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Großvater Dobri – der Heilige aus Bajlowo

In Zeiten geistigen Tiefstands, moralischer Degradierung und niedriger Instinkte haben die Menschen das Bedürfnis nach Licht. In schweren Zeiten brauchen sie eine Stütze, um überstehen zu können. Eine solche Stütze bieten ihnen die christlichen Werte: Güte, Liebe und Mitgefühl. In den letzten Jahren wurde ein Bulgare zum Symbol dieses in Dunkeln flackernden Lichtfunkens, nach dem so viele Landsleute suchen. Sicherlich ist es kein Zufall, dass dieser Mann Dobri heißt – zu Deutsch – gut, da er in der Tat ein Gesandter des Guten ist. Alle, die ihn kennen, haben sich mitgefreut, als er seinen 100. Geburtstag gefeiert hat.

СнимкаDobre Dimitrow Dobrew heißt der Greis, den alle Großvater Dobri oder den Heiligen aus Bajlowo nennen. Geboren wurde er am 20. Juli 1914 im Dorf Bajlowo, dem Geburtsort des namhaften bulgarischen Schriftstellers Elin Pelin, das ca. 25 km von Sofia entfernt ist. Großvater Dobri weicht Fragen über sein Leben aus, weil er nicht gern im Mittelpunkt steht. Es ist aber bekannt, dass sein Vater im I. Weltkrieg gefallen ist und seine Mutter ihn und seine Geschwister allein großgezogen hat. Bei einem der Bombenangriffe auf Sofia während des II. Weltkriegs ist eine Granate in seiner Nähe explodiert, worauf er sein Gehör fast vollständig verloren hat. Über die Gründe für sein enthaltsames Leben können wir nur spekulieren. Tatsache aber ist, dass ihn seine Dorfbewohner seit vielen Jahren als wahren Asketen kennen.

Die 25 Kilometer von Bajlowo nach Sofia und wieder zurück hat Großvater Dobri früher zu Fuß zurückgelegt. Infolge seines fortgeschrittenen Alters benutzt er seit kurzem aber auch den Bus. Da ihn die Busfahrer kennen, wollen sie kein Fahrgeld von ihm. Sie wissen nur zu gut, dass seine Mission den Mitmenschen gilt – seit langen Jahren ist Großvater Dobri der größte Privatspender vieler bulgarischer Kirchen, darunter auch der Alexander-Newski-Kathedrale in Sofia. Der Sekretär des Kirchenvorstandes Stefan Kalajdschiew erinnert sich immer noch an jenen Tag im Mai 2009, als der Greis ihn besucht und ihm sein Anliegen mitgeteilt hat. Großvater Dobri war sich nicht mehr sicher, in welcher Bank das Geld liegt, das er mühsam Münze für Münze gesammelt hatte. So machten sie sich auf, um alle Bankniederlassungen in der Stadt Nowi Iskar zu durchforsten, wo eine Verwandte von ihm ein Konto eröffnet hatte. Als sie schließlich fündig wurden, stiftete Großvater Dobri das ganze Geld, umgerechnet ca. 18.000 Euro, der Alexander-Newski-Kathedrale. Das ist die größte private Kirchenspende in der Geschichte des Gotteshauses. Mit dieser Geste verdiente er sich endgültig den Namen „Der Heilige aus Bajlowo“. Es wurde auch bekannt, dass er bereits im Jahr 2000 sein ganzes Hab und Gut der Kirche vermacht hat. Natürlich gab es auch Leute, die versuchten, ihn anzuschwärzen. So hieß es, er habe seine Familie im Stich gelassen, um herumzustreunen. Natürlich erbittern solche Worte Großvater Dobri, doch in diesem Fall schützt ihn sein demoliertes Gehör vor dem Gerede der Menschen, so dass er ihn gewohnter Güte und mit Edelmut an seiner Mission festhält.

СнимкаKaum jemand würde es jedoch wagen, Großvater Dobri als Bettler zu bezeichnen, da alle absolut sicher sind, dass er keine einzige Münze von dem Geld, das er sammelt, für sich behält. Eine ganze Reihe Kirchen und Klöster haben erhebliche Geldsummen von ihm erhalten, darunter die Gotteshäuser in Kalofer und Poibrene. Insgesamt rund 13.000 Euro hat er für die Restaurierung des Klosters in Elena und der Kirche in Gorno Kamarzi gespendet. Der Kirche in seinem Heimatort Bajlowo hat er 5.000 Euro gestiftet, hilft aber auch mit Arbeit aus, beispielsweise wenn es darum geht, das Kirchedach auszubessern und das mitten im Winter. Großvater Dobri bewohnt ein kleines bescheidenes Zimmer an der Kirchenflanke, wo er auf dem Boden schläft, weil er sich weigert, das Bett zu benutzen. Für ihn sorgt eine seiner Töchter. Der Greis schlägt jegliche Geschenke und Gaben für sich ab und will nicht einmal Möbel haben. Er ist dankbar, wenn die Leute für die Kirche spenden und ihm etwas zum Essen mitbringen. Oft kann man am Fenstersims ein Stück Brot und eine Tomate sehen – das ist seine Tagesration.

Egal wer er ist und woher er kommt – Großvater Dobri wurde zu einer stillen, aber bedeutenden moralischen Stütze für viele Bulgaren und vor allem für diejenigen, die in Sofia leben. Sein mildes Lächeln, die gütigen und segnenden Worte und die Demut, mit der er die Hand jener küsst, die ein paar Münzen in seine Schale werfen, sind mehr wert als die seelenlosen Predigten mancher Priester, die sich in diesen schwierigen Zeiten nicht viel aus dem Elend ihrer Gemeinde zu machen scheinen. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als dem Heiligen aus Bajlowo viel Gesundheit zu wünschen. Auf ein langes Leben blickt er ja bereits zurück.

Übersetzung: Rossiza Radulowa

Fotos: Archiv

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