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Schalom-Vorsitzender Benvenisti: „Der Bulgare ist einzigartig tolerant“

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Foto: BGNES

Der Bulgarische Nationale Rundfunk war Gastgeber einer Diskussionsrunde zum Thema „Sprache des Hasses“. Anlass gab die alljährlich von Nationalisten begangene Ehrung von General Christo Lukow, die in diesem Jahr am kommenden Wochenende stattfinden soll. General Lukow war vor allem mit seiner antisemitischen Haltung bekannt, die er als Kriegsminister (1935 bis 1938) und Vorsitzender der Bulgarischen Nationalen Legion (1932 bis 1943) deutlich zum Ausdruck brachte. Der in neuerer Zeit jährlich um seinen Todestag veranstaltete sogenannte Lukow-Marsch wird vor allem von der Organisation der Juden in Bulgarien „Schalom“ als eine Anmaßung betrachtet.

In einer gemeinsamen Erklärung der jüngsten Diskussionsrunde wurde hervorgehoben, dass der Marsch die Bemühungen der Gemeinde Sofia um Popularisierung von Toleranz sowie Verständnis und Achtung des Andersseins zunichte mache. Das Dokument unterzeichneten der Bulgarische Antifaschistenverband, die Vaterländische Union, das Oberste Muftiat der Moslems in Bulgarien, der Nationale Verband der religiösen Glaubensgemeinschaften, der Oberste israelitische Glaubensrat, der Öffentliche Roma-Rat „Kupate“ und andere. Gegen den Lukow-Marsch sprach sich auch die Türkenpartei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ aus. Ihr Vorsitzender Lütfi Mestan hatte im Parlament adäquate Maßnahmen gegen die Nationalisten-Kundgebung gefordert. Dahingegen äußerte der israelische Botschafter in Bulgarien Shaul Kamisa Raz: „Die Toleranz bei den Bulgaren ist weitaus mehr, als der Hass.“ An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Bulgarien in der Zeit des Zweiten Weltkrieges trotz des Druckes Hitler-Deutschlands die Deportierung seiner rund 50.000 jüdischen Mitbürger in Konzentrationslager nicht zuließ.

„Der Bulgare ist zu Glaubens- und ethnischen Dingen einzigartig tolerant“, ist Maxim Benvenisti, Vorsitzender der jüdischen Organisation in Bulgarien „Schalom“ überzeugt. „Der Bulgare könnte nur jemanden töten, wenn es um einen Acker geht, wie es die Literaturklassiker beschrieben haben. Niemals würde er jedoch jemanden töten, nur weil er einer anderen Religion oder einem anderen Volk angehört. Der Bulgare ist tolerant, weil er ein nüchtern denkender Mensch ist. Dafür ist er im Dialog ausgesprochen intolerant – er vermag nichts auszuhandeln, was gerade in der Neuzeit viele Konflikte und Spannungen verhindert hat.“

Maxim Benvenisti meinte aber auch, dass aus der „Sprache des Hasses“ viele Menschen einen Nutzen ziehen würden. Es seien politische Drahtzieher, aber auch einfach nur Menschen, die sich als soziale Verlierer fühlen. Darüber müsse gesprochen werden, um die Risiken vor der Sicherheit Bulgariens zu beseitigen.

„Das Leben in Hass ist untypisch für den Menschen“, sagt weiter der Schalom-Vorsitzende. „Es stimmt schon – derzeit sprechen wir lediglich über die „Sprache des Hasses“, doch schon morgen könnte mehr daraus werden. Die Geschichte hat es gezeigt. Und daher müssen wir jetzt schon kämpfen. Wir können uns unmöglich alle gegenseitig lieben – wir brauchen uns aber nicht zu hassen.“

In Europa macht sich die „Sprache des Hasses“ zunehmend breit. Wir haben das jüngst bei der Flüchtlingswelle aus Syrien zu spüren bekommen. Gibt es das auch in Bulgarien?

„Wir leben in Europa, dessen Bewohner einen stark entwickelten Egoismus besitzen – wir machen hierbei keine Ausnahme“, meint Benvenisti. „Wir sind im Unterschied zum Rest der Welt bestrebt, all das zu bewahren, das wir im Laufe unserer Geschichte gehortet haben. Bulgarien, das wir bemitleiden und als arm einstufen, ist bei weitem reicher als die meisten Länder in Afrika, Asien und Südamerika. Mit diesem Egoismus versuchen wir uns vor den Eindringlingen zu schützen. Vor Jahren hasste man in Europa die Juden, weil sie in den Augen der Bürger in Deutschland, Österreich, Tschechien, Ungarn und Frankreich zum Beispiel wie Leute aussahen, die den einfachen Menschen das Brot wegnehmen. Auch heute noch hasst man die Juden in Europa, was viele Gründe hat. Man hasst aber vor allem die Eindringlinge. Sie stellen eine Art Konkurrenz dar. Der Egoismus ist im Charakter der Europäer fest verankert. Falls wir jedoch so weitermachen, bringen wir uns selbst um, noch bevor uns die Demographie ein Ende bereitet. Wir gehören verschiedenen Völkern an, die hier bereits seit Jahrhunderten zusammen leben. Die Immigranten sind herzlich willkommen, vorausgesetzt sie sind rechtschaffende Leute. Falls sie es nicht schaffen sollten, sich in Bulgarien zu integrieren, werden es ihre Kinder tun und werden damit zu Bulgaren. Ich sehe nichts Schlechtes darin“, sagte abschließend Maxim Benvenisti, Vorsitzender der jüdischen Organisation in Bulgarien „Schalom“.

Übersetzung und Redaktion: Wladimir Wladimirow



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