Am heutigen Tage vor genau 160 Jahren wurde Stefan Stambolow geboren. Er gilt als einer der wichtigsten Begründer des bulgarischen Staates der Neuzeit. Stambolow war einer der „Freiheitsapostel“ des Aprilaufstandes von 1876, nach der Neugründung des Staates langjähriger Vorsitzender der „Volksliberalen Partei“ und Premierminister von Bulgarien. Über sein Leben und Werk unterhielten wir uns mit Prof. Milko Palangurski von der Universität „Heilige Brüder Kyrill und Method“ in Weliko Tarnowo.
„Stefan Stambolow kam am 31. Januar 1854 (nach altem Kalender am 12. Februar) in einer ganz gewöhnlichen Familie in Weliko Tarnowo, Nordbulgarien, zur Welt“, erzählt Prof. Palangurski. „Seine Familie führte ein kleines Geschäft, sein Vater gehörte jedoch zu den Freiheitskämpfern in Bulgarien und so wuchs der junge Stambolow mit dem Gedankengut der aufstrebenden und nach nationale Selbständigkeit strebenden Bulgaren auf. Er lernte zunächst in seiner Geburtstadt, setzte aber dann seine Ausbildung am angesehenen bulgarischen Priesterseminar in Odessa fort. Dieses musste er jedoch wegen revolutionärer Tätigkeit verlassen. Stambolow trat dem Bulgarischen Revolutionären Zentralkomitee (BRZK) bei und spielte eine wichtige Rolle während der Vorbereitung und Durchführung des Aufstandes in Stara Sagora (1875) und des großen Aprilaufstands (1876). Während des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 half er als Kundschafter. Nach der Befreiung des Landes konnte er sich jedoch nicht an der Gründungsversammlung, dem ersten Parlament Bulgariens, beteiligen, die 1879 stattfand, denn er war damals lediglich 24 Jahre alt und besaß nicht das nötige Alter, um Abgeordneter werden zu können.“
Dennoch sollte Stefan Sambolow jener Politiker werden, der den Grundstein des wiedererstandenen Staates legte und die Geschicke des Landes maßgeblich beeinflusste. „Er war eine äußerst aktive politische Figur“, setzt der Geschichtswissenschaftler Prof. Milko Palangurski fort. „Stambolow wurde Vorsitzender der Volksliberalen Partei, war Abgeordneter, nach 1880 Vizepräsident und später Präsident des bulgarischen Parlaments. Ferner wurde er Regent und war einer der langjährigsten Premierminister Bulgariens. Er sorgte für strenge Disziplin im Parlament und schaffte es sogar, seinen Willen zwei bulgarischen Monarchen (den Fürsten Alexander und Ferdinand) aufzuzwingen. Die soziale, wirtschaftliche und politische Modernisierung Bulgariens brachte er maßgeblich voran, nicht nur als Ministerpräsident, sondern auch als Leiter einer der stärksten Parteien im Land.“
In den Jahren zwischen 1887 und 1894, seiner Amtszeit als Regierungschef, wurden jene Institutionen geschaffen, die Bulgarien wieder in die Familie der europäischen Länder eingliederten. Stambolow sagte nicht zufällig: „Ich habe den Weg Bulgariens mit römischen Pflastersteinen ausgelegt.“ Und in Bulgarien jener Epoche wurde viel gebaut, nicht nur im übertragenen Sinne. Es entstanden die wichtigsten Bahnverbindungen und Häfen, der Grundstein für die Sofioter Universität wurde gelegt, Postämter entstanden, die Staatliche Druckerei nahm ihre Arbeit auf, veranstaltet wurde die erste bulgarische Wirtschaftsmesse.
„Kein anderer bulgarischer Staatsmann hat auf derart glänzende Weise die proeuropäische Ausrichtung im Land durchgesetzt“, erzählt weiter Prof. Milko Palangurski. „Angefangen bei der Einhaltung der Gesetze, über die Arbeit von Polizei, Armee, Bildungswesen, bis hin zu den gesellschaftlichen Beziehungen, wurde alles nach europäischem Vorbild gestaltet. Vieles wurde zuweilen mit Gewalt durchgesetzt, bis die Gesellschaft in den gewünschten Gleisen fuhr. Nach der Regierungszeit von Stambolow war nicht mehr daran zu denken, alte überkommene orientalische Leitungsmechanismen in der bulgarischen Gesellschaft wieder einzuführen.“
Einer der Zeitgenossen und Freunde von Stefan Stambolow, der spätere Ministerpräsident Petar Gudew hielt in seinen Erinnerungen fest: „Im Charakter von Stefan Stambolow konnte man jene Eigenschaft entdecken, die ihn vom Tyrannen und Diktator unterschieden. Er setzte seine Meinung und seine Entscheidungen durch – alle, die Abgeordneten und all die anderen Beamten mussten sich danach richten. Gleichzeitig damit übernahm Stambolow jedoch auch vollends die Verantwortung dafür. Er versteckte sich weder hinter der Krone noch hinter dem Volkswillen oder sonstiger Ideen.“
Die harte Hand, mit der Stambolow regierte verschaffte ihm natürlich auch viele Feinde, die ihm schließlich ein grausames Ende breiteten. Am 18. Juli 1895, Stambolow war 41 Jahre alt, wurde er auf offener Straße regelrecht niedergemetzelt. Drei Tage später erlag er seinen Verletzungen.
Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow
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