Die verheerenden Überschwemmungen im Nordosten Bulgariens haben Menschenleben gefordert. Am Montag rief die Regierung einen nationalen Trauertag aus. Unwetterartige Gewitter und sintflutartige Regenfälle verwandeln die Straßen der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna in reißende Flüsse. Mindestens zwölf Menschen kamen bei der Überschwemmung ums Leben. Unter den Opfern gibt es auch Kinder. Am späten Donnerstagnachmittag waren zeitweise bis zu 107 Liter Regen pro Quadratmeter auf die größte Stadt an der bulgarischen Schwarzmeerküste niedergegangen. Im Stadtteil Asparuchowo rissen Schlammlawinen Bäume und Autos mit. Zahlreiche Häuser standen unter Wasser und waren erst Stunden später für die Rettungskräfte zugänglich. Neben dem Strom waren auch die Kommunikationsverbindungen unterbrochen.
Nach dem ungewöhnlich milden Winter folgte in Bulgarien ein viel zu nasser Frühling mit Dauerregen und täglichen Gewitterschauern. Die Stauseen sind seit Wochen bis zum obersten Rand voll. Selbst kleinste Bäche sind schon wochenlang reißende Ströme. Aber neben den ersten Kommentaren über das schlechte Wetter war auch zu hören, dass sich die Natur rächt – für die oft illegale Rodung der Wälder. Die Tragödie in Warna ist zum Teil auch darauf zurückzuführen. Denn der Stadtteil Asparuhowo liegt auf einem Hügel über Warna, der Wald dort wird seit Jahren systematisch abgeholzt. Obwohl es illegal ist, gibt es keine Strafverfolgung. Mehr noch – die unvernünftige, lebensgefährliche Rodung wird nicht nur von den Behörden geduldet, sondern auch von den Anwohnern. Da hat sich wohl niemand Gedanken gemacht, was für verheerende Folgen das unkontrollierte Abholzen selbst in kleinen Waldstücken haben könnte. Nun hat sich die Natur gerächt. Selbst bei den Unmengen Regen, die sich in wenigen Stunden über Warna ergossen haben, hätten die Häuser, Autos und Bäume standhalten können, wären die Wassermassen nicht ungehindert durch die Straßen in das Meer geflossen.
Die Flut in Warna ist leider nicht die einzige in den letzten Jahren. Die Bilder aus den Rhodopen von vor zwei Jahren, als das Dorf Bisser überflutet wurde, sind den Menschen noch gut in Erinnerung. Und auch die Tragödie in Chan Krum 2005 forderte Menschenleben. Die Liste ist leider recht lang. Doch, all diese Naturkatastrophen haben etwas gemeinsam. Niemand wurde zur Verantwortung gezogen, und nie lernten die Menschen aus ihrer Not. Denn bei allen Überschwemmungen bisher haben die Experten im Nachhinein festgestellt, dass die verheerenden Folgen vermieden werden konnten, wären Wälder nicht gerodet, wären die Flussbecken nicht von Abfällen versperrt, und wären die Abflussschächte regelmäßig gereinigt.
Und noch ein Verhaltensmuster ist bei Naturkatastrophen in Bulgarien immer wieder festzustellen. In ihrer Not wissen die Betroffenen zunächst nicht, an wen sie sich um Hilfe wenden sollen. Und da ist der Adressat ausnahmslos der Staat. Der Staat soll die Betroffenen entschädigen, der Staat habe keine Vorkehrungen getroffen, um die Katastrophe zu vermeiden. Doch der Staat, das sind wir alle, oder? Fragt man die betroffenen Hauseigentümer und Mieter aber, ob sie eine Wohngebäude- oder Hausratsversicherung abgeschlossen haben, bekommt man als Antwort meistens einen überraschten, ahnungslosen und fragenden Blick. Selbst im ärmsten EU-Land können sich die Menschen umgerechnet 100 Euro im Jahr leisten, um sich versichern zu lassen. Naturgewalten, wie die Überschwemmung durch die sintflutartigen Regenfälle in Warna, können innerhalb kurzer Zeit immense Schäden an Gebäuden und Einrichtungen verursachen. Um auf den Kosten für die Instandsetzung nicht vollständig sitzen zu bleiben, hilft nur ein entsprechender Versicherungsschutz. Und nicht Väterchen Staat. Verhaltensmuster können auch verändert werden.
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