi Parwanow habe unter den Sozialisten massenweise Unmut ausgelöst, erklärte Parteichef Sergej Stanischew im Anschluss an die Klausurtagung in Plowdiw. Auch müsse dieses Vorgehen moralisch bewertet und eventuelle Maßnahmen gemäß Parteistatut ausgelotet werden. Dabei äußerte er vor allem seine Enttäuschung über das Vorgehen von Iwajlo Kalfin.

"Ich halte das für eine dumme politische Entscheidung", so BSP-Parteichef Stanischew. "Letztendlich sind die Standpunkte und Argumente derjenigen Mitglieder unserer Partei, die ABV unterstützen wollen, nicht klar motiviert. Dieses Vorgehen ist gegen die Bulgarische Sozialistische Partei gerichtet und bedient die Interessen unseren politischen Hauptopponenten GERB, untergräbt das Fundament der Regierung und offenbart letztendlich politische Schizophrenie. Selbstverständlich haben wir auf unserer Tagung auch die Meinung der Leiter der Regionalverbände eingeholt. Einige forderten entschiedenes Vorgehen gegen solche Parteimitglieder, andere waren für einen erneuten Appell. Anderenfalls müssen sie die Folgen für ihr Tun tragen."

Von der Parteizentrale der Sozialisten wurde ABV aufgefordert, seine Wahlliste bis 27. Januar zurückzuziehen. Parwanow wies dieses Ultimatum umgehend ab. Mit großer Sicherheit wird das Vorgehen der Parteimitglieder um Staatspräsident a.D. Parwanow (2002-2012) auf dem bevorstehenden Parteikongress ein Thema sein. Bis zur Europawahl wird man wohl eher von radikalen Maßnahmen wie Parteiausschluss absehen. Das bulgarische Publikum ist jedoch nicht von gestern. Es weiß, das im Vorfeld von Wahlen Feinde zu Freunden werden und wird vor dem Bildschirm Zeuge der Wortgefechte zwischen dem alten und dem neuen Parteichef der Sozialisten. Und erfährt so pikante Einzelheiten über ihre Wechselbeziehungen und ihre Tätigkeit. Denn beide behaupteten, dass die bis vor wenigen Monaten regierende konservative GERB-Partei ihr Gegner sei.

Was vom Publikum jedoch bezweifelt wird. Denn damals hatte GERB-Parteichef Bojko Borisow in einem Schreiben an Sergej Stanischew darauf verwiesen, dass für seine Partei eine Koalition mit einer Linkspartei nicht in Frage käme. Auch dementierte er Behauptungen über ein Spaltungsszenario bei den Sozialisten mittels ABV-Initiative. Bis zur Europawahl wird noch viel zu hören und zu lesen sein und beim Publikum für Verwunderung sorgen. Dann ist der Souverän am Zug.

Übersetzung: Christine Christov




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