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Professor Dr. Antonij Galabow zur Zukunft Europas

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Am 25. Mai stehen Wahlen ins Europäische Parlament bevor. Bulgarien wird 17 von den insgesamt 751 Mitgliedern des Europäischen Parlamentes bestimmen. Sie werden die Politik der nächsten fünf Jahre bestimmen. Die Probleme, die mit deisen Wahlen verbunden sind, kommentierte für Radio Bulgarien der Politologe Professor Dr. Antonij Galabow. Er leitet die bulgarische Ausgabe des Wahl-Online-Tests EUvox2014 (www.EUvox.eu/bg). Die mehrsprachige Web-Plattform soll den Bürgern der gesamten Europäischen Union helfen mit ihren Antworten auf den Fragebogen zu bestimmen, welche Partei ihnen am nächsten ist, indem sie ihre Ansichten mit den Positionen der wichtigsten Partein und Koalitionen vergleichen.

"Bestimmte politische Parteien werden um Europa kämpfen, andere um ihren Platz in ihren eigenen Ländern", sagte Antonij Galabow. "Das stückelt die Aufmerksamkeit auf. Offensichtlich hat der Nationalpopulismus einen Widerhall - diese Art der radikalen Sprache zugunsten von schnellen und leichten Lösungen für komplizierte Probleme. Das heißt, dass im Prinzip Verbindungen zerrissen sind, Vertrauen fehlt, es große Leerräume im Dialog zwischen Bürgern und Politikern gibt. Eine Schuld, die bei den Wahlen zweifelsohne bezahlt werden muss. Die große Frage für die bulgarischen Wähler ist es zu begreifen, dass sie nicht abstimmen, um zu bestimmen, wer nach Brüssel reist, sondern in welche Richtung sich Europa entwickeln wird, d.h. - Bulgarien. Die Profanierung dieser Wahlen ist Teil der sog. "weichen" Strategie des Anti-EU-Diskurses. Sie wagt es nicht sich mit dem europäischen Modell offen zu konfrontieren, aber versucht ihn von unten her zu ruinieren."

Welche sind die Entwicklungsrichtungen Europas?

"Europa ist die größte Weltmacht. So oft ich es sage, stoße ich auf Verstörung und Unverständnis. Objektiv gesehen ist die Wirtschaft der 28 Mitgliedsländer die mächtigste weltweit. Sie ist viel mächtiger als die der USA, gar nicht zu sprechen von China und den anderen Einflusszentren. Die Frage ist ob die EU zusammenarbeiten wird, den Umfang ihrer Wechselwirkung und Kooperation erweitert. Oder beim Zustand der lockeren Beziehungen zwischen den Mitgliedsländern verbleiben wird, der nur durch sein Sozialversicherungssystem und Leistungen attraktiv ist. Das große Problem ist, dass wir nicht gemeinsam in der Europäischen Union arbeiten, dass dieser riesige "Gigant" zu wenig durch Zusammenarbeit seiner Mitglieder produziert. Die großen Produzenten der EU ziehen es vor ihre Produktion in Drittländer zu verlegen. Gleichzeitig ziehen es große Produzenten von außerhalb der Europäischen Union vor auf den Markt Europas zu kommen. Während sich eine minimale Erhöhung der Wechselwirkung der EU-Länder, die das gleiche oder gemeinsame produzieren, in der Nutzung der Ressourcen, einschließlich der Energieressourcen, auf die Effektivität der Union und den besseren Wohlstand seiner Bürger auswirken würde. Das ist ein faktisch nicht genutztes riesiges Potential, das ausschließlich davon ab hängt, wohin Europa geht. Ein Problem ist auch die Propaganda, die vor dem Risiko warnt, dass Europa zu einem Superstaat wird. Das kann man nicht ernst nehmen. Der gesamte europäische Haushalt macht weniger als 5 % des gesamten Bruttoinlandsproduktes der 28 Länder aus. Damit es eine wirklich starke Föderation gibt, müsste sie einen Haushalt von über 35 bis 40 % des gesamten Bruttoinlandsproduktes haben. Weder die Befürchtungen, dass die EU zu einem Überstaat, einem modernen Reich mit Hauptstadt in Brüssel wird, noch die Gegenthese, dass in der Europäischen Union immer die größeren Staaten die Entscheidungen treffen werden, entspricht der Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass die europäischen Bürger erklären müssen, in welche Richtung sie möchten, dass sich unser gemeinsames Projekt entwickeln soll.“

Was kann man zur Behauptung sagen, dass sich die Staaten in der EU mit verschiedenen Geschwindigkeiten entwickeln: erster, zweiter und sogar – dritter?

„Es gibt keine Geschwindigkeiten. Das ist eine sehr unwahre Vorstellung. Es gibt nur Stufen der Integration und Initiative. Zu wie vielen Initiativen hat Bulgarien seine eigenen Interessen erklärt? Wie oft hat es gesagt, was es unterstützt und was nicht, wo es steht? Wenn ein Land nicht zeigen kann, zu wem es steht, was es kann und erreichen möchte, isoliert es sich im Wesentlichen selbst. Das Problem besteht nicht in den verschiedenen Entwicklungsgeschwindigkeiten, sondern im unterschiedlichen Maß der Integration und Initiative. Das hängt nicht von den anderen Staaten in der EU ab, sondern von uns selbst, von den Bulgaren.“

Und die Spannung in der Ukraine, werden sie sich auf die Zukunft der EU auswirken?

„Es gibt einen sehr klaren Indikator dafür. In den letzten 10 Jahren spricht man in der Europäischen Union von einer gemeinsamen Energiepolitik, ohne zu vergessen, dass es große Interessen gibt und sie nicht bereit sind, die Richtung zu wechseln. In den letzten drei Wochen wurde im Europäischen Parlament mehr erreicht als in 4 Jahren. D.h., das Systemrisiko, das nord-östlich von Europa aufgekommen ist, wird mit Sicherheit zu Bewegung und Neuausrichten der Prioritäten führen. Europa zeigte, dass es im Stande ist sehr schnell das einzuschätzen, wogegen es sich aufstellt und effektiv zu reagieren.“

Übersetzung: Vladimir Daskalov



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