Deutschland ist der wichtigste Exportmarkt für Bulgarien und seit Jahren ein strategisch wichtiger Investor. Deshalb gilt die jährliche Konjunkturumfrage der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer als richtungsgebend für Politiker und Wirtschaftsexperten. Zum neunten Mal in Folge haben rund 100 Kammermitglieder, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die Geschäftsbedingungen in Bulgarien bewertet. Die Ergebnisse fasste die Kammer gestern auf einer Pressekonferenz in Sofia zusammen.
Bei einem ersten Überblick der Zahlen aus der traditionellen Konjunkturumfrage stechen wirklich gute Neuigkeiten ins Auge. 2013 war ein Rekordjahr für den bilateralen Handel – mit dem Rekordwert von 5,3 Milliarden Euro verzeichnete er ein Plus von 11,3 Prozent. Mehr noch – Bulgarien schneidet im Vergleich zum Exportweltmeister Deutschland besser ab. Laut Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie verzeichnet Bulgarien zum ersten Mal mehr Exporte nach Deutschland, als es aus der Bundesrepublik einführt.
„Bulgarien exportiert traditionell Textilien, Bekleidung, aber auch Maschinen, Halbfertigprodukte, Autozubehör u.a.“, sagt Dr. Mitko Wassilew, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Bulgarischen AHK. „Es muss aber auch betont werden, dass hier die deutschen Unternehmen mit Niederlassungen in Bulgarien eine entscheidende Rolle spielen. Sie haben hier investiert, produzieren in Bulgarien und exportieren ihre Produkte nach Deutschland“, ergänzt Dr. Wassilew.
Nicht so positiv sieht es allerdings im Bereich Investitionen aus. Die ausländischen Investitionen in Bulgarien gehen seit einigen Jahren kontinuierlich zurück, und da macht Deutschland keine Ausnahme. Im Vergleich zu 2011 verzeichnet Bulgarien ein leichtes Plus von 135 Millionen Euro. 82 Prozent der deutschen Investoren in Bulgarien gaben bei der aktuellen Konjunkturumfrage an, sie würden wieder in Bulgarien investieren. Dr. Mitko Wassilew zählt die Vorteile Bulgariens als Investitionsstandort auf, hat aber einen kritischen Blick:
„Als Vorteile Bulgariens gelten die niedrigen Steuern und das gesamte Steuersystem, die niedrigen Lohnkosten und auch die EU-Mitgliedschaft Bulgariens“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Bulgarischen AHK. „Wir dürfen aber nicht gerade stolz darauf sein. Es kann doch nicht sein, dass die niedrigen Gehälter als Vorteil gepriesen werden. Es darf doch nicht sein, dass die EU-Mitgliedschaft in diesem Zusammenhang überhaupt genannt wird, während dies in den anderen osteuropäischen Ländern als eine Selbstverständlichkeit aufgefasst wird. Und dann wird Bulgarien als Steuerparadies gepriesen. Viel wichtiger für eine Investitionsentscheidung sollte doch die Rechtstaatlichkeit und die Korruptionsbekämpfung sein“, fordert Dr. Wassilew. Das seien die wahren Probleme der ausländischen Investoren in Bulgarien, doch die Regierung scheint, dafür taub zu sein.
Die Unzufriedenheit der Kammermitglieder mit dem Stand der Rechtstaatlichkeit und der Korruptionsbekämpfung in Bulgarien ist nicht neu. Das schlägt sich aber inzwischen in ihrer Beurteilung des Geschäftsklimas nieder. 43 Prozent der Unternehmen finden die Bedingungen schlecht, 47 Prozent – nur befriedigend. Die geplanten Investitionen und die Beschäftigtenzahl stagnieren. Die Rechtssicherheit in Bulgarien wird im Vergleich zu den restlichen 15 Ländern Mittel- und Osteuropas am schlechtesten beurteilt und da liegt Bulgarien an letzter Stelle hinter Albanien. Ein Dauerproblem ist mittlerweile auch der Fachkräftemangel, und da hat die Deutsch-Bulgarische AHK einen Lösungsvorschlag – die Einführung der dualen Berufsbildung.
„Wir erwarten nicht, dass das duale Berufsbildungsmodell zu 100 Prozent aus Deutschland auf Bulgarien übertragen wird. Wir wünschen uns lediglich, einige positive Elemente daraus zu übernehmen, denn dadurch könnte Bulgarien der Auswanderung und der Jugendarbeitslosigkeit entgegenwirken“, ist Dr. Wassilew überzeugt. „In zwei bis drei Jahren werden Fachkräfte ausgebildet, die anschließend sofort eingestellt werden. Es freut uns, dass man in Bulgarien endlich darüber nachdenkt, die duale Berufsbildung einzuführen. Wir werden unseren Schwerpunkt auf die Pilotprojekte setzen, denn gute Beispiele sprechen sich herum und werden dann von anderen gern befolgt“, sagte abschließend Dr. Mitko Wassilew.
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