Der innenpolitische Akzent der ausgehenden Woche fällt zweifellos auf den Rücktritt von Plamen Orescharski und seiner Regierung. Wie oft in solchen Situationen empfindet die Opposition in der Gestalt der konservativen GERB-Partei tiefste Genugtuung; ihre Vertreter haben erleichtert aufgeatmet und schmieden bereits kühne Pläne über einen niederschmetternden Wahlsieg bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 5. Oktober 2014. Die Mandatträger wiederum – die BSP und die DPS, stimmen Lobeshymnen über die vermeintlichen „Erfolge“ der Regierung von Orescharski während ihrer 421-tägigen Amtszeit an.
Die Lage in Bulgarien gleicht immer mehr einem Déjà-vu, im buchstäblichen Sinne des Wortes. Die Hauptakteure auf der politischen Bühne bleiben die gleichen und werden, ungeachtet ihrer hochtrabenden Versprechen über Veränderungen, Reformen und Katharsis, sicherlich den gegenwärtigen Status quo nicht ändern wollen, auch nach den anstehenden Wahlen nicht. Und der Status quo, sprich die Lage, ist für den Normalbürger in Bulgarien alles anders als rosig – immerwährend müssen die Gürtel enger geschnallt werden; die Monopolisten in der Energiewirtschaft treiben ihr Unwesen, so dass die Strom- und Heizungskosten horrend sind; die Landesführung ist von Korruption und Machenschaften verseucht. Die bittere Wahrheit ist, dass die Straßenproteste all das nicht ändern konnten. Ob es der neuen Regierung wohl gelingen wird, diese Herausforderungen und den latenten Mangel an Reformen in den Sphären Justiz, Gesundheitsfürsorge und Rentenwesen wenigstens zum Teil zu meistern? Die meisten Beobachter sind eher skeptisch. Alles wird wohl beim alten bleiben und das Déjà-vu-Erlebnis wird anhalten.
Bei den Wahlen am 5. Oktober wiederum könnte der Großteil der Wähler dem Jamais-vu verfallen. (Bei diesem psychologischen Phänomen wird eine Person, ein Umstand oder ein Ort, obwohl eigentlich bekannt, als völlig fremd oder neu empfunden.) Das heißt, die Wählerschaft könnte wieder massiv für die konservative GERB voten und dabei vollkommen vergessen, dass während diese Partei bis vor anderthalb Jahren an der Macht war, die restriktive Politik des allgegenwärtigen Finanzministers Simeon Djankow wesentlich dazu beigetragen hat, dass Bulgarien auch weiterhin das ärmste EU-Land geblieben ist.
Das Verhalten der verarmten bulgarischen Wähler mutet übrigens ziemlich paradox an. Gerade diejenigen, die ärmer und ärmer werden und eine gerechtere Verteilung der öffentlichen Ressourcen verlangen, stimmen unerklärlicherweise für eine rechte Landesführung. Vielleicht liegt das daran, dass Bulgarien de facto über keine echte linke Flanke im politischen Raum verfügt. Die Bulgarische Sozialistische Partei ist nur dem Klang nach sozialistisch. Seit langem schon sind ihre Clans mit den Oligarchenzentren des Großkapitals verschmolzen. Die Regierungen, die die BSP gebildet hat, haben immer deren Interessen bedient. So war es auch mit der Regierung von Plamen Orescharski.
Übersetzung: Rossiza Radulowa
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